Willkommen bei KPÖ Oberösterreich 

Energieeffizienz – das Stichwort für Europa

  • Dienstag, 12. Februar 2008 @ 09:29
Umwelt Von Jos Dings (*)

Heutzutage sollte es jedem klar sein, dass Verkehr und Transport entschieden in Richtung Nachhaltigkeit ausgerichtet werden sollten, besonders in Europa.

Die Fakten sagen aber leider das Gegenteil: CO2 Emissionen und Erdölverbrauch sind heute 32 Prozent höher als 1990. Diese Eskalation macht sogar die Fortschritte in anderen Sektoren (Reduktionen von rund 10 Prozent) zunichte und stellt die Erreichung der Kyoto-Ziele ernsthaft in Frage. Das EU-Ziel, die Emissionen um 20-30 Prozent bis 2020 zu reduzieren – erst Ende vergangenen Jahres angenommen – rückt in weite Ferne, weiter als jemals zuvor.

Das ist aber noch nicht das ganze Problem: Die EU importiert jedes Jahr Erdöl im Wert von rund 300 Milliarden Euro. Viel zu viel stammt aus unsicheren Regionen und 2/3 davon wird von Verkehr und Transport verschlungen.

Eine sich aufdrängende Idee wäre es, sinnvolle Effizienzstandards für neue Pkws festzusetzen. Tatsächlich hat die EU-Kommission am 19. Dezember 2007 endlich einmal Vorschläge zur Herabsetzung von CO2 Emissionen für Pkws veröffentlicht. Allerdings, statt die Latte höher zu stellen, unterlaufen die Richtlinien das schon längst gültige Ziel von 1994, (das damals von der deutschen Umweltministerin Angela Merkel gepuscht worden war). Die neuen Vorgaben setzen sich 130 g/km bis 2012 zum Ziel --- zehn Gramm weniger und sieben Jahre später als das ursprüngliche Ziel.

Die Steigerungsraten für die Effizienz des Treibstoffverbrauchs sollte viel höher als die jetzt vorgeschlagenen 19 Prozente angesetzt werden – in der Tat wäre eine Verdoppelung für die nächste Dekade mehr als angebracht, um danach noch einmal deutlicher angehoben zu werden: 80 g/km bis 2020 und 60 g/km bis 2025.

Ein gravierender Fehler der Kommission ist auch die Bindung der Standards an das Gewicht der einzelnen Pkws - schwere Automodelle werden bedeutend schwächere Standards zugestanden. Das ist einfach himmelschreiend kontraproduktiv, denn gerade die Gewichtsreduktion gilt als eine der effektivsten Mittel zur Verbesserung der Effizienz beim Treibstoffverbrauch.

Die Verkehrspolitik müsste sich fast ausschließlich auf Energie Effizienz konzentrieren, statt alternative Energiequellen zu suchen, um den wachsenden Verbrauch zu bedienen. Die ernsthafte Diskussion über Nachhaltigkeit und Wünschbarkeit von Biotreibstoffen zeigt ganz deutlich auf, dass die sogenannte „alternative“ Energie nicht synonym mit „sauberer“ Energie ist.
Statt Ziele für die Produktion von bestimmten alternativen Treibstoffen festzulegen, erheischt die Situation dringend Richtlinien zur Verminderung des „Kohlenstofffußabdruckes“ der Treibstoffe. Eine derartige Zielsetzung würde die Treibstoffindustrie zwingen, den kostengünstigsten Weg zur Herabsetzung der globalen CO2 Emissionen zu suchen. Die Biospritindustrie sollte daher erst dann belohnt werden, wenn sie nachweislich kohlenstoffarme Treibstoffe liefert. Schluss mit dieser Politik, die mit Mengen herumjongliert und in Wirklichkeit auf Nachhaltigkeit pfeift.

Bei der neuaufgeflammten Diskussion über Biotreibstoffe hat man offenbar übersehen, dass Europa gerade dabei ist, eine Gesetzgebung zum Kohlenstofffußabdruck von Treibstoffen zu schaffen. Das Umweltkomitee des Europäischen Parlaments hat erst vergangenen November eine Direktive über die Qualität von Treibstoffen angenommen, die einen verminderten Kohlenstoff Standard für Treibstoffe festsetzt. Die Umweltminister scheinen das ebenfalls zu akzeptieren.

Die nun schon über Jahrzehnte laufende Debatte über einen nachhaltigen Verkehr hat in systematischer Weise sowohl den Lufttransport wie auch den maritimen Transport ausgeklammert, deren Emissionen seit 1990 jeweils um 90 und 50 Prozent angestiegen sind. Für die Luftfahrt hat das Parlament unlängst einen Vorschlag der Kommission unterstützt, der eine Einbeziehung in das EU Emissionen Handels Schema (ETS) vorsieht. Am 20. Dezember vergangenen Jahres erreichten die Umweltminister einen Kompromiss, der nur in einigen Details von dem Kommissionsvorschlag abweicht. D. h. noch in diesem Jahr werden wir ein endgültiges Abkommen in Europa haben. Die Herausforderung wird dann sein, die Luftfahrtunternehmen anderer Länder dazu zu bringen mitzuziehen.

Der starke Zuwachs des Lufttransports lässt sich zum größten Teil über die ungerechte Preisgestaltung erklären. Es wirkt nämlich echt bizarr, dass es in Europa noch immer keine Besteuerung von Flugtreibstoffen gibt, was Flugreisen selbst auf kurzen Strecken attraktiver machen, als mit dem Pkw zu fahren. Auto-, Bus- und Bahnreisende zahlen beträchtliche Treibstoffsteuern.
Alle die mit dem Flugzeug reisen, brauchen das nicht. Ebenso abstrus ist es, dass keine Mehrwertsteuer auf Flugtickets eingehoben wird.

Umweltschutz wird noch viel zu oft als Wettbewerb feindlich dargestellt. Das ist überhaupt nicht wahr. Alle Umweltschutzmaßnahmen im Transportsektor können so umgesetzt werden, dass es keine ernsthafte wirtschaftliche Verzerrungen gibt. Z. B. alle Effizienzrichtlinien für neue Pkws werden auf alle in Europa verkauften Autos angewendet und nicht nur auf die in Europa produzierten.

Genauso verhält es sich auch bei Richtlinien für Kohlenstoff effiziente Treibstoffe, die in Europa verkauft werden. Es würden dadurch keine Wettbewerbsnachteile für die Industrie in Europa entstehen, weil eventuelle Produktionsauslagerungen keine Vorteile bringen. Das Gleiche gilt auch für europäische Fluglinien, denn alle Flüge aus und nach Europa werden in das gemeinsame Emissionshandelsschema (ETS) einbezogen, nicht nur die Flüge europäischer Linien.

Die Politik scheint zu vergessen, dass Effizienzkriterien für Treibstoffe letztendlich einen großen und nachhaltigen Markt für Technologien fördern würden, die von der international führenden europäischen Automobilindustrie entwickelt worden sind. Das Gleiche gilt auch für die europäische Flugzeugindustrie.

Die europäischen Politiker leiden an einem skurrilen Widerspruch. Am Morgen ärgern sie sich über die hohen Erdölpreise und der wachsenden Macht der Energie produzierenden Länder, die angeblich Europa herumschubsen, doch am Abend stimmen sie für die Abschwächung von Energieeffizienz Richtlinien.
Europa könnte das Gleichgewicht der Kräfte ganz einfach zu den eigenen Gunsten verschieben, wenn es Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs setzt. Das würde auch ganz erhebliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung im Energiebereich führen.

Ich bin jedenfalls überzeugt, dass eine energische Umweltpolitik im Verkehr- und Transport Sektor den europäischen Unternehmen erlauben würde, eine Führung bei der Technologieentwicklung zu übernehmen. Damit würde Europa bei vielen gegenwärtigen geopolitischen Spannungen hilfreich Einfluss gewinnen.
Geht es uns wirklich um einen effektiven Umweltschutz und um eine Ausbalancierung der Machtverhältnisse im Weltenergiemarkt, dann wären jedenfalls ein nachhaltiges Transport- und Verkehrssystem, ein reduzierter Energieverbrauch und deutlich geringere CO2 Emissionen eine eindeutige Win-win-Strategie. (ENDE/trad fnf/COPYRIGHT IPS)

(*) Jos Dings ist Direktor von „European Federation for Transport and Environment (T&E)“ (Europäischer Bund für Verkehr und Umwelt).

Infos: www.transportenvironment.org

Themen