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Nachdenken über den Nahost-Konflikt

  • Donnerstag, 15. Januar 2009 @ 20:05
Frieden Der jetzt wieder heiß gewordene Nahost-Konflikt bringt Friedensbewegte geradezu zur Verzweiflung. Ist er doch ein exemplarisches Beispiel dafür, wie der Eskalation der Gewalt von der einen Seite umgehend jene von der anderen Seite folgt wie auch für die Gleichung „Krieg = Terror= (und umgekehrt). Es liegt auf der Hand, dass der Nahost-Konflikt militärisch nicht lösbar ist, sondern nur eine politische Lösung sowohl für Palästina als auch für Israel eine nachhaltige Perspektive schaffen kann. Angesagt ist daher vor allem der Ausstieg aus einer über Jahrzehnte entwickelten Logik von Krieg und Gewalt, die vor allem von den Ultras in der israelischen Regierung ebenso bewusst weitergetrieben wird wie auf der Gegenseite von der islamistischen Hamas.

Mit Schwarz-Weiss-Malerei, einer traditionellen Simplifizierung von gut und böse und einem von vielen immer noch verinnerlichten Zwang zur reflexhaften Parteinahme macht man sich dabei unweigerlich zum Gefangenen dieser Spirale. Wer Frieden will kann sich daher nicht Regierungen – egal ob der israelischen oder jener der Hamas – verpflichtet sehen, ähnlich wie sich die sozialdemokratischen Parteien der 2. Internationale (leider vergeblich) vor 1914 verpflichtete den jeweiligen Regierungen die Unterstützung zu verweigern. Bezugspunkte für Friedensorientierte können daher nur die Zivilbevölkerung und demokratische bzw. Friedenskräfte in beiden Ländern sein.

Selbst für die palästinensische Seite Partei ergreifende kurdische Gruppen machen zu Recht auf den Widerspruch aufmerksam, dass etwa türkische Medien und Politik die Hamas protegieren, von mehr Rechten für Kurdistan im eigenen Land freilich nichts wissen wollen und sie kritisieren ebenso, dass natürlich auch der neueste Nahostkrieg von der islamischen Lobby für ihre Zwecke instrumentalisiert wird und.

Die Bilder der Anti-Israel-Demonstrationen weltweit, bei denen Israel bedenkenlos mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Insignien oder dem Vorwurf von Holocaust, KZ, ethnischer Säuberung usw. punziert wird zeugen davon zur Genüge. Besonders geschmacklos sind dabei Boykott-Aufrufe die unschwer erkennbar in der unseligen Traditionslinie „Kauft nicht bei Juden“ stehen (besonders eifrige liefern dazu gleich die passenden Nummern der EAN-Codes israelischer Produkte). Es ist kein Zufall, dass solche Auswüchse wie auch die eindeutig antiisraelische Ausrichtung von Palästina-Demos gerade in jenen Ländern besonders ausgeprägt ist, in denen der Antisemitismus historisch eine starke Tradition hat.

Mit einseitigen antiisraelischen Ressentiments werden zwangsläufig auch die antisemitischen Vorurteile bedient. Nachdenkliche plädieren daher mit Verweis auf einen sorgfältigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit für eine differenzierte Betrachtung und lehnen oberflächliche Schuldzuweisungen ab. Die politisch einfachen Gemüter biegen sich hingegen Argumente zurecht, um über die „Unverhältnismäßigkeit“ der israelischen Handlungen zu spekulieren und aufzurechnen, dass ausschließlich Israel schuld am Krieg ist. Dabei kommt dann heraus, dass die von Gaza auf Israel abgeschossenen Raketen eigentlich nur Spielzeug sind, es auf der Autobahn gefährlicher ist als von Hamas-Raketen beschossen zu werden und die Hamas eigentlich nur eine „dummdreiste Lausbuben-Bande“ („Österreich“-Herausgeber Fellner). Aber diese „Lausbuben“ wollen „ganz Palästina“ (also mit Einschluss Israels) als islamischen Gottesstaat. Auf das Argument, dass so wie die Hamas seinerzeit auch die NSDAP demokratisch gewählt wurde, reagiert man entsprechend aggressiv. Aber bekanntlich haben sich schon des Öfteren auch Mehrheiten geirrt…

Wenn ausgerechnet christlichen Friedensmenschen die Forderung nach Anerkennung des Existenzrechts Israels und eine Verurteilung der Hamas-Raketen nicht über die Lippen kommen will, kann dies wohl nur einem traditionellen christlichen Antisemitismus geschuldet sein. Wenn der Vatikan-Menschenrechtsbeauftragte Martino den Gaza-Streifen als israelisches KZ definiert zeigt dies wie offiziös dieser Antisemitismus ist. Dass seit 2001 über zehntausend Raketen von Gaza auf israelisches Gebiet gefeuert wurden und dadurch sowie durch ebenso verharmloste Selbstmordattentate seither über 200 Menschen umgekommen sind, will man nicht zur Kenntnis nehmen. Warum wundert man sich dann eigentlich, unter „Beobachtung“ der voll auf Position der israelischen Ultras orientierten Friends of Israel zu stehen, denen ihrerseits wiederum jegliche Fähigkeit zur Differenzierung abhanden gekommen.

Wer nämlich glauben machen will, die israelische Gesellschaft stünde ohne Ausnahme hinter der Regierung wird durch die bislang größten Antikriegs-Demonstrationen in Israel billiger Kriegspropaganda überführt. Und auch durch den berechtigten Hinweis auf die reaktionäre Politik der Hamas in Gaza wird die Errichtung einer Sperrmauer auf palästinensischem Gebiet und die den UNO-Resolutionen hohnsprechende Siedlungstätigkeit konservativer Israelis im Westjordanland nicht rechtens. Mit dem Versuch einige als feindverdächtig definierte arabische Parteien (von den sieben Millionen EinwohnerInnen Israels sind ein Fünftel arabisch) von den anstehenden Parlamentswahlen auszuschließen bringt Israel zudem seine eigene demokratische Legitimation ins Wanken.

Es ist auch zu einfach, hinter dem Konflikt letztlich ohnehin nur den Weltschurken USA zu sehen und den „faschistischen Zionismus“ zu verurteilen wie es von dogmatischer Seite kommt. Dass „Fahnen Israels und Amerikas mancherorts verbrannt“ werden ist für ein so verflachtes Weltbild geradezu logisch. Wenn sich „marxistisch-leninistisch“ definierende Gruppen freudig mit roten Fahnen bei islamistischen Demos hinter der Losung „Allah ist groß“ marschieren ist dies wohl auch nur einer speziellen Form von Gläubigkeit geschuldet.

Wie reflexartig der alte Antisemitismus ans Tageslicht kommt wird an der Rolle der FPÖ deutlich: Diese predigt zwar das Feindbild Islam (die Grazer FPÖ-Stadträtin und jetzige Abgeordnete Winter ist mit ihrem Mohammed-Sager im Jänner 2008 ein herausragendes Beispiel dafür) weil man mit Ressentiments gegen vorwiegend aus der Türkei oder arabischen Ländern kommenden MitgrantInnen herrlich Stimmung machen kann. Wenn es aber gegen Israel geht und man den alten Antisemitismus bedienen kann wird mitten im Fluss das Pferd gewechselt. FPÖ-Politiker geben die verbale Begleitmusik zu von islamistischen Gruppen organisierten Demos. Dabei hat man auch keine Hemmungen die Politik Israels mit den „Verbrechen der 30er Jahre“ (so die FPÖ-Jugendorganisation RFJ in Tirol) gleichzusetzen. Und der außenpolitische Sprecher der FÖ, ein gewisser Hübner, sieht die PalästinenserInnen als „Heimatvertriebene“ ganz auf der Linie von Sudentendeutschen & Co., einem Stammklientel der FPÖ.

Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten wird es wohl nur bei einem Ausstieg aus der Spirale der Gewalt geben können. Daraus ergibt sich logisch, dass nicht nur die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen durch die israelische Armee sondern gleichermaßen auch den Stopp der Beschießung israelischer Gebiete mit Raketen aus Gaza notwendig sind. Wer das Selbstbestimmungsrecht Palästinas in den Mund nimmt (was die Umsetzung der UNO-Resolutionen betreffend Palästina bedeutet) muss auch für eine Zwei-Staaten-Lösung plädieren womit zwangsläufig die Anerkennung des Existenzrechts Israels verbunden ist.

Es ist auch zu billig, nur die USA als Schutzmacht Israels zu verurteilen, gleichzeitig zu verschweigen, dass hinter der Hamas der Iran und andere reaktionäre arabische Regime stehen, deren gemeinsames Ziel es ist Israel zu vernichten und die Juden „ins Meer zu schmeißen“. Nicht zu vergessen, dass sich die „Solidarität“ der arabischen Bruderstaaten darauf beschränkte, die PalästinenserInnen jahrzehntelang in Flüchtlingslagern dahinvegetieren zu lassen. Die Unterbindung jeglicher Waffenlieferungen in das Krisengebiet ist daher eines der vorrangigen Anliegen zur Lösung des Konflikts. Aus österreichischer Sicht sind vor allem politische Initiativen Österreichs zur Lösung des Konflikts im Sinne einer aktiven Neutralitätspolitik gefordert, aus eigenen Stücken ebenso wie auf EU-Ebene und durch Nutzung der österreichischen Vertretung im UNO-Sicherheitsrat.

Leo Furtlehner

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