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Lambach steht zu einer Nazi-Denunziantin

  • Mittwoch, 13. Juli 2005 @ 22:09
Antifa In Lambach beschloss der örtliche Gemeinderat, dass Ehrenbürgerschaft und Straßenbenennung nach einer Nazi-Denunziantin erhalten bleibt.

Man könnte meinen, dass ein Gedenkjahr wie 2005 – regierungsoffiziell sogar „Gedankenjahr“ genannt – Anlass für Nachdenklichkeit über die eigene Geschichte und den Umgang damit wäre. Man könnte auch meinen, dass ein solches Jahr Anlass zum Handeln sein könnte, um die leider immer noch vorhandenen „Braunen Flecken“ zu beseitigen. Die Realität ist leider ganz anders.

In Lambach (Bezirk Wels-Land) beschloss am 30. Juni 2005 der Gemeinderat sehr demonstrativ – mit 19 gegen zwei Stimmen bei 4 Enthaltungen – dass der Gemeindebürgerin Margarete Pausinger die Ehrenbürgerschaft nicht aberkannt und ebenso demonstrativ – mit 22 gegen zwei Stimmen bei einer Enthaltung – dass die örtliche Pausinger-Straße nicht umbenannt wird. Worum geht es dabei?

Die Malerin Margarete Pausinger (1880-1956) hatte laut einem Gendarmerieprotokoll vom 29. Dezember 1939 ihren deutschen Künstlerkollegen Friedrich Wingen wegen NS-kritischer Äußerungen denunzierte. Wingen wurde daraufhin zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt und 1943 neuerlich verhaftet, in das Konzentrationslager Lublin in Polen eingeliefert und starb 1944 an von SS-Ärzten injizierten Typhusbakterien. Ob der zweiten Verhaftung ebenfalls eine Denunzierung durch Frau Pausinger zugrunde liegt, lässt sich nicht mehr vollständig nachvollziehen. Von verschiedenen antifaschistischen Gruppen wurde dieser Schandfleck thematisiert, Unterstützung kam auch vom Landesarchiv, dessen Leiter Gerhart Marckhgott meinte, dass „es sicher ist, dass Frau Pausinger eine überzeugte NS-Anhängerin und NSDAP-Mitglied von 1937 bis 1945 war“.

Auch die heute betagte Tochter Wingens, die in Kalifornien lebende Eva Caro, hatte an Bürgermeister Friedrich Ilk (ÖVP) und den Gemeinderat der Marktgemeinde appelliert, jede öffentliche Ehrung Pausingers zu tilgen.

Besonders „originell“ ist die im Gemeinderat von Bürgermeister Ilk angeführte Rechtsmeinung des Landes Oberösterreich, wonach die Ehrenbürgerwürde nicht aberkannt werden könne, weil sie mit dem Tode erlösche. Ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss hätte deshalb nur symbolische Bedeutung. Das hatte freilich den Gemeinderat von Haslach (Bezirk Rohrbach) im Jahre 2004 nicht daran gehindert, spät aber doch, einstimmig die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers aufzuheben. In Lambach war ein solcher Akt der demokratischen Hygiene offenbar unmöglich…

Freilich gibt es solche „Braunen Flecken“ nicht nur in Lambach: So ist in Sankt Wolfgang (Bezirk Gmunden) immer noch die „Dr.Franz-Xaver-Rais-Promenade“ nach einem Arzt (1899-1972) benannt, der 1942 die im Ort wohnende Jüdin Gertrud Peter beim NSDAP-Landrat denunzierte. Obwohl die KPÖ bereits 1995 eine Umbenennung verlangt hatte und 1998 auch die Israelitische Kultusgemeinde, das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) und die Initiative Welser gegen Faschismus unterstützt von einem Gutachten von zwei Linzer Historikern blieb die Gemeinde bis heute untätig.

Eine Umbenennung steht auch für die in Linz und Wels nach dem Nobelpreisträger Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) benannten Straßen an, nachdem dessen Engagement für das NS-Regime durch die seit nunmehr fast zwei Jahren laufenden Untersuchungen von Historikern mittlerweile hinreichend dokumentiert sein dürfte.

Weiterhin existieren in Oberösterreich auch nach dem engagierten Nationalsozialisten und Kinderbuchautor Franz Karl Ginzkey (1871-1963) in Linz, Wels, Freistadt, Attnang-Puchheim, Lenzing, Seewalchen und Vöcklabruck benannte Straßen. In Grein existiert immer noch eine nach Verfasser des „Hakenkreuzliedes“ Ottokar Kernstock (1848-1928) benannte Straße. In Wels, Leonding und Attnang-Puchheim sind weiterhin Straßen nach dem in der NS-Ära exponierten Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl (1897-1974) benannt.

Gar nicht zu reden ist von den nach einem geistigen Vorläufer der Nazi-Bewegung geltenden „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) benannten Straßen in zahlreichen Gemeinden. Und solche „Flecken“ gibt es natürlich nicht nur in Oberösterreich, sondern im ganzen Bundesgebiet. Es gibt also noch viel zu tun, nicht nur im Gedenkjahr 2005, sondern auch weit darüber hinaus. Das größte Hemmnis dabei ist nämlich die Beharrlichkeit des offiziellen Österreich, das sich meist immer noch als erstes Opfer des Nazifaschismus versteht. Dieser schiefen Logik zufolge verstehen sich die TäterInnen als Opfer, ein Affront gegen alle WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus, die unter Einsatz ihres Lebens den Auftrag der „Moskauer Deklaration“ der Alliierten von 1943 ernst genommen und einen „eigenen Beitrag“ für das Wiedererstehen eines unabhängigen Österreich geleistet haben.

© Leo Furtlehner

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