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KPÖ hat den eigenen Beitrag ernst genommen

  • Montag, 12. März 2018 @ 20:00
Geschichte
Rede von Leo Mikesch (KPÖ) bei der Kundgebung „Sie sind den anderen Weg gegangen“ der Welser Initiative gegen Faschismus am 12.3.2018 beim Denkmal im Pollheimerpark in Wels.

Wir gedenken heute am 80. Jahrestag des „Anschlusses“ im Besonderen des Welser Widerstandes und der Frauen und Männer, die durch das NS-Terrorregime ermordet wurden. Sie stehen stellvertretend für die Millionen Opfer und vor allem für den vielfach ausgeblendeten bewussten politischen Widerstand.

Die heurige 80jährige Wiederkehr des Anschlusses eröffnet den Rahmen für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Jahr 1938 und dem Nationalsozialismus, die erst in Folge der Waldheim-Debatte 1986 um die sogenannte Opfer-These und Österreichs Rolle 1938 und den Folgejahren einsetzte.

Die Feststellung des Sozialphilosophen Max Horckheimer „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“ hat etwas für sich. Es wäre aber zu kurz gegriffen, den Faschismus nur als Diktatur des Großkapitals zu sehen. Ohne massenhafte Zustimmung hätte der braune Terror niemals zwölf Jahre dauern und zig Millionen Menschen das Leben kosten können.

Die Kombination aus sozialer Verunsicherung und Zukunftsangst, entstanden nicht zuletzt aus der großen Weltwirtschaftskrise von 1929. Die Ausschaltung des Parlamentarismus im März 1933 durch Engelbert Dollfuß, einhergehend mit der Errichtung eines austrofaschistischen Ständestaates. Die Niederschlagung des Februaraufstandes 1934 durch Bundesheer und Heimwehr. Dies alles sowie ein schon lange vorher vorhandener exzessiver Nationalismus und Antisemitismus ermöglichten den Aufstieg und die Machtergreifung des Hitlerfaschismus mit allen seinen Folgen.

Die Ja-Empfehlungen des Sozialdemokraten Karl Renner, von Kardinal Innitzer und Vertretern der evangelischen Kirche bei der Abstimmung über den „Anschluss“ trugen dazu bei, bei vielen die letzten Bedenken auszuräumen. Festzuhalten ist, dass acht Prozent der Bevölkerung von den Wahlen ausgeschlossen waren, vor allem Juden und politische Gegner, von denen viele in der sogenannten Schutzhaft einsaßen.

Von den politischen Parteien in Österreich rief nur die KPÖ, die seit Mai 1933 verboten war, am 11. März 1938 zum Widerstand auf. In dem Aufruf „An das Volk von Österreich! An alle Völker Europas und die Welt!“ hieß es unter anderem: „Volk von Österreich! Wehre Dich, leiste Widerstand den fremden Eindringlingen und Ihren Agenten. Schließt euch zusammen, Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern! Schließt euch zusammen, nun erst recht, zur Front aller Österreicher. Alle Unterschiede der Weltanschauungen, alle Parteiunterschiede treten zurück vor der heiligen Aufgabe, die heute dem österreichischem Volke gestellt ist. Zusammenstehen gegen Hitler, zusammenstehen um Hitlers Soldateska aus Österreich wieder hinauszujagen.“

Keine andere politische Kraft in Österreich hat auf den „Anschluss“ mit vergleichbarer Vehemenz und Mobilisierung zum Widerstand reagiert. Österreichweit haben über 2.000 Mitglieder im Widerstand gegen Faschismus und Fremdherrschaft ihr Leben gelassen, davon 33 Mitglieder Im Bezirk Wels, 4.280 Mitglieder unserer Partei waren in Konzentrationslagern, Zuchthäusern und Strafbataillonen.

In den späten 1930iger Jahren, in einer Zeit als für viele Sozialdemokraten, die Zugehörigkeit zur deutschen Nation noch selbstverständlich war, entwickelte der Staatswissenschafter und Kommunist Alfred Klahr das theoretische Konzept, eines von der deutschen Nation unabhängigen Österreich. Klahrs Arbeit schuf in Folge eine Basis für den österreichischen Widerstand. Klahr selbst wurde nach seiner organisierten Flucht aus Ausschwitz in Warschau von einer SS-Streife aufgegriffen und erschossen.

Der Welser Widerstand war auf das engste mit der „Welser Gruppe“ verbunden, wie diese von der Gestapo genannt wurde. Ihre Aktivisten kamen aus unterschiedlichen weltanschaulichen Lagern, es waren Kommunisten, Sozialdemokraten, revolutionäre Sozialisten, Christen, ehemalige Anhänger der Großdeutschen und Angehörige des Heimatschutzes. Die Gestapo berichtete im September 1944 über den Stand der illegalen Kommunistischen Partei Österreichs, Gebiet Oberdonau, dass 158 Frauen und Männer tätig gewesen und verhaftet worden waren. Diese Organisation war in den Gemeinden Ebensee, Gmunden, Gschwandt, Laakirchen, Lambach, Linz, Steyr, Stadl-Paura und Wels verankert. In den wichtigsten Betrieben dieser Gemeinden waren illegale Gruppen organisiert. Etwas mehr als 40 Prozent der verhafteten Männer und Frauen waren bei den Verhören der Gestapo, Folterungen in den Konzentrationslagern, Erschießungen, Erstickungen in der Gaskammer oder bei Bombenangriffen der US-Luftwaffe auf Gefängnisse in Linz getötet worden.

Die einzige auf der Gedenktafel genannte Frau, Risa Höllermann, verrichtete Kurierdienste für die Welser Gruppe. Die Frau von Hermann Höllermann, der in Mauthausen ermordet wurde, war nach den Verhören im Außenlager Schörgenhub inhaftiert und wurde dort am 28. April 1945 frühmorgens mit der Linzerin Gisela-Tschofenig-Taurer und einer Wienerin exekutiert, am selben Tag wurden weitere Antifaschisten der Welser Gruppe in der Gaskammer umgebracht. Der Zusammenhang mit den letzten Mordaufträgen von Gauleiter Eigruber ist im Fall der getöteten Frauen in Schörgenhub klar ersichtlich.

Dass die Welser Gruppe von der Gestapo aufgerollt werden konnte hatte laut dem Arbeiterhistoriker Peter Kammerstätter folgende Ursachen. Es wurde eine Gesamtleitung gebildet was im Widerspruch zu den konspirativen Erkenntnissen und Erfahrungen stand, verhängnisvoll waren auch die großen Zusammenkünfte und dass sich die „Welser Gruppe“, auch aufgrund der militärischen Erfolge der Alliierten zu sicher fühlte, so dass es der Gestapo gelang ihre Spitzel einzuschleusen.

Während in Wien schon die am 27. April 1945 von den drei demokratischen Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ gebildete provisorische Staatsregierung unter Karl Renner im Amt war, setzten die in Oberösterreich noch machthabenden NS-Spitzen noch ein Zeichen der Gewalt. NSDAP-Gauleiter August Eigruber, SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner und der Kommandant des KZ-Mauthausen Ziereis beschlossen, sämtliche für die neue Staatsform Aufbauwilligen durch Vergasung zu vernichten.

Die Alliierten sollten bei der Befreiung „keine aufbauwilligen Kräfte“ vorfinden. 43 Oberdonauer Widerstandskämpfer wurden dabei noch so kurz vor Kriegsende zum Tode verurteilt, nur einer davon der Welser Richard Dietl konnte dem Tod entkommen. Vorgewarnt flüchtete Dietl und verbarg sich im sogenannten Sanitätslager, das wegen der akuten Seuchengefahr von den Wachmannschaften ungern betreten wurde. Er war es auch der nach der Befreiung das Schicksal und den Leidensweg seiner Kameraden zu Protokoll brachte, das von der US-Besatzungsmacht schon im Juni 1945 in der ersten erlaubten Zeitung, den „OÖ Nachrichten“ abgedruckt wurde.

Karl Leidlmair, Karl Loy, Karl Mischka, Wolfgang Karl und Willibald Zelger, alle aus Wels, sowie Alois Steiner aus Bachmanning fielen dieser letzten Vergasungsaktion zum Opfer. Wenige Tage später am 5. Mai wurde das KZ-Mauthausen von der US-Armee befreit und am 8. Mai 1945, fand das zwölf Jahre dauernde Grauen ein Ende. Richard Dietl war nach der Befreiung in der provisorischen Welser Stadtverwaltung als KPÖ-Stadtrat für das Fürsorgewesen und später auch als Gemeinderat tätig und verstarb 1971 kurz nach seinem 60. Geburtstag.

Dietl rettete vielen Mitgefangenen durch seinen Einsatz das Leben. Ein Mithäftling aus Bad Ischl schrieb nach der Befreiung: „Kamerad Dietl hat jederzeit alles unternommen, um das Los seiner Mitgefangenen zu erleichtern. Er hat uns laufend mit Lebensmitteln unterstützt. Er hat alles auf eigene Gefahr getan. Die Lebensmittel musste er im Magazin entwenden, auf diesen Vorgang stand die Todesstrafe. Mancher der heute noch lebenden Häftlinge verdankt der Hilfe Dietls sein Leben.“

Die Welser Antifaschisten und Antifaschistinnen sind den anderen Weg gegangen, im Gegensatz zu jenen Hunderttausenden die 1938 begeistert „Heil Hitler“ gerufen haben und sich nach 1945 an nichts mehr erinnern konnten, oder sich gar als Opfer und Verfolgte ausgaben. Sie haben so wie viele andere auch, den in der Moskauer Deklaration der Alliierten von 1943 geforderten „eigenen Beitrag“ Österreichs zu seiner Befreiung ernst genommen, ein Beitrag der nach 1945 freilich nicht entsprechend gewürdigt wurde.

Für den Umgang mit der Geschichte gilt auch die Aussage von Thomas Morus „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.“ Es geht darum Schlussfolgerungen aus historischen Ereignissen zu ziehen und bedenklichen Entwicklungen rechtzeitig und entschieden entgegenzutreten. Mit Sorge sehen wir daher, dass heute in Österreich und ganz Europa und darüber hinaus nationalistische, populistische, rechtsextreme, fremdenfeindliche oder offen faschistische Strömungen im Aufschwung sind.

Ermöglicht und verstärkt wird dies durch die Auswirkungen einer strikten neoliberalen Politik die von Kapitalinteressen bestimmt wird, und nur einer winzigen Minderheit nützt. Eine Politik, die Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört. Eine Ellbogengesellschaft gepaart mit schrankenloser Konkurrenz, die alle menschlichen Werte dem Profit unterordnet. Das bedeutet für immer mehr Menschen wachsende Verunsicherung, Zukunftsangst und zunehmende Verarmung und damit Anfälligkeit für rechte Einflüsterer und Entwicklungen.

Auch bei den diesjährigen Gedenkveranstaltungen werden die VertreterInnen der Regierung wieder antifaschistische Sonntagsreden halten. Wer sich aber ständig vehement gegen links abschottet und gleichzeitig nach rechts offen ist wie ein Scheunentor, wer sich die Rechtsaußen-Optionen offenhält und mit der FPÖ – der Partei der neonazistischen Einzelfälle – paktiert und sich inhaltlich von dieser hertreiben läßt, wie das bei der Asylgesetzgebung und im Sicherheitsdiskurs der Fall ist, der ist für diese Rechtsentwicklung mitverantwortlich.

Österreichische Widerstandkämpfer haben in vielen Ländern aktiv gegen den Faschismus, für Menschenwürde und Menschenrechte, für Solidarität, Demokratie und Freiheit gekämpft, ebenso wie umgekehrt viele Menschen aus anderen Ländern hier in Österreich. Antifaschismus ist daher heute international ebenso wichtig und notwendig wie zwischen 1938 und 1945 der europäische Widerstand gegen den Faschismus. In diesem Sinne wollen wir mit der heutigen Kundgebung einmal mehr bekräftigen: Ehre ihrem Andenken! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!


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