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Wir trauern um Manfred Groß (1953-2007)

  • Mittwoch, 3. Oktober 2007 @ 16:54
Biografien Manfred Groß, jahrzehntelang führender Funktionär der KPÖ und der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB, ist völlig überraschend gestorben. Mit Bestürzung und tiefer Betroffenheit haben wir die Nachricht vernommen, dass er am 3. Oktober 2007 tot in seiner Wiener Wohnung aufgefunden wurde

Manfred Groß wurde am 4. Februar 1953 in Braunau geboren, erlernte nach dem Schulbesuch ab 1969 den Beruf eines Schriftsetzers und Korrektors, wurde als Gewerkschafter aktiv und 1973 zum Betriebsratsvorsitzenden des damaligen Innviertler Verlages in Braunau gewählt.

Bereits 1974 gehörte er zu den ersten Aktivisten und Gründern der Kommunistischen Jugend in Braunau und war von 1976 bis 1980 Landesvorsitzender der KJÖ-Oberösterreich und Mitglied der Bundesleitung. Ebenfalls 1974 wurde Manfred Groß auch Mitglied der KPÖ. Von 1975 bis 1987 gehörte er der KPÖ-Landesleitung Oberösterreich an und war von 1980 bis 1987 auch Mitglied des Landessekretariats. Von 1984 bis 1991 war er Mitglied des Zentralkomitees und anschließend seit 1991 Mitglied des Bundesvorstandes der KPÖ.

1979 übernahm Manfred Groß von Fritz Gerhartinger die Funktion als Landessekretär des Gewerkschaftlichen Linksblocks in Oberösterreich und vertrat den GLB auch in der ÖGB-Landesexekutive. Mit seiner Tätigkeit verbunden sind auch der damalige Wiedereinzug des GLB in die oö Arbeiterkammer bei der AK-Wahl 1984 und der Höhepunkt der Protestbewegung gegen die Privatisierung der Verstaatlichten mit der Großkundgebung von über 40.000 TeilnehmerInnen am 18. Jänner 1986 in Linz und der Kampf um die Standorterhaltung der AMAG in Ranshofen.

1987 ging Manfred Groß nach Wien und war als Sekretär des Zentralkomitees für Betriebsarbeit tätig. Im September 1989 folgte er Anton Hofer als Bundesvorsitzender des GLB und als Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes sowie als Vertreter im Weltgewerkschaftsbund nach und übte diese Funktionen mit großem Engagement aus, bis er Ende April 2003 durch einen Schlaganfall jäh aus seiner gewerkschaftlichen und politischen Arbeit gerissen wurde. Er musste sich aus allen Funktionen zurückziehen. Die Spätfolgen dieses Schlaganfalls haben ihn nun eingeholt.

Manfred Groß' politische Aufmerksamkeit war stets in erster Linie auf die österreichische Gewerkschaftsbewegung und ihren linken, kritischen Pol, den Gewerkschaftlichen Linksblock gerichtet. Er nahm die organisatorische Eigenständigkeit des GLB – dessen Interessen auch in komplizierten Finanzverhandlungen mit der KPÖ zu vertreten hatte – sehr ernst und trat gleichzeitig für die Öffnung, etwa durch die Einbeziehung von MigrantInnen in die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ein.

Gleichzeitig gehörte er zur jüngeren Generation von FunktionärInnen der KPÖ, die maßgeblich dazu beitrugen die Partei nach den schwierigen Jahren des Umbruchs und der Identitätskrise im Gefolge des Zusammenbruchs der ehemaligen sozialistischen Länder Europas Anfang der 90er Jahre aus der Krise und auf den Weg der Erneuerung zu führen.

Er war ein leidenschaftlicher Gewerkschafter: In der Gewerkschaftsjugend, als Betriebsrat, als Betriebratsobmann und als führender Gewerkschaftsfunktionär. Seine kritische Einstellung zu den sozialpartnerschaftlich bedingten Fehlentwicklungen in den österreichischen Gewerkschaften führte ihn in die Reihen der KPÖ. Auch in der KPÖ erwarb er sich rasch politische Autorität und große Beliebtheit.

Manfred Groß verband wie wenige Theorie mit der praktischen politischen Arbeit und die Formulierung prinzipieller Standpunkte mit der Bereitschaft zur Diskussion und dem Eingehen auf die Argumente anderer. Sein Arbeitsplatz war weniger der Schreibtisch, sondern seine unzähligen Betriebsbesuche, Treffen und Aussprachen mit BetriebsrätInnen, seine Hilfe und Mitarbeit vor Ort bei kritischen Situationen, Betriebratswahlen oder einfach bei der Organisierung von Unterstützung und Hilfe jeglicher Art, wenn KollegInnen und GenossInnen diese brauchten.

In unzähligen Artikel in den Publikationen der KPÖ und des GLB analysierte Manfred Groß die Entwicklung der Lage der ArbeiterInnenklasse in Österreich, zeigte Wege der Veränderung auf, setzte sich kritisch mit der Gewerkschaftspolitik auseinander und prägte letztlich auch das soziale Profil der KPÖ.

Als langjähriges Mitglied der engeren Parteiführung der KPÖ war für Manfred Groß vor allem aber auch das Wirken um die Handlungsfähigkeit und die Einheit der KPÖ stets ein großes Anliegen und er griff mehrmals engagiert in die jüngere Geschichte der Partei maßgeblich ein.

Als 1991 die KPÖ in eine existentielle Krise und die beiden damaligen Parteivorsitzenden in einen immer stärkeren Gegensatz zur Parteibasis gerieten, verfasste er gemeinsam mit Walter Baier und Michael Graber eine politische Plattform unter dem Titel „Sammlung und Erneuerung". Der Kerngedanke des Papiers, das die politische Zustimmung der Mehrheit der KPÖ-Mitgliedschaft fand, war, dass nur eine kommunistische Partei, die einen radikalen Bruch mit Stalinismus und Dogmatismus vollzieht und die sich für eine radikale Erneuerung ihrer Theorie und Praxis entscheidet, Zukunft hat.

Als 2003 die programmatische Debatte der Partei in eine Sackgasse geraten war, nahm es Manfred Groß auf sich, in Absprache mit der Parteiführung, die politische Plattform „Wofür steht die KPÖ?“ für den 32. Parteitag – an dem er dann freilich wegen seiner schweren Erkrankung nicht mehr teilnehmen konnte – zu formulieren, die die gegensätzlichen Positionen zu vermitteln versuchte. So sehr Manfred Groß inhaltlich mit den Positionen der Erneuerung verbunden war und zu ihren maßgeblichen Vertretern gehörte, so sehr entsprach es seinem Naturell, jegliche nur mögliche Anstrengung zu unternehmen, um die Einheit der Partei aufrecht zu erhalten.

Umso größer war seine Enttäuschung, als sich abzeichnete, dass sein Vermittlungsversuch zum Scheitern gebracht wurde. Besonders trafen ihn jedoch die Feindseligkeit und die ins Persönliche gehenden ungerechtfertigten Angriffe, mit denen er seitens einer Minderheit der Partei auf den Versammlungen konfrontiert wurde, in denen er seine Initiative vorstellte. Am Morgen nach einer solchen bitteren Versammlung erlitt Manfred Groß seinen ersten Schlaganfall, den er dank der Geistesgegenwart und Umsicht einer Kollegin des Gewerkschaftlichen Linksblocks überleben konnte.

Manfred Groß konnte auch auf den Tisch hauen, ja richtig wütend werden – vor allem aber konnte er zuhören und nahm Einwände und Kritik ernst. Trotz seines enormen Arbeitspensums war er aber auch ein Genussmensch der das Leben hier und heute liebte und gutes Essen und Trinken nicht verachtete. In Erinnerung bleibt er uns auch als eifriger Kaffeehausbesucher, der sich entsprechend seinem enormen Wissensdurst dort einer intensiven Zeitungslektüre widmen konnte. Als seine zweite Heimat sah er seinen langjährigen Urlaubsort in Griechenland ebenso wie die „Singvögel“.

Manfred Groß hinterlässt eine nicht zu schließende Lücke in der politischen und gewerkschaftlichen Linken. Wir werden ihn in seiner vollen Persönlichkeit in bleibender Erinnerung behalten. Unsere Anteilnahme gilt seiner Mutter und seinem Bruder.

Bundesvorstand der KPÖ

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