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1945: Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen

  • Sonntag, 2. Februar 2020 @ 08:00
Geschichte „Wir treiben diese feigen Hasen so lange vor uns her, bis sie uns ins offene Messer laufen...“ (Franz Ziereis, Lagerkommandant des KZ Mauthausen, in Thomas Karny „Die Hatz“)

Es ist Nacht, die Nacht zum 2. Februar 1945. Im Block 20 ertönt Lärm. Plötzlich werden die Fenster der Baracke aufgestoßen. Ein Heer hagerer, ausgehungerter Männer stürzt mit Tischen und Decken heraus. Die Wachposten trifft ein Steinhagel, sie beginnen jedoch sofort das Feuer zu eröffnen. Geschrei ertönt, die ersten Männer fallen getroffen zu Boden.

Dann beginnen einige Häftlinge, Feuerlöscher auf die Wachposten zu richten, um ihnen die Sicht zu verringern. Die anderen Männer stellen die Tische an die Steinmauer, werfen die Decken über den elektrischen Stacheldrahtzaun, um ihn kurzzuschließen und stürmen über die scheinbar unüberwindliche Mauer aus dem Lager hinaus. Unter Kugelhagel laufen die Männer über das schneebedeckte Feld zu dem angrenzenden Wald. Sirenen heulen auf, Scheinwerfer kreisen über die gehetzten Körper. Was war geschehen?

Die Vorgeschichte

Im oberösterreichischen Konzentrationslager Mauthausen waren im Block 20 im Jänner 1945 etwa 570 sowjetische Kriegsgefangene festgehalten worden, die im Rahmen der Aktion K („K“ stand für Kugel) liquidiert werden sollten. Während der Lagerhaft waren sie täglich den Repressalien der SS-Wachen ausgeliefert. Die Häftlinge, größtenteils sowjetische Offiziere, planten einen Ausbruch schon für den 27. Jänner ´45, doch wurde das Vorhaben verraten und die Rädelsführer erschossen. So begann der Ausbruch erst am 2. Februar. Die Häftlinge, die für eine Flucht schon zu schwach waren, gaben ihre Kleidung den Flüchtenden.

Die Hasenjagd

Kurz nach dem Ausbruch wurde der Volkssturm, die Feuerwehr und die politischen Leiter alarmiert, die Männer wurden versammelt. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß Schwerverbrecher aus dem KZ ausgebrochen seien. Diese seien wieder einzufangen und am besten tot zurückzubringen. „... ein großes Morden begann... ein richtiges Blutbad. Der Schneematsch auf der Straße färbte sich mit dem Blut der Erschossenen.“ (Gendarmeriemajor Johann Kohut, in Hans Korsalek „Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen“) Im gesamten Mühlviertel begann die „Hasenjagd“ auf die Entflohenen.

Diese Menschenhatz dauerte während des nächsten Tages an. Familienväter und Bauern beteiligten sich begeistert, nur wenige weigerten sich mitzumachen. Schließlich wurden nur 11 Offiziere gerettet, die anderen wurden auf der Stelle erschossen. Die von den „Schwerverbrechern“ begangenen „Verbrechen“ waren lediglich Diebstähle von Kleidung und Essen. Dies müßte doch auch den Jägern aufgefallen sein, daß die geschundenen Häftlinge keine Gefahr für die Bevölkerung darstellten? Dafür gibt es viele Erklärungsmuster. Auf jeden Fall trifft aber der Untertitel des Films von Andreas Gruber „Hasenjagd“ auf dieses Ereignis zu: „Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“.

„Gott mit euch“

Eine der raren Ausnahmen war die Familie Langthaler, die auf ihrem Bauernhof zwei russische Offiziere versteckte, sie wieder einigermaßen zu Kräften brachte und bis zur Befreiung im Mai 1945 bei sich behielt. Auch Familie Langthaler war eine normale Bauernfamilie, die Söhne waren im Krieg. Die beiden russischen Offiziere Michael Rjabtschinskij und Nikolai Zewkalo dankten der Familie ihren Einsatz auch später noch. Auch manche anderen Mühlviertler faßten sich ein Herz und halfen den KZ – Häftlingen doch leider fehlte dieser Mut zu vielen Menschen und zu viele konnten dem Morden nicht widerstehen.

Filmtipp: Hasenjagd. Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen. Von Andreas Gruber.

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