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Migration ist kein Verbrechen

  • Dienstag, 13. April 2021 @ 09:34
Österreich Rede von Kurt Palm, die er auf Einladung der "Aktionsgruppe KPÖ Linz" beim Protest- und Solidaritätscamp "Wochenende für Moria" am 10. April 2021 in Linz gehalten hat.

Im Sommer 1946 hielten sich alleine in Oberösterreich 153.000 Flüchtlinge auf. Die meisten von ihnen waren, als sie hier ankamen, staatenlos, besitzlos, arbeitslos und weitgehend rechtlos. Und auch wenn sie nicht besonders freundlich aufgenommen wurden, hat man ihnen immerhin die Möglichkeit gegeben, für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Obwohl in Österreich damals Hunger und Armut herrschten, wurden im Gegensatz zum Jahr 2021 keine Flüchtlingsfamilien von der Polizei in Nacht- und Nebelaktionen aus ihren Betten geholt und abgeschoben.
Heute liegt Österreich beim materiellen Wohlstand in der EU auf dem dritten Platz und steht im weltweiten Wohlstandsranking an zehnter Stelle. Österreich ist also eines der reichsten Länder der Erde, trotzdem weigert sich die türkis-grüne Regierung seit Monaten mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, Flüchtlinge aus den Elendslagern in Griechenland, Bosnien oder Spanien aufzunehmen.
Jeder kennt die Horrormeldungen, die uns täglich aus Kara Tepe auf Lesbos, aus Lipa in Bihac oder aus den Lagern auf den Kanarischen Inseln erreichen. Und wir kennen auch die Bilder von den leck geschlagenen Schlauchbooten im Mittelmeer und den ertrunkenen Frauen, Männern und Kindern, die auf der Flucht vor Armut, Hunger und Krieg und in der Hoffnung auf ein besseres Leben einen qualvollen Tod erlitten haben.
Als 2016 Bilder vom im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingskindern um die Welt gingen, kommentierte das der damalige Außenminister Sebastian Kurz mit den Worten: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“. Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass der Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer, an den EU-Außengrenzen oder in den zahllosen Lagern nicht nur ganz bewusst in Kauf genommen wird, sondern dass diese Verbrechen von der EU auch so gewollt sind.
Adonis Georgiadis, der Vizeparteichef der konservativen griechischen Regierungspartei „Neue Demokratie“ hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte: „Damit die Flüchtlinge aufhören zu kommen, müssen sie hören und sehen, dass es denen, die hier sind, schlecht geht.“ Zitatende. Und damit es den Menschen in den Lagern auf den griechischen Inseln oder an der EU-Außengrenze in Bosnien weiterhin schlecht geht, wäre es ja gegen die perverse Logik der EU, wenn sich die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern bessern würden.
Nehmen wir als Beispiel das Lager Kara Tepe, in dem rund 2.500 Kinder in Kälte und Schlamm leben, wobei leben eigentlich das falsche Wort ist. Korrekterweise müsste es heißen: Dahinvegetieren. Viele von ihnen sind krank, Babys werden in nassen Zelten von Ratten gebissen und minderjährige Flüchtlinge sind ständiger Gewalt ausgesetzt, verletzen sich selbst oder bringen sich aus Verzweiflung um.
Auf die dramatische Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln angesprochen, meinte Innenminister Nehammer, dass auch ihn als Familienvater die Bilder erschüttern und aufwühlen würden. Nach dem Brand in Moria habe Österreich Griechenland allerdings besonders schnell mit Sachleistungen unter die Arme gegriffen. Alles andere, so Nehammer, wären „falsche Signale“. Weiters warnte er vor einer „Destabilisierung“ und einem „Moria-Effekt“, sollte man Menschen aus den Lagern in Österreich aufnehmen.
Natürlich punktet die ÖVP mit dieser Politik bei all jenen, die längst infiziert sind vom Virus des Fremdenhasses und die dankbar sind für jede Form der Ablenkung von der eigenen Misere. So schlecht kann es einem gar nicht gehen, dass es nicht jemanden geben würde, dem es noch schlechter geht, und auf den man einprügeln kann. Mit dieser Politik der Unmenschlichkeit will die ÖVP auch Botschaften an die Wählerinnen und Wähler im eigenen Land senden. Es sind Botschaften, die den Boden aufbereiten für alle möglichen Spielarten des Rassismus und des Fremdenhasses, und dieses Virus, das längst in Österreich grassiert, ist meines Erachtens viel gefährlicher als das Corona-Virus. Kein Wunder also, dass die Mehrheit in unserem Land die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung unterstützt.
Was die von Innenminister Nehammer erwähnten „Sachleistungen“ betrifft, so wissen wir, dass diese auf Lesbos nie angekommen sind. Kara Tepe ist nach wie vor ein provisorisches Zeltlager, in dem für etwa 8.200 Menschen 1.000 Sommerzelte zur Verfügung stehen, und in dem 1.200 unbegleitete Minderjährige in fünf Großzelten untergebracht sind. Von den fünf Großzelten sind nur zwei mit Stockbetten ausgestattet, in den anderen liegen die Kinder auf dem Boden. Es gibt zu wenig Toiletten, zu wenig Duschen, es mangelt an passender Kleidung und pro Tag wird nur eine kleine Mahlzeit ausgegeben und die ist kalt.
Und obwohl auch Außenminister Schallenberg um die Zustände in Lagern wie Kara Tepe weiß, erklärte er vor zwei Wochen im Parlament: „Wir bleiben bei unserer Linie, keine Flüchtlinge aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Wir haben eine klare Linie, und die heißt: Wir erreichen mehr und sind schneller, wenn wir vor Ort helfen.“
Außenminister Schallenberg, dieser Prototyp des Parteigünstlings und Emporkömmlings, sagte weiters, dass er die Debatte über die Aufnahme von Geflüchteten aus griechischen Lagern für zu emotional halte. Originalton Schallenberg: „Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass wir hier nicht Signale ausschicken, die dann eine Kettenreaktion auslösen, der wir vielleicht nicht mehr Herr werden. Sobald die Tür nach Europa einen Spalt offen ist, werden sich sofort viele Migranten auf den Weg machen. Wir müssen die Debatte de-emotionalisieren, wir müssen sie rationalisieren.“
Hört man genau hin, so suggeriert Schallenberg in typisch patriarchaler und autoritärer Manier, dass es sich bei Migrantinnen und Migranten nicht um Menschen mit bestimmten Rechten handelt, sondern um Eindringlinge, die nichts anderes im Sinn haben, als unsere christlich-abendländische Kultur zu zerstören. Aber die Menschen aus Afrika, Syrien, Afghanistan oder dem Irak flüchten nicht, weil sie gerne reisen, sondern weil sie das Leiden, weil sie der Krieg, weil sie der Hunger aus ihrer Heimat vertrieben hat.
Nehammer und Schallenberg gehören zu den Hardlinern in der ÖVP, die die schmutzige Flüchtlingspolitik der österreichischen Regierung ganz offen verteidigen, wobei mittlerweile auch die Lüge als Mittel zur Durchsetzung ihrer politischer Ziele ganz bewusst eingesetzt wird. So behauptete Innenminister Nehammer etwa, dass Österreich im vergangenen Jahr 5.000 unbegleitete Flüchtlinge aufgenommen hätte, obwohl es Wirklichkeit nur 190 waren. Gleichzeitig wurden 67 Minderjährige mit familiärer Begleitung abgeschoben, wobei Nehammer betonte, dass die Beamten in solchen Fällen besonders sensibel vorgehen würden. Zynischer geht es wohl nicht mehr, und wenn Bundespräsident Alexander van der Bellen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Skandal gemeint hat: „Wir sind nicht so“, dann muss ich ihm im Kontext der Flüchtlingspolitik der österreichischen Regierung antworten: Das stimmt, wir sind noch viel schlimmer.
Und was ist mit den Grünen? Vizekanzler Kogler hat vor einigen Monaten angekündigt, dass die Grünen alles tun würden, um zumindest einhundert Familien aus Kara Tepe in Österreich aufzunehmen, geschehen ist bisher nichts, was einmal mehr zeigt, dass die Grünen auch in der Frage der Flüchtlingspolitik nichts anderes sind als Steigbügelhalter der ÖVP.
Alles in allem erinnert die Lügenpolitik der Regierung an eine Kantate Bertolt Brechts, die er über den Heimwehrfaschismus in Österreich verfasste, und in der es an einer Stelle heißt:

Sie lügen die Berge weg!
Ihr Maul hat fünf Zungen:
Eine ist väterlich.
Eine ist lehrerhaft.
Eine des gemeinen Manns.
Eine des Seelsorgers.
Eine des Schlächters.
Sie lügen die Berge weg!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kollegen!

In der UNO-Menschenrechtserklärung steht, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind und dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person hat.
Und obwohl Österreich nicht nur die Menschenrechtskonvention, sondern auch das „Internationale Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ unterzeichnet hat, werden diese Erklärungen von Österreichs Politikerinnen und Politikern täglich mit Füßen getreten.
So hat FPÖ-Chef Norbert Hofer kürzlich die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX, der zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden konnten, ausdrücklich verteidigt und gemeint: „Die einzige Möglichkeit, die anhaltende Spirale aus illegaler Migration, Leid und Elend an den europäischen Außengrenzen und auf den griechischen Inseln zu beenden ist eine rigorose ‚No-Way‘-Politik nach australischem Vorbild. In erster Linie sind nicht die Pushbacks als illegal zu werten, sondern der Versuch, illegal europäisches Festland zu betreten. Europa muss aufhören, sich auf Kosten anderer Länder als ‚Charity-Kontinent‘ profilieren zu wollen.“
Der Rassist Hofer verteidigt damit das mörderische Grenzregime von FRONTEX, deren Chef Fabrice Leggeri erklärt hat, sich für das Schicksal von jenen Flüchtlingen, die nach ihrer Zurückweisung vor den Küsten Europas im Mittelmeer ertrunken sind, nicht verantwortlich zu fühlen.
Nach Berechnungen des UNHCR befinden sich gegenwärtig weltweit etwa 80 Millionen Menschen auf der Flucht, das entspricht ziemlich genau dem Zehnfachen der Einwohnerzahl Österreichs. Und eine Besserung ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Aus diesem Grunde wäre es höchste Zeit, dass seitens der österreichischen Regierung wenigstens symbolische Zeichen gesetzt werden und Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland, Bosnien oder Spanien aufgenommen werden.
Denn eines ist klar: Migration ist kein Verbrechen und Asyl ist ein Menschenrecht.
Say it loud, say it clear: Refugees are welcome here!

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