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Ein kostenloser, ganztägiger Kindergarten

  • Mittwoch, 5. März 2008 @ 14:00
Frauen Zeitgeschichte: Interview mit der ehemaligen Betriebskindergärtnerin der Linzer Tabakfabrik und Kommunistin Inge Ertelt.

Gerlinde Gruen und Renate Hofmann sprachen Inge Ertelt. Die Tochter des 1945 im KZ Mauthausen ermordeten Landesobmannes der illegalen KPÖ, Sepp Teufel, leitete lange Zeit den Betriebskindergartens der Linzer Tabakfabrik. Diese soll 2009 geschlossen werden, nachdem der Kinderbetreuungseinrichtung vor langer Zeit schon der Garaus gemacht worden ist.

Cafe KPÖ: Die Linzer Tabakfabrik war lange Zeit ein von Frauenarbeit dominierter Betrieb. Wie haben die Tabakarbeiterinnen früher ihre Kinderbetreuung organisiert?

Inge Ertelt: In der Generation vor meiner Mutter gab es keinen Kindergarten. Da haben die Frauen, obwohl sie nicht durften, unter ihrem langen Kittel ihre Kinder versteckt. Unterm Arbeitstisch haben die Kinder gespielt und haben still sein müssen, wenn der Herr Direktor gekommen ist. Alle haben es gewusst, es aber gebilligt, weil man auf die Frauenarbeit nicht verzichten wollte. Die Frauen waren eine billige Arbeitskraft mit flinken Händen. Da ist vieles noch händisch gegangen. Später gab es dann eine Kinderbewahranstalt. Das war nichts anderes als ein Raum, wo die Kinder mit einer Aufpasserin den Tag verbrachten. Erst unter Hitler hat sich ein richtiger Kindergarten in der Tabakfabrik etabliert, weil man mangels Männer noch mehr Frauen in der Produktion brauchte.

Wie hast du deine Zeit als Kindergärtnerin und später als Leiterin des Betriebskindergarten in Erinnerung?

Ich bin nach dem Krieg als ausgelernte Kindergärtnerin in die Tabakfabrik gekommen. Der Kindergarten war kostenlos und ganztags offen. Die Kinder kamen gleich als Säuglinge zu uns, die Mütter kamen direkt von der Arbeit zu uns herüber und konnten ihre Kinder stillen. Wir haben gekocht und die Kinder gebadet. Die Leute hatten ja keine Bäder. Wir haben den Kindern die Zehennägel geschnitten und die Ohren geputzt. Wir haben alles für sie gemacht und waren natürlich auch verliebt in die Kinder. Ein Kind will betreut werden, will liebende Menschen um sich haben, ob das die Mutter ist oder wie man früher gesagt hat eine Tante ist ihm egal. Sie kamen als Säuglinge zu uns und als Hauptschüler haben wir sie wieder verabschiedet. Schwierigkeiten mit der Obrigkeit gab es oft. Der Direktor von der Tabakfabrik hat ja von Kindern einen Schmarren verstanden. Er hat für unsere Wünsche kein Verständnis gehabt. Da hab ich richtig kämpfen müssen, damit wir modernes Kinderspielzeug bekommen haben, anstatt des Plunders, den sie billigst zusammengekauft haben. Auch der Betriebsrat war keine Hilfe und hat immer damit geliebäugelt den Kindergarten zuzusperren. Später wurde unser Kindergarten dann auch vom Land übernommen und verlor dadurch seine Sonderstellung als kostenlose Betriebseinrichtung.

Wie haben sich im Laufe der Zeit die Arbeitsbedingungen verändert?

Früher herrschte noch eine strenge Hierarchie, die hat sich ja von Generation zu Generation gemildert. So war etwa den Arbeiterinnen das Tragen von Hüten untersagt. Das war ein Privileg der Beamtinnen und Angestellten. Meine Mutter war eine elegante Frau, auch wenn sie nur eine Tabakarbeiterin war. Sie hat ihren Hut vor den Fabriktoren eingesteckt und wenn sie heimgegangen ist wieder aufgesetzt. Auch gab es viele Kämpfe um Verbesserungen. So bekamen die Frauen früher keine Deputate. Während des Krieges übernahmen die Frauen auch die Männerarbeit. Sie bekamen aber die Zulagen für diese schwere Arbeit nicht. Da hat sich meine Mutter dafür eingesetzt, damit die Frauen auch diese Zulage bekommen. Da hat der Direktor zu ihr gesagt: Na, und was haben sie davon? Ich nicht, hat sie gesagt, aber alle anderen Frauen. Früher haben in den riesigen Hallen unglaublich viele Arbeiterinnen die Tabakblätter sortiert. Heute macht diese Arbeit eine Maschine. Es sind jedes Jahr neue Maschinen gekommen und alle Jahre haben die Maschinen mehr erzeugt und es sind weniger Leute gebraucht worden. Ich bin als Kindergärtnerin oft hinauf gegangen in die Erzeugung, weil ich Papier gekriegt haben oder Leim für den Kindergarten. Da sind die Frauen an der Maschine gestanden und haben „Tante Inge“ geschrieen und ich habe gewunken. Wenn du jetzt hineingehst ist Totenstille. Da sind nur die Maschinen und dahinter sind ein paar armselige Leute, die sie bedienen.

Was sagst du dazu, dass die Tabakfabrik zugesperrt wird?

Der Betrieb hat eine Vorrangstellung gehabt in Form sozialer Einrichtungen und vor allem auch in den Kämpfen, wenn es um Geld gegangen ist. Wenn die Tabakfabrik was erreicht hat und die Metaller, dann haben andere auch etwas erreicht. Man hatte geglaubt, wer in der Tabakfabrik war, hat für ewig ausgesorgt. Ich finde für den Verrat, den die Regierung mit der Privatisierung an uns begangen hat, keine Worte mehr. Der Private beutet den Arbeiter aus bis zum Geht-nicht-mehr.

Danke für das Gespräch.

Aus: „Café KPÖ“ Nummer 20, März 2008

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