Willkommen bei KPÖ Oberösterreich 

Botschaft der Initiative Sozialistische Politik an den oö SPÖ-Chef Erich Haider

  • Mittwoch, 24. Oktober 2007 @ 19:40
Europa Wien, am 23. Oktober 2007

Lieber Genosse Haider!

Mit großem Interesse und wachsender Zustimmung haben wir Dein Statement zur Frage der Volksabstimmung über den Entwurf eines Vertrags zur Änderung des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ("EU-Reformvertrag") von Lissabon gelesen, das uns durch eine Aussendung der SPÖ-Oberösterreich vom 19. Oktober 2007 bekannt wurde. Wir danken Dir für diese Initiative.

In den nächsten Monaten werden im Rahmen der SPÖ sowie ihrer Um- und Vorfeldorganisationen die routinemäßigen Bundes-, Landes-, Bezirks-, Mitglieder- und Generalversammlungen abgehalten. Wir sind darum bemüht, durch unsere Mitstreiter/innen entsprechende Anträge einbringen zu lassen, um sie einer Abstimmung zuzuführen. Vielleicht gelingt es, auf diese Weise die innerparteiliche Demokratie zu beleben? Es hat ja bislang keine innerparteiliche Diskussion über die Haltung zur Europäischen Union stattgefunden. Und dies, obwohl sich in unserem aktuellen Grundsatzprogramm unter Abschnitt II.2.2. folgender Satz befindet: "Wir treten daher dafür ein, dass alle Menschen das Recht darauf haben, bei Entscheidungen, die sie betreffen, mitzubestimmen und dass das Prinzip der Demokratie in allen gesellschaftlichen Bereichen verwirklicht wird." Dieser Satz legitimiert auch Deine Initiative um Abhaltung einer Volksabstimmung.

Unserem Bemühen steht allerdings die Tatsache entgegen, dass bereits der Entwurf zum Verfassungsvertrag zu umfangreich war, um von den traditionellen "Politikkonsument/inn/en" (zu denen auch das Gros unserer Parteimitglieder und -funktionär/inn/e/n gehört) gelesen zu werden. Ganz abgesehen davon, dass (selbst bei juristischer und politikwissenschaftlicher Vorbildung) schon eine sehr intensive Befassung mit der Thematik dazu gehört, um ein entsprechendes Problemverständnis zu entwickeln. Diese Hürden sind durch den Reformvertrag keineswegs niedriger, sondern nur noch höher geworden. Wir werden uns daher bei den Antragsformulierungen auf nur wenige prinzipielle Probleme beschränken müssen.

Eines ist die verfassungsmäßige Festschreibung eines neoliberalen, marktradikalen Wirtschaftssystems. Dadurch könnten Bemühungen zur Veränderung der Gesellschaft, etwa durch Ausbau des Öffentlichen Eigentums, Stärkung der Gemeinwirtschaft und Belebung solidarischer Wirtschaftsformen, kriminalisiert werden. Wirtschaftspolitische Überlegungen in diese Richtung gelten in der akademischen wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion jetzt schon als Tabu, der Schritt von ihrer intellektuellen Diskriminierung zur politischen Kriminalisierung wird dann nicht mehr so groß sein.

Ein anderes sind die friedensgefährdenden Militarisierungsaspekte. Sie stellen eine Erhöhung der Gefahr auch für die Neutralität unseres Landes dar, die ohnedies (leider auch mit Duldung durch unsere Partei) in den letzten Jahren schleichend ausgehöhlt wurde.

Weitere Probleme sind die vorgesehenen demokratischen Mängel wie das Fehlen des Instruments einer Volksabstimmung; nur Volksbefragungen sind angeführt. Auch die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments (die als Positivum anzuerkennen ist) verpufft zur Bedeutungslosigkeit, wenn durch die verfassungsmäßig festgeschriebene neoliberale Wirtschaftspolitik der Privatisierung und Ausgliederung die parlamentarische Substanz, nämlich die Budgethoheit, unterminiert wird. Doch diese Gesichtspunkte auch noch zu detaillieren, würde darauf hinauslaufen, die Umfänge der einzubringenden Anträge auf ein unbewältigbares Volumen auszudehnen.

Nichtsdestoweniger wird es in der Perspektive nicht nur um die Durchsetzung einer Volksabstimmung gehen, sondern auch darum gehen müssen, ein Nein-Votum entsprechend zu argumentieren. Wir wissen nicht, was schwieriger ist: die Quadratur des Kreises oder die Durchsetzung dieses Nein-Votums.

Um dem Vorwurf zu begegnen, nur "Nein" zu sagen, aber keine anderen Lösungen anzubieten, verweisen wir auf den Katalog 10 Prinzipien für einen demokratischen EU-Vertrag, der von attac vorgelegt wurde. Bei allem notwendigem Kritizismus gegenüber manchen attac-Positionen (die im Wesentlichen auf eine Wiederbelebung keynesianischer Wirtschaftspolitik hinauslaufen [was allerdings heute schon als Erfolg angesehen werden müsste]), können diese Verfassungsprinzipien auch von Sozialist/inn/en vertreten werden.

Jedenfalls danken wir Dir für Deine Initiative, die wir im Rahmen unserer bescheidenen Möglichkeiten gerne unterstützen werden.

Freundschaft!

Für die ISP - Karin Rietenauer, Gerti Worel, Reimar Holzinger, Franz Winterer, Helga Maier, Theo Maier, Gerda Neudecker, Peter Ulrich Lehner, Ursula Knittler-Lux, Rudi Schmid, Klaus Kucharz, Alfred Kohlbacher, Alfred Heinrich, Werner J. Grüner, Jürgen Hirsch

Infos: www.initsoz.org

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