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Nicht alle gehörten zum Chor der Schreier

  • Mittwoch, 13. März 2013 @ 20:00
Linz Ansprache von KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn bei der Gedenksitzung des Linzer Gemeinderates am 7. März 2013 zum 75. Jahrestag der Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland im März 1938.

Sehr geehrte Damen und Herren, um die infernalische Stimmung jener Anschlusstage des März 1938 einzufangen, möchte ich hier als erstes den Schriftsteller Carl Zuckmayer sprechen lassen. Er beschrieb den März 1938 als „Hexensabbat des Pöbels und ein Begräbnis aller menschlichen Würde“ und „Was hier entfesselt wurde, war der Aufstand des Neids, der Missgunst, der Verbitterung, der blinden böswilligen Rachsucht – und alle anderen Stimmen waren zum Schweigen verurteilt. “

Es war die Stimmung jener die nicht laut genug „Heil Hitler“ schreien konnten. Und dass waren auch jene, die sich sieben Jahre später in der Opferrolle wohlfühlten und die Verantwortung für das Ungeheuerliche weit von sich schoben.

Aber nicht alle gehörten im März 1938 zum Chor der Schreier. Wir wissen, dass jüdische Menschen, Roma und Sinti und Homosexuelle unmittelbar nach dem „Anschluss“ verhaftet, eingesperrt, in Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Und es gab den politischen Widerstand, kommunistisch, sozialdemokratisch, katholisch oder individuell, der sich gegen das Morden des Hitler-Regimes stellte.

Für die KPÖ kann ich festhalten, dass meine Partei im Gegensatz zum „freudigen Ja“ des Sozialdemokraten Renner oder der Empfehlung des Kardinals Innitzer noch in der Nacht des „Anschlusses“ in einer Erklärung ihrer Hoffnung auf das Wiedererstehen eines selbständigen Österreich Ausdruck verliehen. Über 2.000 Kommunistinnen und Kommunisten kamen im Widerstand ums Leben. Die KPÖ hat die Aufforderung der Moskauer Deklaration zur Selbstbefreiung ernst genommen und war demgemäß auch neben ÖVP und SPÖ eine der drei Gründerparteien der zweiten Republik.

Einige meiner Vorgänger als Gemeinderäte waren selbst aktiv im Widerstand und wurden deswegen verfolgt, etwa Franz Haider, Rudolf Haunschmid oder Franz Kain. Wenige Tage vor Kriegsende wurde im KZ Mauthausen der dort inhaftierte Landesobmann der KPÖ, Sepp Teufl, auf ausdrückliche Weisung von Nazi-Gauleiter Eigruber gemeinsam mit 41 weiteren Widerstandskämpfern ermordet, weil die Alliierten „keine aufbauwilligen Kräfte“ vorfinden sollten.

Stellvertretend für den weiblichen Widerstand möchte ich an dieser Stelle an Gisela Tschofenig-Taurer erinnern. Sie war in jenen Märztagen Kassiererin am Linzer Hauptbahnhof und von Anfang an wichtige Verbindungsfrau der oberösterreichischen kommunistischen Widerstandsgruppe. Die Gestapo verhaftete sie 1944 wegen staatsfeindlicher politischer Betätigung und inhaftierte sie im Linzer Frauengefängnis Kaplanhof. In der Nacht zum 27. April 1945 wurde Gisela Tschofenig-Taurer nur ein paar Tage vor der Befreiung im Lager Schörgenhub ermordet. Sie war zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt und Mutter eines fünfjährigen Sohns. Die Stadt Linz hat auf Initiative der KPÖ-Frauen 2006 eine Straße im Linz-Ebelsberg nach ihr benannt.

Blicken wir heute auf die Ereignisse vor 75 Jahren zurück, so muss dazu ergänzt werden, dass der Weg dahin mit der Ausschaltung des Parlaments am 4. März 1933 und der Niederschlagung des Arbeiteraufstands im Februar 1934 vorgezeichnet war. Denn der Austrofaschismus war der „gemäßigte“ grüne Zwillingsbruder des braunen Faschismus. Die ÖVP täte also gut daran, endlich das Dollfuß-Porträt aus ihrem Parlamentsklub zu entfernen.

Es war ein Verdienst von Bundeskanzler Franz Vranitzky, der 1995 - spät aber doch - klarstellte, dass Österreich nicht nur Opfer ist, sondern auch als Täter-Nation Verantwortung für die zahllosen durch Österreicher und Österreicherinnen begangenen Verbrechen Verantwortung übernehmen muss.

Bis heute haben wir mit Nazi-Nostalgie und Wiederbetätigung zu kämpfen. Etwa wenn Exekutive, Verfassungsschutz und Justiz erst nach hartnäckigem Drängen der antifaschistischen Bewegung gegen rechtsextreme Gruppen vorgehen. Oder wenn in der FPÖ als Nachfolgepartei des VdU, die erklärtermaßen eine Partei der „Ehemaligen“ war, wie zuletzt geschehen im Wochentakt Mitglieder und sogar Mandatare mit Äußerungen auffallen, die zumindest hart an der Grenze der NS-Wiederbetätigung sind.

Umso unverständlicher ist daher die Haltung des Landeshauptmannes und seiner Partei, die rechtsextreme Gefahr schlicht wegzuleugnen oder durch die allgemeine Floskel vom „Extremismus“ zu relativieren. Es gibt einen antifaschistischen Verfassungsauftrag der 2. Republik, festgeschrieben in der Unabhängigkeitserklärung, im NS-Verbotsgesetz und im Staatsvertrag und dieser Auftrag muss ernst genommen werden.

Die Landeshauptstadt Linz kann darauf verweisen, dass in den letzten Jahrzehnten eine intensive wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Ära und des Widerstandes erfolgt ist. Auch dass heute eine Gedenksitzung zum Jahrestag des „Anschlusses“ stattfindet ist begrüßenswert. Andererseits tut sich die Stadt immer noch schwer mit ihrer Vergangenheit im Alltag umzugehen. Ich darf daran erinnern, dass 1973 SPÖ, ÖVP und FPÖ die Benennung einer Langothstraße beschlossen und es bis 1986 der Hartnäckigkeit von Franz Kain bedurfte bis dieser Schandfleck beseitigt wurde. Und ich möchte auch an dieser Stelle einen kritischen Umgang mit Denkmälern von geistigen Vorläufern des Nazifaschismus wie den Antisemiten Jahn oder Stelzhamer oder dem von hochgradigen Nazis geschaffenen Pionierdenkmal urgieren.

Die Warnung beim Machtantritt der Nazis im Jänner 1933 „Hitler bedeutet Krieg“ hat sich in schrecklicher Weise erfüllt. Über 50 Millionen Menschen kamen in dem vom deutschen Faschismus vom Zaun gebrochenen 2. Weltkrieg ums Leben. Umso mehr gilt als Mahnung und Warnung der Ereignisse vor 75 Jahren die Losung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“.

Es gilt das gesprochene Wort. Foto: Stadt Linz




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