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„Krieg den Hütten“

  • Donnerstag, 21. Dezember 2017 @ 18:00
Österreich Eine Analyse von Michael Graber, wirtschaftspolitischer Sprecher der KPÖ.

Während der vor 17 Jahren abgewählte W. Schüssel sich der FPÖ bediente, um seine „Wenderegierung“ zu bilden, die dann von Rot-Schwarz fast bruchlos fortgesetzt wurde, ist bei der letzten Wahl eine relative Mehrheit auf S. Kurz hereingefallen, der sich nun bei seinen und den Wählern der FPÖ auf seine Weise bedankt.

„Veränderung“ lautete das Zauberwort der schwarz-türkisen Wahlbewegung. Ob alle, die rechts gewählt haben, die im jetzigen Regierungsprogramm enthaltenen Änderungen gewollt oder erwartet haben? Viele haben sich von der geschürten Angst vor angeblich unbegrenzter Migration und damit angeblich verbundener unbegrenzter Kriminalität und dem Terror blenden lassen. An diesem Knochen konnten und können sich viele verbeißen, während ihre Hütten abgebrannt werden.

Krieg den Hütten – her mit Harz IV

Es gibt im Regierungsprogramm angeblich keine „Leuchttürme“. Die das behaupten, haben das Programm nicht gelesen oder für sie sind die Kapitel, die sich mit Sozialpolitik beschäftigen, unwesentlich. Diese Regierung ist – wird das Sozialprogramm so umgesetzt – die österreichische Harz IV- Regierung. Die Ankündigung, die Notstandshilfe in das Arbeitslosengeld zu integrieren, d.h. abzuschaffen, bedeutet den letzten Schutz vor existenzieller Not im Rahmen der Arbeitslosenversicherung zu beseitigen und die Betroffenen der (geplant weiter zu kürzenden) Mindestsicherung zu überlassen. Derzeit leben an die 200.000 Menschen von der Notstandshilfe. Sie würden gezwungen ihre letzten Ersparnisse aufzubrauchen, um sich dann mittellos und ohne den Schutz der in der Arbeitslosenversicherung enthaltenen Rechte beim AMS um Mindestsicherung anzustellen.

Drei Tage vor der Wahl wurde im Parlament mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und der FPÖ beschlossen, den Anspruch auf Notstandshilfe nicht mehr vom Einkommen des/der Lebenspartner/in abhängig zu machen. Das hätte vielen Frauen eine bessere finanzielle Basis, wenn man bei diesen Beträgen überhaupt von Basis reden kann, geschaffen. Ja, auch mit den Stimmen der FPÖ. Zwei Monate später beschließt diese Partei das Gegenteil. Kann ein Verrat an den „kleinen Leuten“ deutlicher ausfallen? Vielleicht ist Verrat hier nicht das richtige Wort. Denn das gilt nur für jene, die an die Versprechungen der Demagogen und Rechtspopulisten glauben oder geglaubt haben. Die FPÖ wusste, dass im VP-geführten Finanzministerium Berechnungen angestellt wurden, was die Abschaffung der Notstandshilfe an „Einsparungen“ bringen könnte. Die KPÖ warnte vor diesen Absichten. Die FPÖ-Stimme im Parlament war nichts anderes als ein Täuschungsmanöver, wusste sie doch bereits zu dem Zeitpunkt, dass eine schwarz-blaue Koalition gebildet wird. Tarnen und Täuschen gehört zum Instrumentarium des rechten und rechtsextremen Populismus.

Die erste beschlossene Maßnahme, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Einkommen zwischen 1.342.- und 1.950.- Euro, die zunächst gut klingt, zeigt ebenfalls den Zynismus der rechtsrechten Regierung: Die Senkung wird durch die Abschaffung der Notstandshilfe finanziert. Das versteht die neue Regierung unter „Treffsicherheit“. Es ist Entsolidarisierung vom Feinsten: Was die noch Beschäftigten weniger zahlen, wird den Arbeitslosen weggenommen. Die Seiten können aber jederzeit gewechselt werden, wie das etwa 800.000 Menschen jährlich erfahren.

Friede den Palästen – runter mit der Profitsteuer

Als wichtigste steuerliche „Entlastungsmaßnahme“ für die „Wirtschaft“ sieht das Regierungsprogramm, entsprechend den Wünschen der Industriellenvereinigung, eine Senkung der Körperschaftssteuer für nicht entnommene Gewinne vor. Die Körperschaftssteuer ist die Einkommensteuer der Kapitalgesellschaften, die aus den Profiten nach Abzug aller Vergünstigungen und steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten gezahlt wird. Sie beträgt formell 25%, nachdem die erste schwarz-blaue Regierung den Steuersatz von 34% herabgesetzt hat. Dazu sollen weitere degressive Abschreibmöglichkeiten geschaffen werden, was die kurzfristigen Profite erhöht. Freibeträge für die Grunderwerbssteuer sollen erhöht werden, was die Immobilienwirtschaft freut. Klar, dass weder von Vermögen- noch von Erb- und Schenkungssteuer die Rede ist. Es wird versprochen: Keine neuen Steuern. Für Studierende gilt das nicht. Für sie sind 500.- Euro pro Semester vorgesehen. Die zu erwartenden Proteste, sollen durch gesetzliche Kastration der Hochschülerschaften abgewendet werden.

Weiters plant die Regierung Maßnahmen, die Wirtschaftsinteressen gegenüber Umweltschutz leichter durchsetzbar machen. CETA und in der Folge weitere von der EU vereinbarte Freihandelsabkommen werden von den beiden Regierungsparteien im Parlament ratifiziert. Vom Vorbehalt gegenüber der Sondergerichtsbarkeit für Konzerne ist keine Rede mehr. Industriellenvereinigung und Haus- und Grundbesitzerverband haben der Regierung bereits gratuliert.

Ein Tritt in den Arsch der Arbeiter durch die „Arbeiterpartei“

Zunächst geht es gegen Langzeitarbeitslose. Dazu werden die von der Vorgängerregierung geschaffenen bescheidenen zusätzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten der Aktion 20.000 und der Beschäftigungsbonus abgeschafft. Die zu erwartenden zusätzlichen Langzeitarbeitslosen werden einer degressiven Gestaltung des Arbeitslosengeldes unterworfen, d.h. wer länger arbeitslos ist bekommt weniger. Logisch wäre das Gegenteil, denn die Vermittlungschancen sinken, je länger die Arbeitslosigkeit andauert. Statt gegen Arbeitslosigkeit geht es gegen Arbeitslose. Die Zumutbarkeitsregeln bei Wegzeiten, Berufs- und Entgeltschutz sollen verschärft, Sanktionen erhöht und Krankenstände nicht mehr in die Dauer des Arbeitslosengeldbezugs berücksichtigt werden.

Dafür sollen die, die noch Arbeit haben, länger arbeiten. Unter dem Titel „Flexibilisierung“ werden die noch bestehenden Hürden für die Anordnung des 12-Stunden Arbeitstages und der 60 Stunden Arbeitswoche abgebaut. Dazu soll es keine Kollektivverträge geben, um die Gewerkschaften herauszuhalten und es soll keine Kompensationen, wie etwa längerer Urlaub, geben. Das alles soll auf betrieblicher Ebene mit dem Betriebsrat vereinbart werden können. Allerdings weniger als die Hälfte aller Beschäftigten kann sich an einen Betriebsrat wenden und es werden immer weniger. Zur Schwächung der Gewerkschaften in der Gestaltung der Arbeitszeiten kommt noch die angedrohte Schwächung der Arbeiterkammer. Diese ist „eingeladen“, Vorschläge zur Verringerung ihrer Finanzierungsbasis zu machen, ansonsten droht die Regierung direkt einzugreifen. So geht also diese Regierung mit „unseren Leuten“ um.

Der rechte Mob darf sich an Schikanen gegen Asylwerber und Asylberechtigte delektieren

Dazu zählen die zwangsweise Einziehung von Bargeld und Handys, der Entzug von Taschengeld in der Grundversorgung, die Einweisung in Massenquartiere, die Reduzierung der Mindestsicherung für alle (also auch für „unsere Leut“) auf 520.- Euro und die Deckelung auf 1.500.- für kinderreiche Familien; der Anspruch auf Mindestsicherung erst nach fünfjährigen legalen Aufenthalt im Lande. Kein „Österreicher“ wird dadurch besser gestellt oder hat mehr im Geldbörsel oder erhält damit einen Arbeitsplatz.

Statt Integration Isolierung: „aufenthaltsverfestigende“ Maßnahmen sollen vermieden, verboten oder abgeschafft werden. Nachdem die Regierung auf Grund all dieser Maßnahmen mit dem Anwachsen insbesondere der Kleinkriminalität rechnet, wird der Polizeiapparat um 2100 Planstellen aufgestockt, koste es was es wolle.

Frauen bitte anstellen

Das Frauenkapitel im Regierungsprogramm besteht aus ein paar unverbindlichen Floskeln. Relevant sind zwei Ankündigungen: Der sogenannte Familienbonus von bis zu 1.500.- Euro pro Kind und Jahr, der als Abzug von der Lohnsteuer gewährt werden soll. Das schafft zwei Klassen von Familien und Kindern: solche die in Familien aufwachsen, deren Eltern über Einkommen verfügen, die Lohn-oder Einkommensteuerpflichtig sind, und alle anderen, deren Einkommen so niedrig sind, dass sie keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen. Dieser Bonus sei nicht negativsteuerfähig, heißt es im Programm, d.h. die sozial Schwächsten bekommen nichts. Das sind vielfach alleinerziehende Frauen.

Im Pensionsrecht soll die Mindestpension durch einen Sonderzuschuss zusätzlich zur Ausgleichszulage auf 1.200.- Euro bei 40 Beitragsjahren und generell auf 1000.- Euro bei 30 Beitragsjahren angehoben werden. Das klingt zwar gut, betrifft aber nur sehr wenige. Denn mehr als sieben Zehntel der Männer hat eine Alterspension jenseits von 1.300.- Euro und Frauen für die diese Regelung relevant wäre, kommen kaum in den Genuss von 40 Beitragsjahren.

Teureres statt billigeres Wohnen

Der Schwerpunkt der Regierungspolitik soll im Eigentum liegen. Das hat mit billigerem Wohnen natürlich nichts zu tun. Denn der Kreis, der hier angesprochen wird, gehört zu den Besserverdienenden. Darüber hinaus soll der Kauf von Mietwohnungen begünstigt werden, was diese dem Markt entzieht und den Teuerungsdruck auf die Mieten erhöht. Mieten im sozialen Wohnbau sollen entsprechend den Einkommenszuwächsen nach oben angepasst werden, was natürlich das, was „marktüblich“ ist erhöht. Ein neues Mietrecht soll „marktkonforme“ Mieten garantieren, wobei eine ganze Latte von Maßnahmen für eine günstigere Stellung von Hausbesitzern und Vermietern angeführt wird. Einstiegshürden für Wohnungssuchende wie Maklergebühren bleiben unangetastet.

Doskozils Erbe – 1 Mrd. mehr fürs Bundesheer

Während überall Lehrer, Ärzte und Pflegepersonal fehlen, kennen die Aufwendungen für das Bundesheer keine Grenzen. Übrigens nicht nur finanziell sonder auch territorial. So heißt es im Regierungsprogamm: „Jeder Beurteilung eines Auslandseinsatzes des ÖBH sind die strategischen Interessen der Republik zugrunde zu legen. Die hierfür notwendigen militärischen Fähigkeiten sind vor allem auch im Rahmen des internationalen Krisenmanagements, dort wo Konflikte Auswirkungen auf Österreich haben, vorzuhalten um zu Stabilität, Krisenbewältigung und Friedenserhaltung beizutragen. Diesbezüglich ist der Personal- und Budgetbedarf sicherzustellen.“ Das Wort „sicherstellen“ kommt in keinem anderen budgetrelevanten Bereich vor. Der zitierte Absatz ist mit Bedacht formuliert. Er lässt alles offen, insbesondere was „strategische Interessen“ Österreichs sein sollen. Bekräftigt wird die Teilnahme Österreichs an der Ständigen Strukturierten (militärischen) Zusammenarbeit der 25 EU-Mitglieder (PESCO). Nicht auszuschließen ist daher, dass österreichisches Militär an den Migrationsrouten oder zur Sicherung und Kontrolle von Internierungslager in Afrika eingesetzt wird. In Europa will man nicht auf MigrantInnen schießen (wie das schon einmal die FPÖ-Schwesterpartei AfD gefordert hat), aber in Afrika?

Das Gewaltmonopol des Staates liegt nun faktisch bei der FPÖ, wovor selbst bürgerliche Kommentatoren, wie Peter Rabl, besorgt warnen. Wie werden die FPÖ geführten Dienste den Rechtsextremismus in deren Reihen bekämpfen? Abgesehen davon, jeden Nazirülpser aus dem Feld oder Umfeld der FPÖ wird sich der türkise Kanzler anrechnen lassen müssen.

Eine rechtsrechte Regierung mache eben rechtsrechte Politik, heißt es in vielen Kommentaren und entspreche dem Wählerwillen. Dem ist aber nicht so. Soziale Demagogie stößt an die Grenzen unsozialer Praxis. Eine Regierung für die obersten fünf Prozent der Bevölkerung wird früher oder später in offenen Widerspruch zur großen Mehrheit gelangen. Auf die parlamentarische Opposition ist da wenig Verlass. Die Neos kritisieren, dass die radikalsten neoliberalen Reformen nicht mit zeitlichen Verpflichtungen angeführt sind. Und die SPÖ? Die hat ein Volksbegehren für das Rauchverbot angekündigt. Nur außerparlamentarischer, zivilgesellschaftlicher und gewerkschaftlicher Druck für soziale Alternativen wird die Verhältnisse zum tanzen bringen.

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