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Der Tag der Fahne

  • Samstag, 22. Oktober 2011 @ 19:22
Österreich Kurt Palm zum Nationalfeiertag

Sind Leistungsschauen und Fitnessmärsche tatsächlich der Weisheit letzter Schluss? Für den 26. Oktober, den Nationalfeiertag, sollte sich eine hehre Aufgabe finden.

Ach, waren das noch Zeiten, als man am 26. Oktober den „Tag der Fahne“ feierte und man in den Schulen klare Ansagen bekam, worum es an diesem Tag überhaupt ging. In der Volksschule Timelkam hatte 1964 ein Deutsch-Diktat (!) beispielsweise den folgenden Wortlaut: „Am Tag der Fahne ehren wir unser Vaterland. Wie schön unsere Heimat ist! Viele Fremde kommen zu uns. Durch unsere Arbeit dienen wir dem Vaterland. Wir wollen ihm immer treu sein.“

Und heute? Heute freut sich am Nationalfeiertag kaum noch jemand, wenn „viele Fremde“ zu uns kommen, stattdessen schnüren Hunderttausende Übergewichtige ihre Turnschuhe, um bei einem der unzähligen Fitnessläufe im Chor zu singen: „Mutig in die neuen Zeiten, / frei und gläubig sieh uns schreiten, / arbeitsfroh und hoffnungsreich.“

Na ja, ganz so mutig und ganz so gläubig schreiten wir momentan ja nicht unbedingt in die neuen Zeiten, aber solange sich „die Sparer um ihr Geld keine Sorgen machen müssen“ (Bundeskanzler Werner Faymann) und man in Österreich „gut schläft, wenn man ein Sparbuch besitzt“ (Erste-Bank-Direktor Andreas Treichl), ist eigentlich alles in bester Ordnung. So gesehen ist es ein schöner Zufall, dass heuer bereits zwei Tage nach dem Nationalfeiertag der Weltspartag stattfindet (der 31. Oktober ist heuer ein Zwickeltag, Anm.), der in Österreich ja ebenfalls eine lange Tradition hat.

Ich erinnere mich, dass früher Schülerinnen und Schüler noch während des Unterrichts zur Raiffeisenkasse marschieren mussten, um dort kollektiv ihre Sparschweine zu leeren. Selbstverständlich wurde auch der Weltspartag in der Schule ideologisch entsprechend aufbereitet. So lautete eine der Ansagen während meiner Volksschulzeit: „Ein Sprichwort heißt: Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Wir Kinder sparen schon fleißig. Jeden Schilling werfen wir in unsere Sparkasse. So wird unser Geld immer mehr. Später können wir uns viele schöne Dinge kaufen.“

Die Mär der immerwährenden Neutralität

Tja, so ändern sich die Zeiten, und heute muss man schon froh sein, wenn einem die Banken bei der Eröffnung eines Sparbuchs nicht gleich einmal Negativzinsen verrechnen.

Seit 1965 heißt der „Tag der Fahne“ ja bekanntlich Nationalfeiertag, wobei das nicht für alle Bundesländer gilt. In Kärnten wird seit 2008 nämlich ein ganz spezieller „Tag der Fahne“ gefeiert, und zwar am 11. Oktober. An diesem Tag hatte der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bekanntlich eine ziemliche Fahne, als er mit seinem Wagen ins Schleudern kam und sich das Genick brach. Aber die Kärntner waren immer schon ein schrulliges Völkchen, und in einem Bundesland, in dem der Propagandist der „österreichischen Nation als ideologische Missgeburt“ (Jörg Haider) als Heiliger verehrt wird, kann einen ohnehin nichts mehr wundern.

Aber nicht nur gestandene Rechte wie Haiders Erben in der FPÖ kommen bei den Feiern rund um den Nationalfeiertag ordentlich ins Schleudern. Da man ja Österreichs Neutralität seit dem Beitritt zur EU auf dem Altar des Neoliberalismus geopfert hat, bleibt unseren Politikern gar nichts anderes übrig, als die ursprüngliche Bedeutung des 26. Oktober entsprechend zu verfälschen.

Die „immerwährende Neutralität“, die durch den Abzug des letzten Besatzungssoldaten am Vorabend des 26. Oktober 1955 Realität geworden war, besteht ja heute nur noch auf dem Papier. Und wie soll man die Leute mit patriotischen Parolen auf ein Land einschwören, das längst seine Eigenständigkeit verloren hat und als Mitglied der EU internationalen Konzernen, Großbanken und einer Elite von Technokraten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist? All den Politikern, Bankmanagern, Konzerndirektoren und Lohnschreibern des Kapitals, die sich gerade jetzt bemüßigt fühlen, die EU als einzig mögliche Alternative anzupreisen, möchte ich daher mit Adalbert Stifter antworten: „Dieses Europa ekelt mich an.“

Grundsätzlich bin ich ja dafür, dass ein Tag wie der 26. Oktober gefeiert wird, allerdings sollte man vielleicht einmal darüber nachdenken, wie ein Nationalfeiertag sinnvollerweise überhaupt begangen werden könnte. Fitnessmärsche und Leistungsschauen des Bundesheeres können ja nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Und auch nicht die Reden der Politiker, die sich an diesem Tag gerne als Patrioten präsentieren und sich dabei nicht selten als Patridioten entlarven.

Die heile Welt liegt in Trümmern

Ein interessantes Projekt könnte zum Beispiel sein, die Bundeshymne auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen. Und dabei geht es nicht um die läppische Diskussion, ob man den großen Söhnen auch ein paar große Töchter zur Seite stellt. Am Ende glaubt dann noch der derzeitige Wissenschaftsminister Töchterle, dass er damit gemeint ist, und die Studentinnen und Studenten müssen in Zukunft nicht nur Studiengebühren bezahlen, sondern jeden Tag auch noch die Bundeshymne singen: „Heimat bist du großer Sohne und Töchterles.“ Nein, es könnte etwa um die Frage gehen, was die Passage „Hast seit frühen Ahnentagen, hoher Sendung Last getragen“, im Hinblick auf Österreichs Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus bedeutet.

Oder was die Zeile „arbeitsfroh und hoffnungsreich“ in einer Zeit heißt, in der es immer mehr Menschen gibt, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Jene „working poor“ also, die mit ihrer Arbeit dazu beitragen, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden.

Während in Österreich also rund um den Nationalfeiertag und den Weltspartag wieder einmal versucht werden wird, eine heile Welt herbeizureden, liegt in vielen Ländern der EU diese heile Welt längst in Trümmern. Ein Blick nach Griechenland, Portugal oder Italien genügt, um uns in aller Deutlichkeit vor Augen zu führen, dass der Mythos von Österreich als einer Insel der Seligen längst der Vergangenheit angehört.

So gesehen könnte es durchaus sein, dass es in naher Zukunft auch in Österreich neben dem Nationalfeiertag einen „Tag des Zorns“ geben wird. Aber da in unserem schönen Land bekanntlich alles ein bisschen länger dauert als anderswo, werden wir auch heuer wieder jede Menge Schweine schlachten: Die fetten für unsere Schnitzel am Nationalfeiertag und die mageren am Weltspartag.

Kurt Palm, geboren 1955 in Vöcklabruck, wuchs in Timelkam auf. Er studierte in Salzburg Germanistik und Publizistik. Seit 1983 ist er als Regisseur und Autor tätig. Palm lebt in Wien. Sein Stück „Bad Fucking“ feiert am 1. Dezember im Theater Phönix in Linz Premiere.

Quelle: OÖ Nachrichten 22.10.2011, www.nachrichten.at


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