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Ratifizierung auf die Schnelle

  • Donnerstag, 3. März 2005 @ 22:25
Europa Alle, alle sind sie EuropäerInnen: Kanzler Schüssel hätte es für sinnvoll gefunden, wenn "in ganz Europa eine entsprechende Abstimmung stattgefunden hätte". FP-Vizekanzler Gorbach plädierte für "ein europäisches Referendum" und Grünen-Sprecherin Lunacek warf der Regierung vor, "sich nicht für die Möglichkeit europäischer Abstimmungen eingesetzt" zu haben. SPÖ-Europasprecher Caspar Einem schließlich hatte sich – seiner Zeit weit voraus – schon im Konvent dafür eingesetzt, "das Instrument einer europäischen Volksabstimmung zu schaffen".

Nur wenn es um das hier und jetzt geht, ist alles anders: In Österreich ist eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung absolut ausgeschlossen – da sind sich alle vier Parlamentsparteien einig. Was in Spanien, Frankreich, Großbritannien oder Tschechien und sechs weiteren EU-Ländern recht und gut ist, das ist für Österreich Teufelswerk.

Am 2. März beschloss der Nationalrat mit den Stimmen sowohl der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ als auch jener der "Opposition" von SPÖ und Grünen ein Bundesverfassungsgesetz betreffend die Ratifizierung der EU-Verfassung. Ignoriert wurden dabei alle Forderungen, dieses Gesetz und damit die Verfassung einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Vorausgegangen war dem eine Beratung des Verfassungsausschusses am 17. Februar, bei welcher ebenfalls Einstimmigkeit zur Verfassung herrschte. Ein Antrag des SPÖ-Abgeordneten Kräuter, auch die im Oktober eingereichte und mittlerweile von über 5.000 Menschen unterzeichnete Petition mit der Forderung nach einer Volksabstimmung entsprechend einer Zusage des Petitionsausschusses zu behandeln, wurde von den Regierungsparteien abgelehnt, nachdem der Ausschussvorsitzende Peter Wittmann (SPÖ) es offenbar nicht der Mühe wert gefunden hatte, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.

Eva Glawischnig, Vizechefin der Grünen, brachte im Ausschuss mit der Aussage, es "sei wünschenswert, dass Österreich die EU-Verfassung zügig und ohne unnötige Verzögerung" ratifiziere, die Sache auf den Punkt. Davon war offenbar sogar die Regierung so beeindruckt, dass die Ratifizierung im Schnellzugstempo durchgezogen wird; dem jetzigen Gesetzesbeschluss folgt Anfang Mai die eigentliche Ratifizierung. Sollte das gar als eine Vorleistung für Schwarz-Grün gesehen werden?

Wie man in solchen Fragen mit den WählerInnen umzugehen hat, demonstrierte freilich am eindringlichsten Caspar Einem (SPÖ): Er sei "grundsätzlich dagegen, dass über die Europäische Verfassung national in Volksabstimmungen entschieden wird". Begründung: Nationale Volksabstimmungen könnten "als Ventil für allen möglichen Unmut und damit als Aktionsbasis für Populisten aller Art dienen". Fast wortgleich findet man es übrigens auch in einer Stellungnahme des Dialogbüros des Grünen Klubs: "Nationale Volksabstimmungen bergen die Gefahr, dass sie zur nationalen Abrechnung mit der EU-Politik der jeweiligen Regierung werden und damit das Gesamtprojekt gefährden", heißt es da.

Aber eigentlich ist der Grund bei Caspar Einem ein anderer, denn es "sind komplexe Gesetzeswerke, wie das auch für die Europäische Verfassung gilt, nicht besonders geeignet für eine Volksabstimmung", und den Verfassungstext zu lesen und zu vergleichen "muss den Stimmbürger überfordern". Warum, wird auch gleich erklärt: "Nicht zuletzt aus diesem Grund wählen Sie bei den Nationalratswahlen ihre Vertreter", schreibt er, und "man möge die Politiker arbeiten lassen, sie würden ihre Arbeit seriös machen".

Im Klartext, schön brav das Kreuzerl bei der SPÖ machen und dann gefälligst kuschen. Die nötige Distanz und Demut wird aus einem Serienbrief von SPÖ-Abgeordneten deutlich: "Ich freue mich, dass Sie so engagiert an der Politik teilnehmen und sich auch nicht davor scheuen, direkt mit Ihren Abgeordneten Kontakt aufzunehmen", heißt es da recht treuherzig. Da lässt wohl die Unterwürfigkeit aus Zeiten der altehrwürdigen k.u.k. Monarchie grüßen ...

Einems Logik zufolge müssen die Regierungen von zehn EU-Ländern schön blöd sein, wenn sie das Volk entscheiden lassen. Im Unklaren lässt uns Einem, warum er in Österreich so vehement gegen eine Volksabstimmung ist, sich gleichzeitig aber im Konvent für eine europäische Volksabstimmung eingesetzt hat. Oder geht er einfach davon aus, dass die Deutschen, Franzosen und Italiener dank ihrer Masse die aufmüpfigen Dänen, Tschechen etc. im Bedarfsfall einfach niederstimmen würden?


So direkt gibt es ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch nicht, er hat offenbar ein Seminar bei Kanzler Schüssel belegt und hüllt sich wie dieser in eisernes Schweigen: Ende Oktober 2004 hatte Verzetnitsch – wohl in einer schwachen Stunde und ohne rechtzeitige Konsultation seines sozialpartnerschaftlichen Zwillingsbruders Christoph Leitl – in einem Brief an Bundeskanzler Schüssel den EU-Verfassungsvertrag kritisiert.
Darin stellt er richtigerweise fest, dass die EU-Verfassung dem Anspruch einer Sozialunion nicht gerecht wird und die österreichische Neutralität gefährdet. Nachbesserungen werden verlangt: Eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung und angesichts der weitreichenden Auswirkungen derselben eine breite Information der österreichischen Bevölkerung.

Seit der Unterzeichnung der Verfassung in Rom am 29. Oktober 2004 hat sich am Charakter der EU-Verfassung nichts geändert. Die Forderungen des ÖGB sind weiterhin vollauf berechtigt. Bestätigt wurde dies unter anderem auch durch die kritische Bilanz über zehn Jahre EU-Mitgliedschaft aus der Sicht der Lohnabhängigen im "Infobrief EU_International" der Wiener Arbeiterkammer.

Verschiedentlich wurde Verzetnitsch – der bekanntlich auch SPÖ-Abgeordneter im Nationalrat ist – aufgefordert, seinen Worten Taten folgen zu lassen und in seiner Fraktion bzw. im Parlament für eine Volksabstimmung über das Bundesgesetz zur Ratifizierung der EU-Verfassung tätig zu werden. Er ist dort ja nicht allein. Außer ihm sitzen noch folgende hochrangige GewerkschafterInnen im Nationalrat: Renate Csörgits (ÖGB-Frauenchefin), Dietmar Keck (BR Voestalpine), Krist (ehem. BRV Optyl), Richard Leutner (ÖGB-Sekretär), Rudolf Parnigoni (Arbeiterkammer NÖ), Franz Riepl (Zentralsekretär GMT), Walter Schopf (Landessekretär GMT OÖ), Rainer Wimmer (BRV Salinen).

Fünf Abgeordnete hätten die Möglichkeit gehabt, mittels eines Initiativantrages die Forderung nach einer Volksabstimmung zumindest zu beantragen (auchauf die Gefahr hin, niedergestimmt zu werden). Doch es kam nicht einmal zum Versuch. Die EU-konforme parteiübergreifende Fraktionsdisziplin machte einmal mehr aus den SPÖ-GewerkschafterInnen im Parlament eine Truppe von Pausenkasperln, die zwar bei jeder Gelegenheit über die Grausamkeit von Regierung und Kapital lamentieren, im Ernstfall aber schlicht zu Kreuze kriechen.

Alle vier Parteien bestreiten, dass die EU-Verfassung eine Änderung der österreichischen Verfassungsgrundlagen bedeutet, und schwärmen vom großartigen Projekt Europa. So loben die Grünen an der Verfassung die Fortschritte für "Vollbeschäftigung und soziale Marktwirtschaft, strikte Einhaltung der UNO-Charta und Auskoppelung des Euratom-Vertrages". Nur FP-Klubchef Scheibner stört das parlamentarische Wohlbefinden; er beklagt "den mangelnden Enthusiasmus".

Wiederum bleibt es Caspar Einem vorbehalten, die Sache auf den Punkt zu bringen; in der EU-Verfassung steht wörtlich: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern". Einem gefällt, "dass die Union handlungsfähiger wird und künftig eine effizientere Verteilung der Mittel für militärische Zwecke vorgesehen" wird. Der Supermacht EU steht demnach nichts mehr im Wege.

Im "Gedankenjahr" 2005 träumt das politische Establishment des kleinen Österreich gedankenlos von einer neuen Großmacht und vergisst, dass alle Großmächte in der Geschichte letztlich gescheitert sind. Gleichzeitig exerzieren uns Schwarz-Blau-Rot-Grün einmal mehr vor, was demokratiepolitisch Sache ist. Jetzt bleibt uns nur die Hoffnung, dass in einem der abstimmenden zehn EU-Länder die Verfassung an einer Volksabstimmung scheitert. Denn heißt es nämlich: Zurück an den Start ...

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