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Wir zahlen nicht für eure Krise!

  • Samstag, 29. November 2008 @ 19:07
Europa Die Europäische Linke fordert die Abschaffung aller Steueroasen, die Besteuerung aller Kapitalbewegungen und eine gerechtere Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit.

Der in den USA entstandene finanzielle Tsunami fegt über die gesamte Welt hinweg und könnte die wohl weitestreichende Krise des 21. Jahrhunderts verursachen. Darüber hinaus wird diese Krise wahrscheinlich nicht nur im Wirtschafts- und Finanzsektor wüten, sondern auch den Rechtsstaat im Allgemeinen, insbesondere aber die ideologische und moralische Ausrichtung der industriellen Gesellschaft beeinträchtigen und somit die friedliche Koexistenz aller Völker und Staaten dieser Erde gefährden. Gleiches gilt für die Krisen in den Bereichen Energie, Nahrungsmittelversorgung und Konsum.

Die derzeitige Krise ist die direkte Folge eines Kasinokapitalismus’, der auf einer engen Verknüpfung der Arbeitsmarkt- und Finanzmarktstrukturen basiert. Über dreißig Jahre hinweg hat der weltweite Finanzmarkt frei von jedweder politischer Kontrolle agieren können. Dies hat geradewegs zu gleich mehreren Krisen geführt, beispielsweise der Krise in Asien 1997/98. Heute wird offenbar, dass das neoliberale Projekt, einerseits die Herausforderungen der Globalisierung anzugehen, gleichzeitig aber auch die Gewinne der „Global Players“ auf einem grenzenlosen Weltfinanzmarkt mithilfe staatlichen Eingreifens und demokratischer Kontrolle zu maximieren, gescheitert ist. Die EL ist der Meinung, dass eine globale Krise auch globale Antworten benötigt.

Die Krise kann nur durch eine gerechte Umverteilung des Reichtums bewältigt werden und macht eine Umstrukturierung der Wirtschaftsordnung in Richtung einer klima- und sozialpolitisch nachhaltigen Entwicklung nötiger denn je.

Eine alternative Einkommensverteilung setzt mindestens zwei direkte Maßnahmen beim freien Kapitalverkehr voraus:

1. Alle Kapitalbewegungen müssen je nach Form besteuert werden.
2. Alle Steueroasen müssen abgeschafft werden.

Die Europäische Linke begrüßt alle politischen und sozialen Bemühungen, die diese Ziele unterstützen und dazu beitragen, die Bevölkerung zu mobilisieren. Die EL ruft zu einer möglichst großen Anzahl von Initiativen auf, insbesondere mit Hinblick auf das G20-Treffen im April 2009.

Der internationalen Hegemonie des US-Dollars muss durch die Schaffung eines neuen gemeinsamen Währungsinstruments mit Sonderziehungsrechten ein Ende gesetzt werden. Europa muss in dieser Frage mit Entwicklungs- und Schwellenländern zusammenarbeiten. Außerdem ist die EL der Meinung, dass die spezifische europäische Dimension der Krise auch eine europäische Antwort benötigt – eine andere jedoch als die der derzeitigen europäischen Entscheidungsträger. Die simple Erhöhung des verfügbaren Kapitals auf dem Interbankenmarkt oder die Verstaatlichung einzelner Banken, ohne dabei direkte Vorteile für die Bürger sicherzustellen oder bereits vorhersehbare Investitionen der Mitgliedstaaten mit einzubeziehen, wird nicht ausreichen.

Die politischen Sparmaßnahmen, bei denen die EZB eine wichtige Rolle gespielt hat, sind völlig fehlgeschlagen. Genauso wie der Versuch, das europäische Sozialmodell an die neuen Gegebenheiten der Globalisierung anzupassen. Staatshilfen zugunsten von Banken müssen an Bedingungen wie anständige Einstellungspolitik, Lohnsteigerung und Armutsbekämpfung geknüpft werden.

Die Europäische Linke weist erneut darauf hin: Die neoliberale Politik führt zu einer massiven Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt, zu niedrigen Löhnen und untergräbt das internationale Finanz- und Kreditsystem. Dieser Prozess wirft einmal mehr die Frage auf, ob die Grundprinzipien der Globalisierung, die der Wirtschaft vom IWF, der Weltbank und der WTO aufgezwungen werden – nämlich Privatisierung und Deregulierung – die richtige Wahl sind. Die EL macht ferner darauf aufmerksam, dass die Regierungen und Institutionen der EU gemeinsam die Verantwortung für die derzeitige Krise tragen. Denn diese geht eindeutig zurück auf deren Angleichung an die US-Politik und ihre Hörigkeit den Börsen von London und Paris gegenüber. Alle Verträge, die eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb erwähnen, sollten die Notwendigkeit einer Kontrolle der Finanzmärkte berücksichtigen.

Die Europäische Linke fordert ein demokratisches und soziales Europa. Die EU-Prinzipien der Verträge von Maastricht und Amsterdam, die auf der neoliberalen Vision eines freien internationalen Marktes und eines freien Kapitalverkehrs aufbauen, sind gescheitert. Dieser Prozess ist weder linear noch harmonisch verlaufen – das beste Beispiel dafür ist die Zentralisierung des Kapitals, die den europäischen Kontinent in strategische Gebiete und Randgebiete gespalten hat. Diese Grundstruktur muss neu diskutiert werden und die wirtschaftlichen und monetären Kriterien müssen durch soziale Bekenntnisse ersetzt werden. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss in einen Solidaritätspakt umgewandelt werden und auf Schwerpunkte wie Beschäftigung, Sozial- oder Klimapolitik ausgerichtet werden. Ein neues Modell – basierend auf interner Nachfrage, Finanzkontrolle und Qualifizierung – ist der einzige Weg hinaus aus der Krise. Es müssen neue Prinzipien ausgearbeitet werden, die auf Arbeitsschaffung und ein soziales und klimapolitisches Wohlfahrtssystem abzielen.

Dafür sind sowohl unverzügliche politische Maßnahmen als auch mittel- und langfristige Projekte zur Wiederbelebung des europäischen Wirtschaftssystems vonnöten. Die Europäische Linke steht für:

1. Höhere Löhne, Sozialleistungen und Pensionen in allen Ländern Europas sowie eine höhere Beschäftigung, da nur auf diese Weise der steigenden internen Nachfrage nachgekommen und die Realwirtschaft ausreichend stimuliert und wiederbelebt werden kann.

2. Die Garantie, dass jede öffentliche Bankenunterstützung auch automatisch die Kontrolle der Kreditpolitik und eine unverzügliche Senkung der Zinssätze mit sich bringt. Die Kreditpolitik der Banken muss auf ein Sozialmodell, nachhaltige Entwicklung und private Sicherheit ausgerichtet werden.

3. Einen Wandel der Rolle der EZB. Die EZB muss Kriterien wie Wachstum und Beschäftigung aufgreifen und durch eine selektive Senkung der Zinssätze auf diese Ziele hinarbeiten. Die EZB muss einer öffentlichen und demokratischen Kontrolle unterworfen werden. Ihr Statut muss überarbeitet werden.

4. Die Abschaffung des Stabilitätspaktes. Der Stabilitätspakt muss durch einen neuen Vertrag mit den Schwerpunkten Wachstum, Vollbeschäftigung, Sozial- und Umweltschutz abgelöst werden.

5. Transparenz und eine öffentliche Kontrolle der Finanzoperationen. Unter anderem müssen das Bankengeheimnis und alle Steueroasen in Europa abgeschafft werden. Alle Finanztransaktionen und die daraus folgenden Gewinne gehören versteuert. Der internationalen Vorherrschaft des US-Dollars muss durch die Schaffung eines neuen gemeinsamen Währungsinstruments mit Sonderziehungsrechten ein Ende gesetzt werden. Europa sollte dabei mit Entwicklungs- und Schwellenländern (beispielsweise in Lateinamerika) zusammenarbeiten.

6. Die Neubewertung der Finanzaussichten für 2007/2013. Europäische Investitionsprogramme in den Bereichen Beschäftigung, Soziales und Umwelt müssen mit einem weitaus höheren Budget bedacht werden als bislang. Europa verlangt ein Budget von mindestens 3 Prozent des BIP ab 2013. Der Übergang muss bereits im Jahre 2009 beginnen.

Berlin, den 29. November 2008

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