Mittwoch, 5. Dezember 2007 @ 09:36
In Oberösterreich absolvieren Kurt Palm und Hermes Phettberg am Freitag ein „Doppelpack“. Zum Start von „Hermes Phettberg, Elender“ kommen sie um 19 Uhr nach Steyr und gleich danach ins Linzer Moviemento. OÖN: Sie sind ja sozusagen der Entdecker von Herrn Phettberg?
Palm: Und, wie er einmal im Überschwang sagte, der einzige Mensch, der etwas mit ihm anfangen konnte. Das heißt etwas, bei einem so Schwierigen. Und das Wort „schwierig“ ist hier eher ein Hilfsausdruck.
OÖN: Wo und wann haben Sie ihn „aufgelesen“?
Palm: Ich hatte über lange Zeit eine sehr erfolgreiche Theatergruppe in Wien. Ich war auf der Suche nach skurrilen Typen. Er kam zu einem Casting, und ich spürte sofort, dass bei ihm etwas „da“ war. Wir haben damals die „Nette Leit“-Show entwickelt. Die ersten Auftritte hatten wir im kommunistischen Globus-Verlag, im Speisesaal des Hauses, und der allererste Gast war KP-Chef Franz Muhri. Die Show entwickelte sich zum Besucherhit, bald kamen 1200 Leute pro Vorstellung. Bis wir schließlich, mit 19 Produktionen, im ORF landeten.
OÖN: 1996 war es vorbei. Warum?
Palm: Der damalige ORF-Chef Gerhard Zeiler bot uns zwar einen Vertrag für zwei weitere Jahre an, doch ich wollte nicht mehr, weil der Phettberg größenwahnsinnig wurde. Ich fürchtete: Mit dem komm’ ich noch ins Narrenhaus.
OÖN: Dieser Film ist quasi auch eine Versöhnung. Wie kam es dazu?
Palm: Phettberg sollte bei einer Filmpräsentation auftreten, aber weil er einen Schlaganfall erlitt, schaffte er das nicht. Das Filmarchiv bat mich, bei ihm zu Hause ein Gespräch aufzuzeichnen. Die Muster kamen so gut an, dass der Vorschlag für einen abendfüllenden Film auftauchte. Mir schien das zunächst problematisch, weil ich ihn allzu gut kannte. Ich machte es trotzdem, und es lief überraschend gut.
OÖN: Inzwischen hat er einen zweiten Schlaganfall erlitten. Trotzdem kommt er mit Ihnen nach Linz. Wieso?
Palm: Er will es. Und er will auch bei der heutigen Wiener Premiere auftreten – in Frauenkleidern. Ein Interview mit dem ORF aber haben wir abgesagt. Das wäre unfair ihm gegenüber gewesen.
OÖN: Was ist Phettberg für Sie?
Palm: Der personifizierte Protest. Erst, mit seinen 170 Kilo, gegen unsere stromlinienförmige Gesellschaft. Und jetzt, nachdem er 100 Kilo abgenommen hat, ist er mit seinem Aussehen wieder ein Protest gegen die gängigen Schönheitsideale.
OÖN: Sie sagen, „Hermes Phettberg, Elender“ sei für Sie das Ende einer Trilogie?
Palm: Die mit meinen Filmen über Adalbert Stifter und Mozart begonnen hat. Sie werden lachen, man findet wirklich Gemeinsamkeiten. Alle drei Genies, die mehr oder weniger an sich selbst gescheitert sind, denen ihr großer Lebensentwurf nicht gelungen ist.
Hermes Phettberg, ein Scheiterhaufen?
"Hermes Phettberg, Elender“ (Ö 2007, 85 Min.) Regie: Kurt Palm (Moviemento)
Der Beginn zeigt Hermes Phettberg auf dem Gipfel seiner Karriere: als Moderator der „Nette Leit Show“, als Kultfigur, als umjubeltes Enfant terrible der Medien. Der zweite Blick der Kamera zeigt Hermes Phettberg jetzt: den Termin mit dem Filmteam hat er sich irgendwie falsch eingetragen, als er endlich die beschwerlichen Stiegen zu seiner Wohnung hinter sich gebracht hat, rutscht ihm die Hose hinunter. Nach zwei Schlaganfällen schluckt er „alles, was man ihm gibt“ – nur damit er so etwas nicht noch einmal erleben muss.
Über das, was er schon alles erlebt hat, spricht Hermes Phettberg mit seinem Wegbegleiter Kurt Palm in dieser Dokumentation. Auf seiner braunen Couch erzählt er von den „ministrösen“ Anfängen als Josef Fenz im niederösterreichischen Untern-alb(traum), der ÖVP-Mitgliedschaft mit 17 (da waren alle dabei), der Zeit als Pastoralassistent, der großen Sehnsucht, dazuzugehören, dann vom radikalen Gegenentwurf, der seinen Höhepunkt in den „Verfügungspermanenzen“ erlebte, bei denen sich jeder an dem gefesselten Phettberg vergehen sollte, und seinem Enden als „Scheiterhaufen“. Jetzt sind sogar die Mäuse aus seiner Wohnung verschwunden.
Ein Porträt, das nicht nur in Rückblenden auf die guten Zeiten lustige Momente beschert. Auch Phettberg selbst lässt immer wieder Selbstironie aufblitzen. Dennoch bleibt vor allem ein Porträt, dass Mitleid erregt und wütend macht.
Quelle: OÖN, 5. Dezember 2007, www.nachrichten.at[*1]