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Alternativen zum Europa der Konzerne

  • Samstag, 8. Dezember 2007 @ 13:00
Partei Waltraud Fritz-Klackl, Vertreterin der KPÖ im Vorstand der Europäischen Linken

Ich komme gerne an diesen Ort. Vor etwas mehr als 4 Jahren hat hier im Haus der Begegnung eine Parteikonferenz der KPÖ stattgefunden. Um zu klären, ob wir der Europäischen Linkspartei beitreten sollen.

Wir haben uns damals entschieden, Mitglied zu werden. Wir entschieden, nicht nur als Beobachter teilzunehmen, sondern einen, vielleicht sogar historischen Prozess aktiv mit zu gestalten. ...

... Die EL ist seit der Gründung nun auf über 30 Parteien angewachsen, davon 19 Mitgliedsparteien, die gemeinsam mehr als 400.000 Mitglieder haben. Und dieser Prozess der dynamischen Erweiterung setzt sich fort. Die EL ist keine Partei im klassischen Sinne, sie ist ein Zusammenschluss autonomer Parteien aus Ländern innerhalb und außerhalb der EU. Sie versteht sich als pluralistische Linkspartei. Zu diesem Selbstverständnis gehört auch, dass nicht nur eine Partei pro Land in der EL Mitglied werden kann. Und dass dies nicht nur graue Theorie ist, beweisen heute die GenossInnen und Genossen anderer EL-Parteien, die mit uns im Raum sitzen. Aus Deutschland, Griechenland, Italien und der Tschechischen Republik sind jeweils 2 Parteien vertreten, Mitglieds- und Beobachterparteien.

Selbstverständlich ist das manches Mal für die Parteien schwierig und es ist auch nicht spannungsfrei. Der Anspruch eine Partei der pluralistischen Linken zu sein ist in jeder Hinsicht eine Herausforderung.

Angela Merkel hat vergangenes Wochenende auf dem Parteitag der deutschen CDU erklärt: Wo die CDU steht, ist die politische Mitte, da stehen wir und sonst niemand". Auch dort, wo die EL steht, ist die politische Linke. Aber uns ist bewusst, dass es außerhalb ebenfalls linke Kräfte und Parteien in Europa gibt. Wir erheben daher auch nicht den Anspruch, diesen Platz alleine zu besetzen.

Allerdings haben wir im Programm der EL festgeschrieben, was wir heute als unabdingbar für eine linke Partei erachten. Hinter eine Verurteilung des Stalinismus und seiner Verbrechen können und wollen wir nicht zurück. Hinter die Festlegung, dass die EL eine feministische Partei ist, wollen wir nicht zurück.

Alle Beschlüsse der EL können nur im Konsens gefasst werden. Die Anwendung des Vetorechtes ist nur das äußerste Mittel. Vielmehr muss in oft langen und auch mühseligen Diskussionen versucht werden, einen Kompromiss zu finden. Diese Kompromisse sollen aber nicht der Politikfähigkeit oder der Klarheit der Positionen entgegenstehen sondern im Gegenteil, sie sollen gewährleisten, dass alle Parteien einen einmal gefassten Beschluss auch mittragen können.

Die Suche nach Konsens und Politikfähigkeit setzt voraus, dass ein Klima des Vertrauens, des Zuhörens und des Aufeinander Zugehens herrscht und dass man/frau nicht von vorneherein annimmt, der oder die andere habe nur Schlechtes im Sinne bzw. man selbst hat immer recht und weiß genau, wo es langgeht. Unterschiedliche nationale und politische Erfahrungen müssen berücksichtigt werden, was in einem Land möglich ist, geht vielleicht in einem andern Land nicht, obwohl die Probleme die gleichen sind.

... Unsere kritische Position zur EU, unsere kritische Sicht auf das herrschende Demokratiedefizit in EU-Europa, die undemokratischen, undurchschaubaren Strukturen, in denen durch nichts und niemand legitimierte Bürokraten zunehmend das Schicksal von Millionen Menschen in und außerhalb Europas bestimmen, soll uns nicht auf den Gedanken bringen, die Europapolitik unserer Partei ist irgend etwas weit vom Schuss, wo wir ab und an "die in Brüssel" kritisieren bzw. von der österreichischen Regierung mehr Rückgrad verlangen. Ja, das tun wir auch. Aber grundsätzlich ist die Politik, die in Brüssel, sprich in Europa, gemacht wird, eminent national, regional und lokal wirksam. 80 Prozent aller Gesetze und Beschlüsse in Österreich werden von Richtlinien der EU bestimmt.

Ebenso wie die Trennung von oben = national und unten = kommunal nicht mehr funktioniert, funktioniert auch die Zuordnung von Problemen nach oben und unten nicht mehr. Es gibt sie nicht mehr, die große Politik irgendwo abgehoben und die kleine, vor Ort. Alle Probleme greifen ineinander und sind vernetzt, zumindest europäisch.

Die Europäische Linkspartei hat sich auf ihrem Prager Kongress vorgenommen, europaweit eine Million Unterschriften zu sammeln, um Volksabstimmungen über den EU-Änderungsvertrag durchzusetzen. Die EL lehnt den Verfassungsvertrag ab, sie lehnt ihn ab, weil er Aufrüstung und NATO Dominanz festschreibt, weil er das neoliberale Gesellschaftsmodell explizit als einzig mögliches festschreibt und weil er das vorhandene Demokratiedefizit zementiert und ausbaut.

Die Forderung nach Volksabstimmungen in ganz Europa wird nur von der EL und von der Fraktion der vereinigten europäischen Linken, nordisch grünen Linken im Europaparlament erhoben, als einziger Fraktion.

Das ist eine große Chance für uns. Diese gesamteuropäische Forderung unterscheidet uns nämlich von den rechten Nationalisten und Rassisten. Und hilft uns gerade in Österreich einen klaren Trennstrich zu ziehen zwischen dem nationalistischen, rassistischen und fremdenfeindlichen Diskurs der rechtsextremen BZÖ und FPÖ und der Krone, der wieder die Stammtische beherrscht.

Demokratie darf nicht, wenn die Regierungen versagen, der rechten Demagogie ausgeliefert werden.

Sich scharf abgrenzen von dieser Propaganda und Meinungsmanipulation, heißt für uns aber auch, dass wir deutlich machen und den Menschen sagen, dass auf der Basis von Nationalismus und Rassismus weder ein friedliches, sicheres und soziales Europa noch ein friedliches, sicheres und soziales Österreich geschaffen werden kann.

Fausto Bertinotti, der erste Vorsitzende der EL, hat einmal gesagt: Es gibt in Europa Millionen von EinwohnerInnen ohne bürgerliche Rechte und Millionen von ArbeiterInnen ohne Partei.

Diese Tatsachen sind nicht unsere Schuld, aber beides liegt in unserer Verantwortung, in der Verantwortung der europäischen Linken. Wer sich nicht konsequent für gleiche Rechte aller in Europa lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, einsetzt, kann auch nicht die Partei der arbeitenden, der ausgegrenzten, der prekarisierten Menschen sein. Solidarität, Demokratie und Menschenrechte sind unteilbar.

Die Unterschriftenkampagne der Europäischen Linken gegen einen den BürgerInnen aufgezwungenen Verfassungsvertrag hat eine weitere Dimension. Gezeigt werden soll: Der Widerstand gegen die Politik des neoliberalen Sozialabbaus, der Umverteilung zu den Reichen und der Militarisierung stößt nicht nur innerhalb der einzelnen Staaten auf Widerstand sondern in allen gemeinsam.

Auch der Kampf um Demokratie und Mitbestimmung hat eine europäische Dimension. Es sind die europäischen Multis, die schon längst keine nationalen Grenzen mehr kennen und die EU selbst, die Europa in eine Arena politischer und sozialer Kämpfe verwandelt haben.

Indem sich aber die sozialen Kämpfe europäisieren, werden auch demokratische Rechte auf europäischer Ebene eine Frage der politischen Auseinandersetzung. Notwendig ist beispielsweise das Entscheidungsmonopol der politischen und technokratischen Eliten der EU, die hinter verschlossenen Türen tagen, zu brechen. Das Europaparlament, das die einzige direkt gewählte Körperschaft auf EU-Ebene darstellt, muss ins Zentrum der Gesetzgebung gerückt, die Europäische Zentralbank, muss demokratischer, öffentlicher Kontrolle unterstellt werden.

Vor allem aber geht es heute um die Durchsetzung europaweiter Mindestlöhne und ökologischer und sozialer Mindeststandards.

Die radikale Linke hat die Aufgabe, in diese Debatte im Interesse der von ihr vertreten arbeitenden Menschen und mit eigenen politischen Forderungen einzugreifen.

Worum es geht, ist die Entwicklung von Alternativen, die von folgendem Zusammenhang ausgehen: Ohne ein progressives europäisches Sozialmodell gibt es keine europäische Integration. Und ohne Europäisierung der Politik sind Sozial- und Wohlfahrtsstaat weder zu verteidigen noch weiter zu entwickeln.

Systematische und geduldige Entwicklung einer linken Position. Das ist die eigentliche strategische Herausforderung: In dieser Auseinandersetzung um Volksabstimmungen in allen EU-Ländern kann die europäische Linke ihre Alternativen zur gegenwärtigen EU präsentieren und zur Diskussion stellen:

Das sind:

Ein europäisches Sozial- und Ökologiemodell, sowie ein Modell zur Kontrolle der Finanzmärkte

Eine von den USA unabhängige nicht-militärische Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der Änderung der europäischen Handels- und Entwicklungspolitik

Die Residenzbürgerschaft und eine menschenrechtskonforme europäische Einwanderungs- und Asylpolitik.

Wir werden aber auch zu Diskussion stellen müssen, welche demokratischen Strukturen eine Europäisierung der Politik erfordert, um eine effektive Partizipation der Menschen zu ermöglichen.

Mit diesem Kampf um elementarste politische Rechte für die Bevölkerungen der EU Staaten, nämlich über eine Verfassung abzustimmen, wollen wir in den EU-Wahlkampf 2009 gehen.

Diesen Kampf wollen wir mit einer möglichst breiten politischen Debatte über unsere Alternativen zum Europa der Konzerne und der Aufrüstung verbinden. Dabei werden wir auch mit anderen Kräften der europäischen Linken zusammenarbeiten.

... wir alle, egal welcher Partei der europäischen Linken wir angehören, sollen wissen: We never walk alone!

Referat beim 34. Parteitag der KPÖ am 8. Dezember 2007 in Wien

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