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Fluchtursache Nr. 1: die Politik der USA und ihrer Verbündeten

  • Sonntag, 1. November 2015 @ 10:00
Global Conrad Schuhler, Diplomvolkswirt und ISW-Autor, zur Flüchtlingsdebatte

Weltweit sind nach den Angaben der Vereinten Nationen fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung, politischer Verfolgung, unerträglicher Armut und den verheerenden Folgen des Klimawandels. Bei allen diesen Fluchtursachen spielt die Politik des „Westens“, angeführt von den USA, die herausragend negative Rolle.

Zu den vier Ländern mit dem höchsten „Kriegsstatus“ zählen Syrien, Afghanistan und der Irak (das vierte ist der von ethnischen Konflikten zerrissene Süd-Sudan). In allen drei Ländern haben die USA militärisch eingegriffen, um von ihnen abgelehnte politische Regimes zu stürzen und auszutauschen. In Afghanistan begann der Angriff 2001, im Irak 2003. In Syrien sorgten sie seit 2010 für die militärische Aufrüstung der Anti-Assad-Kräfte und damit zu einem bis heute anhaltenden Bürgerkrieg. Afghanistan und Irak sind durch die US-Interventionen zu zerstörten Gesellschaften, zu „failed states“ geworden. In Syrien führt der Bürgerkrieg zu „ökonomischer Verwüstung und zum Zusammenbruch der sozialen Vorsorge“ (SIPRI-Jahrbuch 2015).

Alle drei Länder sind zentrale Ausgangsorte der millionenfachen Fluchtbewegungen. Im Irak sind zweieinhalb Millionen auf der Flucht. In Syrien von den 22 Millionen Einwohnern über die Hälfte der Bevölkerung. Von den 12 Millionen, die ihr Zuhause verloren haben, sind 4 Millionen aus dem Land geflohen. Die Syrer, die jetzt voller Bangen und Zuversicht „Mama Merkel“ rufen, sind Opfer der Regime-Wechsel-Strategie, die von den USA mit Unterstützung der Merkel-Regierung betrieben wird.

Die USA sind bislang die entscheidende Kraft, dass der Krieg in Syrien auf höchster Stufe fortgesetzt wird. Zwar soll nun offiziell der Islamische Staat (IS) bekämpft werden, den man bisher durch die Angriffe auf das Assad-Regime begünstigt hat. Die USA wollen eine eigene Rebellentruppe aufbauen und stärken, die gegen den IS vorgehen soll, aber gleichzeitig die Kräfte gegen die Assad-Regierung verstärkt. In der Türkei bilden die USA jährlich 5400 Kämpfer aus, die dann nach Syrien geschickt werden. Doch geben von den USA trainierte „Rebellen“ Militärgerät weiter an die „Nusra-Front“, eine Qaida-nahe Truppe. Auch meldete Twitter, dass US-trainierte Kämpfer direkt zu Nusra übergelaufen sind. Es ist auch zu überprüfen, ob die von den USA, Großbritannien, Frankreich und der Türkei durchgeführten Luftangriffe sich tatsächlich auf Gebiete des IS beschränken. Jedenfalls sorgen sie für die weitere gründliche Verwüstung des Landes.

Mit ihrem Festhalten am Regime-Wechsel in Syrien haben die USA und ihre Verbündeten bisher alle Bemühungen zur Beendigung des Krieges zunichte gemacht. Bislang galt das Stereotyp „Vor jeder Verhandlung muss erstmal Assad verschwinden“. Dies war im höchsten Maß unrealistisch, denn zwar kontrolliert die Assad-Regierung nur die Hälfte des Landes, doch leben in ihren Regionen 80 % der Bevölkerung. Zudem hat Assad die Unterstützung Russlands und des Irans. Jeder Versuch, ohne die Assad-Gruppe den Krieg in Syrien zu beenden, ist zum Scheitern verurteilt. Das lag durchaus im Kalkül des Westens. Jetzt erweist sich der IS, eine aus dem Irak-Nachlass der USA hervorgegangene Terroristenorganisation, als die auch für den Westen größere Gefahr. Daher das Umdenken in der Frage „Verhandeln mit oder ohne Assad“.

Dies wird allerdings das Flüchtlingsproblem nicht beseitigen. Solange der „Westen“ seine Ausbeutungs- und Unterdrückungspolitik im Nahen Ost und überall um den Globus beibehält, wird er die Fluchtursachen weiter verschärfen. Ein Drittel der Menschheit muss mit zwei Dollar am Tag und weniger auskommen. Über 840 Millionen Menschen sind dem Hungertod nahe. Dies sind direkte Folgen eines vom großen Kapital dirigierten globalen Regimes. Wenn die CO2-Vergiftung der Umwelt und die davon ausgelöste Erderwärmung weiter anhält, werden in den nächsten 30 Jahren laut Greenpeace 200 Millionen Menschen aus ihrer Heimat fliehen. Allein dadurch würden sich die internationalen Flüchtlingsströme mehr als verdreifachen. Da das globale Kapital Ressourcen, Märkte und Transportwege kontrollieren will und dabei den Einsatz von Militär intensiviert, werden weltweit nicht zuletzt terroristische Gegenkräfte mobilisiert, wie es sich in den islamistischen Gruppen in Asien und Afrika dokumentiert.

Die Hauptursache für die globalen Flüchtlingsströme liegt im globalen Kapitalismus mit seiner Führungsmacht USA.

Quelle: www.isw-muenchen.de, Erstveröffentlichung in „Neues Deutschland“ am 7.10.2015.

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