Willkommen bei KPÖ Oberösterreich 

Separierungs-Chauvinismus

  • Freitag, 10. Juli 2015 @ 08:00
Wahlen Franz Primetzhofer über ideologische Krisenbewältigung. Ein ideologisches Krisenbewältigungskonzept, dem sich die oö ÖVP anschließt

Die tiefe Krise des warenproduzierenden Patriarchats, auch Kapitalismus genannt, bringt verschiedene Formen seines vermeintlichen Bewältigens hervor. Der normale Politjargon spricht von Arbeitsplätzen, maßvollen (besser maßleeren) Löhnen, Leistung, lebenslangen Lernen, von der Wirtschaft, die angekurbelt werden muss, vom Sparen, Gürtel enger schnallen, Asylanten und Flüchtlinge von Grenzen und Trog fernhalten, von Demokratie und von warmen aber nicht zu heißem Wetter.

Da sich die Leute mit diesem ermüdenden Jargon, das wie ein lange abgestandenes warmes Bier ungenießbar geworden ist, nicht mehr ausreichend politgeistig beleben lassen, müssen der Lage entsprechend neue ansprechendere Muster erzeugt werden.

Die Rechtsaußen brauchen an ihren Politkonzepten und –jargons nicht viel ändern, sie sind traditionell „bewährt“, einfach und können reflexartig mit der Realität kurz geschlossen werden: Ausgrenzen, Abschieben, ArbeitArbeitArbeit, OrdnungOrdnungOrdnung, den Trog für die Einheimischen freihalten, aber auch nur für die Fleißigen und nicht für die einheimischen Arbeitsscheuen, die Banken (Juden) sind Schuld für die Krise und an den Schulden.

Der Unterschied zu den 20er und 30 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die Veränderung in der staatlichen Souveränität, die in der finalen Krise zu zerbröseln beginnt. An der globalen Peripherie längst Tatsache (Somalia, Libyen, Irak, Syrien, Mexiko, Kosovo….) sind die funktionalen Souveränitätsverluste auch in den Kernländern des westlichen Kapitalismus sichtbar und wirksam; die Krise des finanzgetriebenen Systems hat längst die Staaten und ihre Institutionen im Würgegriff und Gängelband (Griechenland, Ukraine, ... auf innerstattlicher Ebene z.B. Linzer SWAP, HYPO usw.). Da für die Rechtsaußen bis hin zu den offenen Faschisten die primitiv reflexartige Denk- und Handlungsweise auf gesellschaftliche und insbesondere krisenhafte Prozesse typisch ist, wird es ihnen auch nicht schwer fallen, in der Zerfallskrise die entsprechenden Reaktionen reflexartig hervorzustoßen.

Ein anderes Konzept mit der Krise umzugehen, hat die oö ÖVP zusammengeschustert; nichts Originelles, Kreatives oder gar Brauchbares, sondern eine ideologische Form, wo der abgestandene Jargon vermieden wird, aber in einer Analogie (in diesem Fall Sport, Familie) auf krisenhafte Prozesse positiv bewältigend Bezug genommen werden soll: „Kraftkammer OÖ, Liebesnest OÖ, Pole Position OÖ, Champions-League, Großfamilie OÖ und Ähnliches. Mit diesen Begriffen sollen positive Gefühle verbunden werden und letztlich natürlich dann für die oö ÖVP. Diese Kampagne der oö ÖVP ist nichts Aufregendes, lüftet man aber den ideologischen Schleier von dieser Begriffs- und Gefühlswelt, lassen sich Konturen eines Konzepts erkennen, mit dem man Krisenbewältigung betreibt. Es ist das Konzept des Separierungs-Chauvinismus.

Mit der dauernden Krisenverschärfung wird die staatliche Souveränität angegriffen, die staatlich integrativen Kräfte schwinden aufgrund des immer mehr beschränkteren staatlichen Budget- und damit Handlungs- und Gestaltungsspielraums (Abschmelzen der Arbeit durch immer steigende Produktivität, Finanz- und Schuldenkrise, …). Föderale Politsubjekte wie die österreichischen Bundesländer neigen in der Krise zu höchst eigenartigen Reaktionen. Kärnten z.B. versuchte von seiner eingebildeten minderwertigen Stellung im Staate Österreich durch großmannssüchtige Projekte und politischer Bedeutungsüberhöhung einen eigenen separierenden Weg zu gehen. Diese ungustiöse Bedeutungsaufblähung wurde auch noch parteipolitisch durch die FPÖ/K und persönlich von einer rechtsradikalen Plage und narzisstischen Landeshauptmann Haider instrumentalisiert. Der separierende Chauvinismus Kärntens platzte und endete im Adhäsionsgeflenne beim „Papa“ in Wien.

In OÖ verhält es sich anders. Hier wird der Separierungs-Chauvinismus nicht durch Schwäche und eingebildeter Minderwertigkeit gespeist, sondern aus Stärke und Überhöhung der eigenen Potenz, die trotzdem aber auch einen Beigeschmack später nachholender Modernisierung hat. Wirtschaft und Arbeit werden zu einer strotzenden Kraftkammer stilisiert, man will noch mehr arbeiten, um in die Poleposition zu kommen und im europaweiten Regionenranking bei den Champions dabei sein. Klingt nicht aufregend und im heute üblichen Erfolgssprech nichts Außergewöhnliches.

Die Banalität der Konzepte hindert sie nicht, trotzdem eine bestimmte Brauchbarkeit abzuwerfen. Der Separierungs-Chauvinismus hat einmal den Sinn, sich von der erfolglosen „Zentrale“ , sei es der Staat, die Bundesregierung oder die eigene Partei abzugrenzen; das Abfärben dieser Erfolglosen auf das eigene Bundesland und Partei soll verhindert werden. Gleichwohl überhöht man seine eigene Bedeutung und Potenz, wie üblich natürlich mit „der Wirtschaft“ und den „Arbeitsplätzen“; für was ist nicht so wichtig, hauptsächlich mengenmäßig viel. Die Anderen, die Zentrale sind für die eigene Entwicklung eher eine Last, man will „den Focus auf sich selbst richten“, und nicht um die anderen kümmern; solidarisches, ausgleichendes Verhalten wird damit implizit abgelehnt. Um Asylsuchende und Flüchtlinge soll sich der Bund kümmern, man erfülle schon die Quote, die man aber selber festlegen will und nicht zentral.

Das Konzept des Separierungs-Chauvinismus soll nicht als österreichisch - machtorientiertes Herrschaftskonzept reduziert werden, sondern es ist ein neuere Form von Untereinheiten in vielen Ländern, mit der Krise umzugehen. Es geht zwar schon auch um die regionalen Separierungen alten Stils, wirtschaftlich, sozial, politisch, ethnisch, sprachlich usw., aber in der tiefen finalen System- Krise wie heute geht es nicht mehr um Konstituierung und stabile ausgewogene Machtverhältnisse wie in der fordistischen Zeit, wo alle irgendwie genug abbekamen, sondern um Wegdriften, Ausgrenzen, Implodieren, Zerfallen, verbunden mit den Projektionen: eigene Überhöhung, Abwertung andere sozialer Gruppen , Rassismus, Minderwertigkeit. Das warenproduzierende System kommt mit der Verbreitung und Vertiefung der Krisenprozesse immer weniger zurecht: ein Konzept ist eben das sich Absetzen von den „Ärmeren“ und sich Einbunkern auf reiche „Inseln“: auf überstaatlicher Ebene als auch innerhalb der Staaten. Grenzen, scheinbar stabile Machtgefüge werden entwertet, leicht überwunden, was man sich vor kurzem noch nicht vorstellen konnte (Zerfall Jugoslawien, Ukraine z.B.).

Die oö ÖVP will OÖ ideologisch zu einer „reichen Insel“ machen. Natürlich wird hier der Reichtumsbegriff nur mengenmäßig, quantitativ (Geld, Output) verstanden und nicht sinnlich-stofflich, qualitativ. Zu dieser „reichen Insel“ konnte OÖ aber auch nur werden, weil durch den Faschismus OÖ besonders „gefördert“ wurde, bzw. nachholend modernisiert wurde: der Kapitalstock war nach dem 2. Weltkrieg um einiges höher als vorher; Industrien wie die Hermann Göring Werke (VÖEST) wurden aus dem Boden gestampft, die Infrastruktur ausgebaut, und all das mit unbezahlter Arbeit: millionenfache Arbeitskraft/Arbeitsstunden wurde durch ZwangsarbeiterInnen in das Land eingebracht; auf ihr aufgebaut wurde nachher ganz selbstverständlich, als ob es die eigene Arbeitskraft gewesen wäre, weitergewirtschaftet.

Die kapitalistische Akkumulation OÖ fand nicht unwesentlich durch hunderttausende Zwangsarbeiter und Mord statt. Nicht nur materiell wurde OÖ durch den Faschismus zu einer „reicheren Insel“, sondern auch durch die Zerstörung mentaler Hemmnisse, die die Kapitalakkumulation behinderte. Effektive und rasche Kapitalstockerweiterung wird durch die immer verfügbare, keine mentalen Hemmnissen unterworfene, billigste Arbeitskraft erreicht. So schaut’s in der Kraftkammer OÖ aus. Damals konnte man von den ausländischen Arbeitskräften nicht genug kriegen; heute wird schon bei einem Zelt voll Ausländern die geistige Hyperventilierung vieler Einheimischer ausgelöst.

Über die Ideologie des Separierungs-Chauvinismus soll auch dem sozialökonomisch bedrohten Mittelstand ein Holz geworfen werden, an dem sich diese abstiegsbedrohte Gruppe festhalten soll; so quasi, wir sind doch wer, wir lassen uns den hart erarbeiteten Status nicht wegnehmen, gerade wir sollen immer zahlen für die anderen, hier (in OÖ) geht’s noch einigermaßen gut, wir haben sogar ein neues Musiktheater, was sich andere in der Krise nicht leisten können, stattdessen ihre Kulturhäuser kaputtsparen oder sogar zusperren müssen. Gerade das neue Musiktheater steht antizyklisch zum allgemeinen Krisenverlauf und wurde unter anderem vom Geist des Separierungs-Chauvinismus gespeist. Wir sind doch auch wer in OÖ. In der Kraftkammer OÖ sollte der Makel dieser kleinen Minderwertigkeit beseitigt werden; man will sich ja mit den besten messen und Weltmeister werden.

Das Konzept des Separierungs-Chauvinismus dient zur ideologischen Bewältigung in der Zersetzungsphase des warenproduzierenden Patriarchats. Es sollen für die ins Stocken geratene Kapitalverwertung „reichere Inseln“ (Kraftkammern) geschaffen werden, die sich vom Ballast der „ärmeren Inseln“ rundherum befreien, die binnenstaatlich ihrem überflüssigen Schicksal überlassen werden. Gleichwohl werden der Staat, die zentralen Institutionen abgewertet; sie werden immer mehr zum Ballast für die mögliche eigene „erfolgreiche“ Entwicklung.

Schließlich geht es darum, „attraktive“ Bedingungen für Investitionen, insbesondere für „große“ Investoren zu schaffen. Auf überstaatlicher Ebene konkurrieren dann nicht nur mehr staatliche Volkswirtschaften untereinander, sondern auch die „reicheren“ Inseln, die sich quasi über die Grenzen hinweg wieder konkurrieren, was dann wiederum noch größerer Anstrengungen, sprich Abbau von Kapitalhemmnissen, bedarf, bis auch die „reiche“ Insel ausgelutscht ist und zu den überflüssigen abrutscht. Es gibt auch in der separierungs-chauvinistischen Insel kein richtiges Leben.

Die allgemeine, tiefe Krise wird sich um diese Selbsterbauungsideologie wenig scheren; sie wird über sie hinwegtrampeln. Die „reichen“ Inseln versuchen einen Krisenaufschub zu schaffen; der Preis ist sehr hoch und trotzdem unerreichbar, der Fall nachher umso tiefer. Der einfachere Weg wäre, nur mehr das zu produzieren, was die Leute wirklich brauchen. Und nicht zu produzieren wegen des abstrakten (Geld)Reichtums. Gleichzeitig könnte man die Hirne mit diesem ganzen ideologischen Unsinn verschonen.

Themen