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Populismus via Schandflecke

  • Freitag, 19. November 2010 @ 23:00
Linz Ein Taxifahrer, der sich anbietet, Männer die nachts an Hauswände oder gar an den Neuen Dom pinkeln in flagranti zu fotografieren und eine Stadtrundfahrt für Politiker zu Schandflecken zu organisieren. Aggressive Attacken wegen liegengelassener oder weggeworfener Gratiszeitungen in Straßenbahnen. Und eine Journalistin, die meint, es gelte den Verursachern von Schandflecken „den Garaus zu machen“.

Solcher Art Wortmeldungen illustrierten den Geist der Debatte über „Schandflecke in Linz“ bei einer vom Gratisblatt „Tips“ organisierten Podiumsdiskussion am 19. November 2010 in der Linzer Arbeiterkammer. Freilich gab es auch deutliche Gegenmeinungen, so kritisierte etwa ein Diskussionsredner die Anprangerung eines Altwarenhändlers in Urfahr, dessen „Verbrechen“ darin besteht, dass die Fassade seines Geschäftslokals renovierungsbedürftig ist. Berichtet wurde auch, dass die GWG bei entsprechender Meldung neonazistische oder ausländerfeindliche Schmierereien rasch beseitigt.

Das Medium hat einen populistischen Reißer gefunden, der mit einigen demonstrativen Bildern, die Linz als Müllhaufen erscheinen lassen, stimmungsmäßig aufbereitet wurde: „Die Leute trauen sich ihre Wut loszulassen“ und seien nicht mehr bereit die Probleme „durch die rosarote Brille“ zu sehen hieß es in der Begrüßung. Die starke Reaktion auf die Kampagne dürfte sich angesichts gerade 50 BesucherInnen, überwiegend als Anhang der am Podium sitzenden PolitikerInnen, wohl eher anderweitig entäußern.

VBgm. Klaus Luger (SPÖ) wies auf die effiziente Stadtreinigung hin, die teilweise auch Privatflächen reinigt hin und meinte, Linz brauche einen Vergleich mit ähnlichen Städten in Mitteleuropa in punkto Sauberkeit nicht zu scheuen. 75 Beschäftigte sind beim Magistrat für die Stadtreinigung tätig, wofür jährlich vier Millionen Euro aufgewendet werden. Die Linz Linien wenden weitere 0,8 Millionen Euro für die Reinigung von Haltestellen und Fahrzeugen auf, so wird jede Straßenbahn bei den Endhaltestellen gesäubert.

Ein Problem sind verschiedene Zuständigkeiten: Nicht nur für Verunreinigungen auf dem von der Bundesimmobiliengesellschaft verwalteten Areal der Kunstuniversität sondern auch auf den vielen Privatgrundstücken werden Schuld und Verantwortung für Verunreinigungen von der öffentlichen Meinung wie auch medial der Stadt zugeschoben. Um das Kompetenzwirrwarr zu beseitigen könnte sich Luger auch eine Reinigungsabgabe der Haus- und Grundbesitzer vorstellen, dann wäre die Stadt generell zuständig.

Der SPÖ-Fraktionschef wies darauf hin, dass angesichts des wachsenden Müllaufkommens die Abfallbehälter zu klein sind und der Stadt durch die Reinigung nach großen Events hohe Kosten entstehen und mahnte auch die Verantwortung aller BürgerInnen sowie der Haus- und GrundstückseigentümerInnen ein und wies darauf hin, dass der Umgang mit dem öffentlichen Eigentum sorgloser geworden ist.

Zu Forderungen aus dem Publikum, die Stadt so sauber zu halten wie Tokio, Hongkong oder Singapur wies er darauf hin, dass ein Überwachungs- und Polizeistaat wie Singapur, wo für das Wegwerfen eines Papierls Haftstrafen oder Stockhiebe drohen nicht erstrebenswert sein kann. Zur Causa Gratiszeitungen stellte Luger fest, dass die Verteilboxen vom Magistrat genehmigt sind und man erreicht habe, dass diese Blätter mittlerweile geheftet werden, aber ein Verbot von Gratiszeitungen in einer freien Marktwirtschaft undenkbar sei.

Einem als Zivilcourage beschönigten Vernaderertum redete ÖVP-Vizebürgermeister Erich Watzl das Wort und meinte die Aktion schaffe Bewusstsein. Seines Erachtens hat sich die Situation in der Innenstadt verbessert, nicht aber in den Randbezirken und er meinte, dass „dunkle Plätze“ wie etwa Unterführungen zum Wegwerfen verführen. Einmal mehr schwärmte Watzl von der Video-Überwachung, die er gerne auch auf die Straßenbahnen und Haltestellen ausweiten möchte. Einräumen musste der städtische Kulturreferent hingegen, dass es zu wenig Flächen für Graffitis gibt.

„Sicherheitsstadtrat“ Detlef Wimmer (FPÖ) meinte mit erhobenem Zeigefinger, vieles liege an den Menschen. Um draufzusetzen, man dürfe sich nicht auf gutes Zureden verlassen und es sei die Pflicht der öffentlichen Hand tätig zu werden. Eine bessere Reinigung bekämpfe nicht die Ursachen, notwendig sei Bewusstseinsbildung, was ihn zu seinem Liebkind, der seit September 2010 tätigen Stadtwache führte, die hauptsächlich gegen illegale Müllablagerungen und Schmieraktionen vorgeht.

Wimmer forderte einmal mehr ein oö Polizeibefugnisgesetz für mehr Kompetenzen für seine Stadtwache. Als Erfolgsbilanz nannte er, dass die Stadtwache in einem Monat 152 illegale Müllablagerungen und 95 Verstöße gegen die Leinenpflicht von Hunden festgestellt hatte. Wimmers Auffassungen konnte sich BZÖ-Gemeinderat Reinhard Reiman wie üblich nur anschließen und beschränkte sich darauf die Geisteshaltung zu hinterfragen, die hinter dem Wegwerfen von Gratiszeitungen und Verpackungsmüll steht.

Deutlich anders argumentierte hingegen Grünen-Gemeinderat Severin Mayr, der zur „Tips“-Aktion meinte, es gelte Barrieren abzubauen, damit sich BürgerInnen direkt an die Politik wenden und es nicht solcher Aktionen bedarf. Er wies auf die grundsätzliche Problematik eines wachsenden Müllaufkommens hin, in Österreich derzeit rund 600 Kilo pro Person und Jahr, vergleichsweise im benachbarten Tschechien nur 250 Kilo. Die Müllvermeidung müsse daher Vorrang haben, so Mayr, der auch darauf hinwies, dass von 2000 bis 2006 der Personalstand der Polizei in Linz um 25 Prozent reduziert wurde.

KPÖ-Gemeinderätin Gerlinde Grünn äußerte Verständnis für den Ärger mancher BürgerInnen, wandte sich jedoch dagegen vereinfacht Sündenböcke zu suchen, etwa Jugendliche für Graffitis, Fastfood-Verpackungen oder Gratiszeitungen. Auch sie betonte die notwendige Wertschätzung für die Stadtreinigung des Magistrats, plädierte aber dafür, die Kirche im Dorf zu lassen und dem Thema Schandflecke den angemessenen Stellenwert zuzuordnen, denn „Schönheit und Hässlichkeit liegen auch im Auge des Betrachters“, so Grünn.

Als einzige wies Grünn auf „braune Flecken“ als andere Art von Schandflecken hin und nannte dafür als Beispiel das Pionierdenkmal im Donaupark mit NS-Ästhetik und NS-Hintergrund. Sie plädierte dafür, die Menschen über die Erde zu bringen und sprach sich daher für die Auflassung von Unterführungen, einem besonderen Objekt der Schandflecken-Kampagne, aus. Als größte Schande bezeichnete sie die wachsende Kluft zwischen reich und arm, wo es den größten Handlungsbedarf gäbe. Statt einer Millionen Euro für die Stadtwache wären soziale Maßnahmen notwendig, man dürfe nicht zulassen, die Gesellschaft zu spalten.

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