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2. EL-Kongress: Die Identität der Offenheit

  • Sonntag, 25. November 2007 @ 20:52
Europa Kongresse internationaler Netzwerke sind bekanntlich keine spontanen Ereignisse, die Meinungsbildung dazu spielt sich hauptsächlich durch vielfältige Kontakte im Vorfeld ab. Das gilt auch und besonders für den von den beiden tschechischen Linksparteien SDS und KSCM hervorragend organisierten Kongress der Europäischen Linken (EL) der mittlerweile 19 Mitgliedsparteien und zwölf Beobachterparteien mit über 400.000 Mitgliedern aus 23 Ländern in- und außerhalb der EU angehören.

Als Mitgliedsparteien formell neu aufgenommen wurden beim 2. Kongress vom 23. bis 25. November 2007 in Prag die PCMR (Moldawien) und die ÖDP (Türkei), als neue Beobachterparteien gehören der EL die UAG (Belgien), SEI (Italien), MS (Polen) und RESPECT (Großbritannien) an. Eine große Zahl internationaler Gäste aus Südafrika, Kuba, China, Nikaragua, Bolivien, Mexiko, Venezuela, Afghanistan, Iran, Irak, Israel, Palästina, Libanon, Mazedonien, Belorussland, der Nordisch-Grünen Linken, dem EGB, der Europäischen Demokratischen Jugend,, Transform sowie der französischen LCR und MDF machten das große Interesse an der Entwicklung der EL als einzige europaweit formierte Linksformation deutlich.

Der Kongress setzte auch sichtbare Zeichen zu aktuellen Themen: Etwa mit einer Manifestation gegen den geplanten US-Raketenschild in Tschechien und Polen und mit einer eindrucksvollen Kundgebung von EL-Fem gegen Gewalt an Frauen. Überhaupt wurde deutlich, dass es bei der Entwicklung der 2004 gegründeten EL um mehr geht als um bloße Deklarationen: Mit Projekten wie EL-Fem, dem Netzwerk der EL-GewerkschafterInnen (die im Februar ihr drittes Treffen in Wien durchführen wird), dem Netzwerk Queer von Lesben und Homosexuellen oder dem von LINKE und KSCM getragenen Ständigen Forum der Europäischen Linken der Regionen hat linke Politik europaweit konkrete Formen angenommen.

Sehr deutlich wurde bei diesem Kongress unabhängig von der Vielschichtigkeit der Probleme und Sichtweisen der Mitgliedsparteien die Einigkeit der Ablehnung des EU-Vertrages verbunden mit der Forderung nach einem Referendum in allen EU-Mitgliedsländern ebenso wie die Absage an die EU als neoliberales Projekt und die Orientierung auf ein anderes Europa als Alternative dazu. Das Motto des Kongresses „Alternativen entwickeln“ weist in aller Deutlichkeit auf das Bestreben der 31 EL-Parteien hin, diese Alternativen auch zunehmend zu konkretisieren. Ausdruck findet dies in den von Bisky als „gute analytische Grundlage für ein soziales Europa“ charakterisierten Thesen, bei welchen 26 Änderungsvorschläge vor und zehn während des Kongresses eingearbeitet wurden ebenso wie in der „Prager Erklärung“ und einer Vielzahl von beschlossenen Anträgen zu einer Fülle von Themen.

Natürlich machte der Kongress auch unterschiedliche Haltungen in manchen Fragen deutlich. Etwa wenn in Diskussionsbeiträgen einiger osteuropäischer Parteien verklausuliert geäußert wurde, man müsse „behutsam an die Bewertung der Vergangenheit herangehen“ und nostalgische Züge deutlich wurden, während der scheidende EL-Präsident Fausto Bertinotti (PRC, Italien) in seiner Rede sehr demonstrativ den niedergeschlagenen „Prager Frühling“ von 1968 als „letzte Chance für eine Reform des Realsozialismus“ bezeichnete. Auch zur jetzt ansatzweise im Statut verankerten Einzelmitgliedschaft in der EL wurden divergierende Meinungen deutlich.

Von Seiten der KPÖ – die mit zwölf Delegierten und einigen Gästen beim Kongress vertreten war - wies Bundessprecherin Melina Klaus unter dem Motto „Die Scheren zu, die Grenzen auf“ ausgehend von der Lohnschere und der „Schere im Kopf“ auf die Situation der MigrantInnen hin und plädierte für Gleichstellung unter anderem durch eine ResidenzbürgerInnenschaft. Waltraud Fritz-Klackl setzte sich mit dem EU-Vertrag als Nachfolge der gescheiterten Verfassung auseinander und bekräftige die Forderung nach einem Referendum. Walter Baier stellte in seiner Funktion als dessen Koordinator das Netzwerk Transform der linken Bildungsinstitutionen in- und außerhalb der EL vor.

Der neue Präsident der EL ist Lothar Bisky (LINKE, Deutschland): Er wurde von den 190 anwesenden Delegierten einstimmig gewählt, auch die Vizepräsidentin Grasziella Mascia (PRC, Italien) erhielt mit nur zwei Stimmenthaltungen ein sehr eindeutiges Votum. Die 19 Stimmenthaltungen für den Schatzmeister Pedro Masset (PCE, Spanien) sind Konflikten zwischen den drei spanischen Mitgliedsparteien der EL geschuldet. Fast einstimmig wurde wiederum der Vorstand, dem jeweils zwei VertreterInnen jeder Mitgliedspartei angehören gewählt. Die KPÖ wird auch künftig durch Waltraud Fritz-Klackl und Günter Hopfgartner vertreten.

Fausto Bertinotti charakterisierte in seiner Abschiedsrede die EL als „Plattform für ein soziales Europa und des Friedens“ und bezeichnete als wichtigste Aufgabe voneinander zu lernen. Sein Nachfolger Lothar Bisky meinte, Pluralität sei „Grundvoraussetzung linker Politik im 21. Jahrhundert“ und er sprach von einer „Identität der Offenheit“ der EL die es zu einer „kritischen Masse“ zu entwickeln gelte. Als Problem nannte er, dass zwar das Vertrauen in den Neoliberalismus schwindet, aber die von diesem gepredigte „Philosophie der Eigenverantwortung stärker denn je“ ist und zu einem „Verlust an Solidarität und damit Zukunftsfähigkeit“ führt. Auch plädierte er nachdrücklich dafür, in das europäische Denken Russland miteinzuschließen und meinte, es gelte linke Politik in Richtung der Europaparlamentswahl 2009 zu gestalten.

Die EL tritt, so Bisky, für ein Europa der BürgerInnen anstelle eines Europa der Regierungen ein, ohne Referenden über den EU-Vertrag würde das Vertrauen verspielt. Und in aller Deutlichkeit stellte Bisky fest: „Neoliberalismus und Aufrüstung gehören nicht in den Vertrag“. Ganz in diesem Sinne äußerten sich auch der Fraktionschef der GUE/NGL, Francis Wurtz (PCF, Frankreich) und LINKE-Parteichef Oskar Lafontaine (Deutschland), welcher die EL als „Bewegung der demokratischen Erneuerung“ charakterisierte und klarstellte, dass es keinen EU-Vertrag ohne Zustimmung der Bevölkerung geben dürfe. Auch gelte es, so Lafontaine, die Prekarisierung zu überwinden, weil diese den Ausschluss vom demokratischen Leben bedeutet.

Leo Furtlehner

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