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Rotwein mit braunem Fleck

  • Dienstag, 27. Juni 2006 @ 09:42
Antifa Einen interessanten Aspekt der österreichischen Gastronomie beleuchtete der Historiker Roman Sandgruber (o.Univ. Prof. für Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Vorstand des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Johannes-Kepler-Universität Linz) in einem Artikel der Serie „Alltag“ in den „OÖ Nachrichten“:

Der Zweigelt ist ein „echter“ Österreicher. „Die österreichischste aller Rotweinsorten“, meinen die Experten, und das ist durchaus eindeutig zu verstehen. Denn der Zweigelt ist nicht nur eine österreichische Züchtung und inzwischen die bedeutendste österreichische Rotweinsorte, sondern auch ein Beispiel für den vergesslichen Umgang der Österreicher mit ihrer neueren Geschichte und für die immer wieder beklagte Verdrängung, wenn es um die Rolle von Österreichern im Nationalsozialismus geht.

Platz 2 in Rebenstatistik

Mit einem Anteil von neun bis zwölf Prozent an der Weingartenfläche Österreichs nimmt der Zweigelt Rang zwei in der österreichischen Rebsortenstatistik ein. Der Zweigelt ist bekömmlich und kann bei entsprechender Kultur auch Spitzenprodukte erbringen. Über seinen zeitgeschichtlichen Hintergrund, der einen gar nicht so angenehmen Nachgeschmack hinterlässt, wird beharrlich geschwiegen. Die Rebe wurde im Jahr 1922 an der Weinbauschule Klosterneuburg gezüchtet, aus einer Kreuzung von St. Laurent und Blaufränkisch.

Dr. Fritz Zweigelt, der Züchter, nannte die neue Weinsorte „Rotburger“. Fritz Zweigelt war aber nicht nur Botaniker. Bereits lange vor dem Anschluss war er illegaler Nationalsozialist. Sofort nach dem Anschluss im Jahr 1938 wurde er mit der Leitung der Weinbauschule Klosterneuburg betraut. Sein Vorgänger wurde zwangspensioniert. Aber Zweigelts Täterschaft während der NS-Zeit war viel dubioser, vor allem was seine Aktivitäten in der Aufdeckung der Widerstandsgruppe um den Klosterneuburger Chorherrn, Roman Scholz betrifft. Gegen ein Mitglied dieser Gruppe, den Schüler Josef Bauer, ging er als Direktor mit der vollen Härte des Disziplinarrechts vor und ließ ihn per Konferenzbeschluss der Gestapo ausliefern.

Uneinsichtiger Nazi

1945 endete zwar Zweigelts Karriere. Die Direktorenstelle in Klosterneuburg und die 1943 verliehene Dozentur an der Hochschule für Bodenkultur wurden ihm entzogen. Seine 1963 veröffentlichte Autobiographie aber lässt wenig Einsicht erkennen. So ist es nicht nur Gedankenlosigkeit oder historische Unkenntnis, sondern vielleicht auch Unverbesserlichkeit, maßgeblicher politischer Entscheidungsträger, dass Österreichs prominenteste Rotweinsorte im Jahre 1975 im Zuge der , „Qualitätsweinrebensorten-Verordnung“ in Zweigelt umbenannt wurde und damit nach einem prominenten, wenig gewandelten Nationalsozialisten benannt ist und dass seit 2002 mit höchster politischer Beihilfe jährlich auch ein Dr. Fritz Zweigelt-Preis mit einer entsprechenden Porträt-Medaille verliehen wird.

Quelle: OÖN, 27. Mai 2006

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