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Produktiver internationaler Meinungsaustausch in Linz

  • Samstag, 27. Oktober 2007 @ 20:23
Frieden „Kann Neutralität ein Sicherheitskonzept für Europa sein?“ – unter dieser Fragestellung fand am 27. Oktober 2007 im Linzer Volkshaus Ferdinand-Markl-Straße ein von der KPÖ und der Europäischen Linkspartei organisiertes internationales Symposium statt, das sich als äußerst fruchtbar erwies. Die Aktualität der Veranstaltung ergab sich aus dem wenige Tage vorher von den EU-Regierungschefs beschlossenen „EU-Reform-Vertrag“, der – wie viele Beiträge nachwiesen – im Wesentlichen dem durch die Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheiterten „Verfassungsvertrag“ entspricht.

Die Bedeutung des Symposiums bestand auch darin, dass erstmals VertreterInnen von kommunistischen und Linksparteien sowie antimilitaristischer Gruppen aus neutralen und paktgebundenen Ländern aus Ost und West zusammenkamen um über das Thema Neutralität zu diskutieren. Ein gemeinsames Resümee bestand daher auch darin, dass aus neutralitätspolitischer Sicht der jeweiligen EU-Länder der „EU-Reform-Vertrag“ ohne Wenn und Aber abzulehnen ist.

Yrjö Hakanen, Vorsitzender der Finnischen KP, erinnerte an den paradoxen Umstand, dass ausgerechnet beim EU-Gipfel in Helsinki 1999, bei dem die Aufstellung der EU-Einsatzgruppen beschlossen wurde, der mit der Helsinki-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit eingeleitete Prozess der Detente beendet wurde. Der „EU-Reform-Vertrag“ verpflichte zwar die Mitgliedsstaaten zur Etablierung permanenter militärischer Strukturen und zur Rüstung, enthalte aber keinerlei Paragrafen, der zur politischen Konfliktvermeidung oder zivilen Krisenmanagement verpflichten.

Alexandru Simionov, Abgeordneter der KP Moldawiens, erinnerte daran, dass sich sein Land nach Erringung der Unabhängigkeit nach dem Zerfall der Sowjetunion 1994 als neutral erklärt hat. Er wies allerdings auch auf den „eingefrorenen“ Konflikt mit Transnistrien hin, der zu einem Spielball der Großmächte zu werden drohe.

Auf die Gefahr auch anderer „eingefrorener“ Konflikte im näheren und weiteren Umfeld der EU wies auch der außenpolitische Sprecher der Linken im Deutschen Bundestag und Vertreter der Europäischen Linken Wolfgang Gehrcke hin. Diese (z.B. Nord- und Südossetien oder Berg-Karabach) könnten im Zuge der Neuaufteilung der Welt im Kampf um die Ressourcen aktualisiert werden, wobei eine einseitige Unabhängigkeitserklärung Kosovos als Präjudiz dienen könnte. Auf diese Weise könnte der Kalte Krieg nach Europa zurückkehren. Die Europäische Linke lehne deshalb einseitige Unabhängigkeitserklärungen, die im Widerspruch zum Völkerrecht stehen, ab.

Eine Philosophie des Friedens als Alternative zur militaristischen Ausrichtung der EU müsse auf der Grundlage des Völkerrechts, globaler sozialer Gerechtigkeit, Abrüstung, Demokratisierung und Überwindung der Blockpolitik beruhen. Eine gemeinsame Forderung der Neutralen mit allen anderen Ländern könnte der Abzug der US-Truppen und die Schließung aller ihrer Stützpunkte in Europa sein. Die militärischen Strukturen der EU müssten abgebaut werden. Gehrcke erinnerte auch an die Aktualität einseitiger Abrüstungsschritte wie sie seinerzeit der Rapacki-Plan zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa vorschlug.

Vratislav Vajnar, Vertreter der KP Böhmen und Mährens, machte darauf aufmerksam, dass sich in der Herausbildung einer multipolaren Welt neue Machtzentren entwickeln und entwickeln werden, die zu einer Zunahme der Widersprüche und Konflikte in der Welt führen werden. Entgegen der derzeitigen Ausrichtung in der EU sei der einzige positive Beitrag der EU als ein „Global Player“ in einer friedlichen Diplomatie, die auf der Charta der UN und anderer Regeln des internationalen Rechts beruht zu sehen und in einem aktiveren Beitrag zur Lösung ökonomischer, sozialer, ökologischer und anderer Probleme und Ursachen internationaler Spannungen und Konflikte. Ein gefährlicher Faktor zunehmender internationaler Spannungen wäre die Errichtung der US-Raketenabwehrbasis in der Tschechischen Republik und in Polen.

Reto Moosmann (Gruppe Schweiz ohne Armee) befasste sich mit den kritischen Aspekten der Schweizer Neutralität. Viele Linke verbänden damit eine Doppelbödigkeit und das konkrete Verhalten der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges. Die Neutralität unterstützten zwar 92 Prozent der Bevölkerung, es gäbe aber kein gemeinsames nationales Neutralitätsverständnis. Deshalb trete die Linke in der Schweiz für ein konkretes friedenspolitisches Programm ein.

Gerald Oberansmayr (Werkstatt für Frieden und Solidarität, Linz) arbeitete den Zusammenhang zwischen Militarisierung, Zentralisierung und Hierarchisierung zwischen großen und kleinen Ländern, die mit dem neuen Abstimmungsmodus des EU-Reformvertrages implementiert wird, heraus. Die Battle Groups könnten neue Kolonialkrieger werden. Selbst EU-Präsident Barroso spreche von einem EU-Imperium. Zu dem Argument, die Neutralität sei durch eine Entscheidungsfreiheit Österreichs gegenüber EU-Militäraktionen weiter gegeben, bemerkte Oberansmayr, dass diese nicht in der Entscheidungsfreiheit sondern in der Selbstverpflichtung bestehe. Außerdem habe sich Österreich bereits zur „Solidarität“ verpflichtet. Die EU könne diese mit dem neuen Vertrag nicht nur in militärischen Auseinandersetzungen sondern schon im „Bedrohungsfall“ einfordern. Auf die Kampagne der FPÖ verweisend, meinte er, die Linke müsse die Trennschärfe gegenüber rechts deutlich machen.

Irmgard Ehrenberger vom Internationalen Versöhnungsbund nannte Spielräume für friedenspolitisches Handeln in der EU auf Grundlage der Neutralität. Sie hob besonders die mögliche Bedeutung der Friedensdienste und die Entwicklungspolitik hervor.

Der Völkerrechtler Univ.Prof. Geistlinger (Uni Salzburg) machte darauf aufmerksam, dass der neue EU-Vertrag trotz der Aufnahme einer Austrittsklausel den Austritt einzelner Staaten aus der EU erschwere, da der Beendigung der gegenseitigen Verpflichtungen nunmehr alle übrigen Staaten zustimmen müssten. Der EU-Vertrag lockere auch die bisherigen Bindungen an die UNO indem nunmehr nicht auf die UN-Charta, also auf deren Satzung, sondern nur mehr auf UN-„Grundsätze“ verwiesen werde. Dies sei vor dem Hintergrund des Kapitels 7 der UN-Satzung zu sehen, der kriegerische Handlungen von Staaten nur im Selbstverteidigungsfall legitimiere. Angesichts drohender Konflikte mit Russland wegen Georgien, Moldawien, Aserbeidschan und anderen sehe er als einzigen derzeitigen Ausweg eine Neutralisierung der EU.

Waltraud Fritz - Klackl, Vertreterin der KPÖ im Exekutivkomitee der Europäischen Linkspartei und europapolitische Sprecherin der KPÖ, verdeutlichte zum Abschluss des Seminars die Motive der KPÖ für die Organisierung des Seminars: Es gehe darum die positiven Erfahrungen mit der Neutralitätspolitik in der Vergangenheit für die neue Etappe der Entwicklung von Alternativen gegenüber der EU-Politik fruchtbar zu machen. Sie griff auch den Vorschlag des Vorsitzenden der KP Finnlands auf, die Frage der Neutralen und Nichtpaktgebundenen beim Europäischen Sozialforum 2008 im schwedischen Malmö mit der Europäischen Linkspartei auf die Tagesordnung zu stellen.

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