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1918: Mit roten Fahnen auf den Hauptplatz

  • Mittwoch, 31. Oktober 2018 @ 08:00
Geschichte "Brot und Frieden" waren die zentralen Losungen, die in Rußland in den Jahren des imperialistischen 1. Weltkrieges die zunehmend kriegsmüde Bevölkerung unter der Führung der Bolschewiki schließlich zur Oktoberrevolution am 7. November 1917 (24. Oktober alten Stils) führten, einem geschichtlichen Ereignis, das nicht nur den Lauf der Weltgeschichte entscheidend veränderte, sondern auch auf zahlreiche andere Länder direkte oder indirekte Auswirkungen hatte, so auch auf Oberösterreich.

So wie in Rußland ging auch in Österreich die wachsende Unzufriedenheit mit den Auswirkungen des 1914 begonnenen Raubkrieges dem Zusammenbruch der Habsburger-Monarchie im November 1918 und der dabei entstehenden revolutionären Welle voraus. Oberösterreich war von allen habsburgischen Kronländern am weitesten von allen Fronten entfernt, trotzdem war auch hier die im Sommer 1914 vorhandene Kriegsbegeisterung rasch verflogen und wich einer zunehmenden Ablehnung.

Erste Proteste schon 1915

Zu den ersten Protesten gegen den Krieg kam es in Oberösterreich bereits am 12. Oktober 1915, als aufgebrachte Frauen beim Linzer Bürgermeister und dem kaiserlichen Statthalter vorsprachen. Hintergrund dafür war die so rigoros durchgeführte Requirierung für die Front, daß Gerüchte über massenhaft verdorbene Lebensmittel oder die Verwendung von Schärdinger Butter für die Seifenherstellung nicht verstummen wollten.

Selbst Landeshauptmann Hauser nannte im wiedereinberufenen Abgeordnetenhaus des Reichsrates die Militärbürokratie "unvernünftig, hochnäsig und gewalttätig". Am 15. Oktober 1915 kam es in Steyr zu weiteren Protesten von Arbeiterfrauen, die vom Steyrer Bürgermeister die teilweise Freigabe von Brotlieferungen aus der Umgebung erreichten. Im Jahre 1917 folgten ähnliche Demonstrationen in Urfahr, nachdem es zwischenzeitlich immer wieder zu tumultartigen Auseinandersetzungen bei Lebensmittelgeschäften und Ausgabestellen gekommen war, so etwa in Ried im Innkreis.

Die Frauen von Reichenau

Ein Beispiel beherzten Widerstandes gegen die Obrigkeit lieferten Anfang August 1917 aufgebrachte Häuslerfrauen in Reichenau. Als der Marktmüller die ersten Körner schwarz zu vermahlen beginnen wollte, kam überraschend die Mahlkommission und beschlagnahmte unbarmherzig das wenige Mehl, das zur Stillung des ärgsten Hungers notwendig war. Anstatt aber ängstlich zu kuschen vertrieben die aufgebrachten Frauen die kaiserlichen Kommissare ins Wirtshaus, wurden aber von dort auf die Straße geholt und ordentlich verdroschen.

Erst als sie zusicherten, daß sie keine Anzeige erstatten würden, ließen die Frauen von ihnen ab. Nur eine einzige "Aufrührerin" wurde später zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt. Das Reichenauer Beispiel aber machte Schule und die Kommissare konnten später auch in den umliegenden Orten, zum Beispiel in Ottenschlag, bis zum Kriegsende keine erfolgreiche "Amtshandlung" mehr durchführen

Jännerstreik spürbar

Der große Jännerstreik im Jahre 1918 als Wetterleuchten für den Zusammenbruch der verrotteten Habsburger-Monarchie war auch in Oberösterreich spürbar: Es streikten Arbeiter der Eisenbahnwerkstatt, des Heizhauses, der Lokomotivfabrik, Tabakfabrik, Schiffswerft sowie bei Posselt, Rosenauer und Bukowansky. In Steyr verschenkten Arbeiterfrauen Brotmarken an dort eingesetzte junge Soldaten, womit deutlich wurde, daß es längst nicht mehr nur um reine Hungerdemonstrationen ging, sondern die Kriegsmüdigkeit immer weiter um sich griff. Neuerliche Brotkürzungen im Juni 1918 führten zu Demonstrationen in Linz, Kleinmünchen, im August streikten die Salinenarbeiter in Bad Ischl und Ebensee, im September folgte eine Protestversammlung der Staatsangestellten in Linz, nachdem ihnen die Regierung nur eine Teuerungszulage von 25 statt um 50 Prozent bewilligt hatte.

Die Streikzahlen für die ersten Kriegsjahre waren in Oberösterreich nur gering: 1915 gab es einen Streik mit 137 Beteiligten, 1916 wurde überhaupt kein Streik verzeichnet. 1917 jedoch drei Streiks mit 14.881 Beteiligten. Der Löwenanteil entfiel dabei auf den Streik in der Waffenfabrik Steyr vom 8. bis 10. Mai 1917, mit welchem die von der Werksleitung lange verzögerte Lohnregulierung erreicht wurde.

Recht bald waren in Oberösterreich die ersten Auswirkungen der russischen Oktoberrevolution spürbar. Obwohl die Linksradikalen im Gegensatz zu Wien und den niederösterreichischen Industriegebieten in Oberösterreich keinerlei direkten Einfluß hatten, wurde schon zu Weihnachten 1917 in Steyr unter den Arbeitern die Meinung kolportiert "Wir müssen es auch russisch machen" und die Forderung "Gründen wir Arbeiterräte" verbreitet.

Arbeiterrat schon 1917

Und obwohl es keine unmittelbaren Auswirkungen nach sich zog ist ein Ereignis von geradezu symptomatischer Bedeutung: Bereits am 12. Dezember 1917 traf sich im Gasthaus "Zum grünen Kranz" in Linz eine Anzahl von Arbeitern aus den größeren Betrieben und gründete eine illegale Organisation, die sich "Arbeiterrat" nannte und deren Ziel es sein sollte, Propaganda für das Räteprinzip zu entfalten. Auch zu den in Linz arbeitenden russischen Kriegsgefangenen wollte man Fühlung aufnehmen.

Zum Vorsitzenden dieses Arbeiterrats wurde der Eisenbahner Michael Schober, zu Stellvertretern der Arbeiter Gsöllpointner von der Lokomotivfabrik Kraus & Co. sowie der Arbeiter Lindenbauer von der Schiffswerft gewählt, alle drei Genannten waren Mitglieder der Sozialdemokratie. Auf die im November 1918 entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte hatte dieser verfrühte Versuch allerdings keine direkten Auswirkungen, er zeigt jedoch, wie die Räteidee spontan Gestalt angenommen hatte.

Der Protest gegen den Krieg und seine Auswirkungen ging jedoch weiter. So streikten zwischen 17. und 25. Mai 1918 neuerlich die Arbeiter der Waffenfabrik Steyr, der jedoch durch die genügend vorhandene Militärassistenz mit großer Härte niedergeworfen wurde.

Einzige maßgebende Gewalt

Schon am 31. Oktober 1918 zogen die Arbeiter der Schiffswerft mit roten Fahnen durch die Stadt und brachen in Hochrufe auf die russische Revolution aus. Am 1. November 1918 kam es zu einer großen Demonstration von Arbeitern und Soldaten. Dem Demonstrationszug mit einer Eisenbahnerkapelle, Soldaten und Offizieren mit roten Kokarden und Vertretern der Sozialdemokratie an der Spitze zogen vom Südbahnhof zum Hauptplatz.

Vom Rathausbalkon hielten die Sozialdemokraten Eduard Euller und Josef Dametz, der Christlichsoziale Pischitz und der Deutschnationale Franz Langoth Reden an die Versammelten. Euller stellte dann den Antrag, die "bisherigen militärischen Gewalten ihrer Funktion zu entkleiden und Soldatenräte wählen zu lassen", was einstimmig angenommen wurde. Daraufhin konstituierte sich auf Grund eins von allen drei Parteien unterzeichneten Stationskommandobefehls der Linzer Garnisonssoldatenrat, zu dessen Vorsitzender Euller gewählt wurde.

Die Menge war jedoch so aufgebracht, daß die sofortige Befreiung der Gefangenen aus den Militärarresten verlangt wurde und die Demonstranten zur Schloßkaserne zogen, wo die Soldatensträflinge widerstandslos ausgeliefert wurden. Am 2. November 1918 kam es in Linz dann verschiedentlich zu Plünderungen in Lebensmitteldepots und Kasernen, woraufhin der Soldatenrat eingriff und am 4. November beschloß Lebensmittelmagazine und Fabriken zu bewachen. In diesen Wochen war der Soldatenrat faktisch zur einzigen maßgebenden und Autorität besitzenden Gewalt in Linz geworden.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie im November 1918 und der Ausrufung der Republik erreichte die Rätebewegung eine große Bedeutung und Oberösterreich und hier wiederum besonders Linz war zwischen November 1918 und März 1919 das eigentliche Hochburg der österreichischen Rätebewegung, wie der Historiker Hans Hautmann in seinem Standardwerk "Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918-1924" nachwies.

Leo Furtlehner

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