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Die Mythen der Burschenschaften

  • Dienstag, 6. Januar 2015 @ 08:00
Antifa In Zeiten von schwarz-blau zogen wieder vermehrt Burschenschaftler in öffentliche Funktionen ein. Wie z.B. in die Universitätsräte. Zahlreich sind die Legenden und Mythen, die von Burschenschaftern und korporierten FPÖ-Politikern über diese Organisationen verbreitet werden. Ich will ein paar davon korrigieren. Von Heribert Schiedel

Mythos von der Urburschenschaft: Diese sei demokratisch und nicht antisemitisch gewesen

Am Anfang der Burschenschaften stand die Erste Deutsche Bücherverbrennung: 1817 wurden am Wartburgfest u.a. der Code Napoleon und die Schriften jüdischer Autoren ins Feuer geworfen. Heinrich Heine meinte 1822 angesichts dieser symbolischen Ermordung: „Dies war ein Vorspiel nur; dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ Nicht umsonst hat die Zweite Deutsche Bücherverbrennung im Mai 1933 sich in seiner Inszenierung streng an das historische Vorbild gehalten. Auch diesmal waren es wieder Korporierte, die gemeinsam mit der SA „volksfeindliche“ Schriften verbrannten.

Die Urväter des völkischen Nationalismus und der Burschenschafter (Fries, Jahn und Arndt) bezeichneten die Juden und Jüdinnen bereits Anfang des 19. Jahrhunderts als „Ungeziefer“, das „ausgerottet“ werden müsse. Die in der burschenschaftlichen Literatur dauernd als Reaktion auf die Ermordung Kotzebues und den Freiheitsdrang der Studenten dargestellten „Karlsbader Beschlüsse“ vom Herbst 1819 waren auch eine Reaktion auf die vorangegangenen tagelangen Ausschreitungen gegen Juden und Jüdinnen („Hepp-Hepp!-Unruhen“). Mit dem Verbot des Korporationsunwesens und der Verfolgung der deutschtümelnden Demagogen konnte dem pogromistischen Mob zumindest die Führung genommen werden. Das wird verschwiegen, wenn versucht wird, sich als Opfer der Metternichschen Reaktion darzustellen. Heine, der zunächst an die Vereinbarkeit von Deutschnationalismus und Demokratie glaubte, gehörte zu den wenigen, welche die deutsche Fusion von nationaler Revolution und antisemitischem Pogrom früh erkannten. Schon 1823 schrieb er an seinen Schwager, dass er überall ein Revolutionär wäre, nur nicht in Deutschland, wo bei deren Sieg „einige tausend jüdische Hälse“ abgeschnitten werden würden.

Herbert Marcuse wies in seiner Kritik an der völkischen Mehrheit in der „Urburschenschaft“ darauf hin, dass „in diesen 'demokratischen' Schlagworten die Ideologie der faschistischen Volksgemeinschaft“ bereits deutlich durchschimmere. Den Begründer der Burschenschaften, „Turnvater“ Jahn bezeichnete Marcuse als „ersten SA-Mann“. Die völkische Traditionslinie, in welcher die Burschenschafter bis heute stehen, führt nicht in die bürgerliche, sondern in die antisemitische „Revolution“: „Die Kombination von antifranzösisch und antisemitisch, antirevolutionär und antitraditionell in der deutschtümelnden Ideologie ist der Nukleus der späteren nationalsozialistischen Exzesse.“ (Detlev Claussen)

Gerade in Österreich waren die Burschenschaften Wegbereiter des eliminatorischen und exterminatorischen Antisemitismus. Am 6. 11. 1918 wird der „Deutsche Burschenbund“ als Dachverband aller deutschnationalen Verbände in Österreich gegründet.

Auf einer den Zusammenschluss vorbereitenden Sitzung der „Alten Herren“ wurde 6. 2. 1918 beschlossen: „Diese Vertreter erklären die Durchführung des Kampfes für das deutsche Volkstum in Österreich und hauptsächlich gegen das Judentum und jegliche das deutsche Volkstum verleugnende Internationale als die erste Pflicht der nationalen Studentenschaft.“

Der Burschenbund verlangte, „dass die Zugehörigkeit zum deutschen Volksstamme nachfolgenden Grundsätzen zu bestimmen ist: 1. Beweis der Zugehörigkeit zur indogermanischen Rasse durch Nachweis der arischen Abstammung väterlicherseits und mütterlicherseits durch wenigstens 2 Geschlechterfolgen und 2. Beweis der Zugehörigkeit zu dem der indogermanischen Rasse ungehörigen deutschen Volksstamme durch Nachweis deutscher Geburt und Erziehung und in zweifelhaften Fällen durch ehrenwörtliche Erklärung, dass die Betreffenden sich wenigstens seit dem Jahre 1910 zum deutschen Volk bekennen.“

Nach 1945 blieben die Burschenschaften in Österreich dem Antisemitismus treu: Tatsächlich verteidigten österreichische Burschenschafter den „Arierparagraphen“ weiterhin. Noch in den 60er Jahren rühmten sich Verbindungen „die jüdischen Elemente entfernt“ zu haben oder „seit 1882 judenrein“ zu sein. Der „PaukComment“ der Wiener pennalen Waffenstudenten legt in §4 fest: „Genugtuungsfähig auf Schläger ist jeder ehrenhafte arische Mensch.“ Und die Innsbrucker Suevia argumentierte 1960 gegenüber deutschen Kameraden: „Wir müssen (...) betonen, dass es für die Deutsche Burschenschaft in Österreich unmöglich ist, Nichtdeutsche aufzunehmen. Wir (...) stehen auf dem allein burschenschaftlichen Standpunkt, dass somit auch der Jude in der Burschenschaft keinen Platz hat.“ Angesichts eines derartigen Standpunktes überrascht es kaum, wenn auch mal Taten folgen. So verwüsteten im November 1961 zwei Burschenschafter den jüdischen Friedhof in Innsbruck. Einer der Täter, Aktivist der Suevia, zwängte seinen Antisemitismus zuvor in holprige Reimform:
„...der einzige Feind, den es Wert ist zu hassen
und unter Umständen auch zu vergasen
ist doch der ewige Jude, der heute
wie früher die dummen, weil ehrlichen Leute bestiehlt
und uns allen die Frischluft wegsaugt
nicht ahnend, dass er nur zum Einheizen taugt.
Die Zeit wird bald kommen, darauf ist Verlass,
dass man ihn zum letzten Mal setzt unter Gas.
Dann werdet auch Ihr, trotz Aktiven-Allüren,
das Feuer von Auschwitz behüten und schüren.
Wir werden, wenn auch ohne Mütze und Band,
die Gasöfen füllen bis an den Rand.“

Daneben standen die Burschenschaften spätestens ab 1871 stets auf Seiten der Feinde der Demokratie: 1918 begannen sie damit, die Demokratie als „jüdischbolschewistisch“ zu denunzieren und die „Dolchstoßlegende“ zu verbreiten. Burschenschafter waren verantwortlich für zahlreiche Morde an Demokratinnen und Vertreterinnen der ArbeiterInnenbewegung (z.B. Rosa Luxemburg). Sie waren beteiligt am „Kapp-Putsch“ (1920), am NS-Putschversuch 1923 und in Österreich am NS-Putschversuch im Juli 1934.

Mythos von der Distanz zum Nationalsozialismus

Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und „Alte Herr“ der Wiener Burschenschaft Olympia, Martin Graf, behauptet in seiner Eigenschaft als Sprecher der Burschenschafter-Initiative SOS Grundrechte und Demokratie, „die Korporationen (sind) in Österreich von 1938 bis 1945 verboten gewesen“. Damit schmückt er sich jedoch mit fremden Federn: Tatsächlich wurden - -, 1938 die katholischen und einige liberale Korporationen verboten, nicht jedoch die Burschenschaften. Diese begrüßten 1933 in ihrem Verbandsorgan Burschenschaftliche Blätter die Machtergreifung der Nationalsozialisten: „Was wir seit Jahren ersehnt und erstrebt und wofür wir im Geiste der Burschenschaft von 1817 jahraus, jahrein an uns gearbeitet haben, ist Tatsache geworden. „ Bei einer großen Feier auf der Wartburg wurde 1935 die Deutsche Burschenschaft in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) überführt.

Die Wiener Burschenschaft Bruna Sudetia sah den „Anschluss“ noch 1971 als Verwirklichung des „Traum(es) der Deutschen Burschenschaft vom großen Reiche aller Deutschen“. Grafs Olympia, die schon 1933 das „Führerprinzip“ übernommen hatte, wurde nach der „Heimkehr ins Reich“ als Kameradschaft Johann Gottlieb Fichte in den NSDStB überführt. Zu diesem vermeintlichen „Verbot“ heißt es in der „Festschrift“ der Olympia mit dankenswerter Offenheit: „Bei der eindrucksvollen Feier im großen Konzerthaussaal anlässlich der Überführung der waffenstudentischen Korporationen in die Gliederungen der NSDAP wurden die Farben das letzte Mal in der Öffentlichkeit getragen.“ Verboten wurden zahlreiche „deutsche“ Burschenschaften in Österreich tatsächlich mehrmals: 1896, nachdem sie sich mit den „Waidhofener Beschlüssen“ auch formal auf den „antisemitischen Standpunkt“ gestellt hatten, 1933/34, als sie als Auffangbecken der verbotenen NSDAP dienten, 1945, weil sie von den Alliierten als Brutstätte nationalsozialistischer Gesinnung erkannt wurden. Die Olympia sah sich aufgrund ihrer damaligen Verstrickungen in den Südtirolterror und Neonazismus zudem zwischen 1963 und 1974 mit einem Verbot konfrontiert.

Neben der ideologischen Ausrichtung verhindert das Lebensbundprinzip, das die Generationen aneinander bindet, eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit zahlreicher „Alter Herren“. So hält die Grazer Burschenschaft Arminia das Andenken an Bundesbruder Ernst Kaltenbrunner - als einer der Haupttäter des NS-Vernichtungswerkes in Nürnberg hingerichtet - bis heute hoch. Der Euthanasiearzt und erste Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, Irmfried Eberl, wird immer noch als „Alter Herr“ der Innsbrucker Germania geführt. Ein anderer Kriegsverbrecher, der zu lebenslanger Haft verurteilte Rudolf Heß, wurde 1987 vom Dachverband Deutsche Burschenschaft in Österreich (DBÖ) gar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Heute versuchen Graf und andere hingegen, einen burschenschaftlichen Widerstand gegen den Nationalsozialismus aus dem Hut zu zaubern. Diese Selbstverleugnung war nicht immer vorherrschend: 1955 wurde es in den Burschenschaftlichen Blättern abgelehnt, „'Widerständler' aus unseren Reihen zu benennen und sie als Schild zu missbrauchen“. In der Grazer Aula verschloss man sich noch 1973 gegenüber den Versuchen, „einen nationalen Widerstand zu konstruieren“.

Mythos von der Distanz zum Rechtsextremismus und Neonazismus

In einer Resolution von deutschnational-korporierten FPÖ-Politikern wird nicht nur die Legende vom Verbot wiederholt, sondern auch behauptet, die Burschenschaften würden in ihrer Allgemeinheit keine „extremistische(n) Standpunkte“ vertreten und befänden sich seit jeher und „in Zukunft in der Mitte unserer Gesellschaft.“ Damit haben sie nicht ganz Unrecht, was aber nicht für sie spricht, sondern gegen die „Mitte unserer Gesellschaft“. Tatsächlich stehen wir einem breiten rechten und nationalen Konsens gegenüber, dessen politischer Ausdruck die FPÖVP-Regierung ist.

Was die angebliche Distanz vom Rechtsextremismus und Neonazismus betrifft, so widersprechen auch die österreichischen Polizeibehörden den FPÖ-Burschen:

Der „Jahreslagebericht Rechtsextremismus“ des Innenministeriums erwähnt für das Jahr 1994 „zwei Wiener und eine Innsbrucker Burschenschaft (...) als Kaderschmiede nationaler und rechtsextremer Gesinnung“. Im Bericht 1999 heißt es, dass von mehreren österreichischen Burschenschaften „ein unterschwelliger und verklausulierter Rechtsextremismus ausgeht. Die Agitation dieser Studentenverbindungen lässt auch den Versuch erkennen, auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen.“ Und ein Jahr später kündigen die Behörden ebendort an, dass der von mehreren „Burschenschaften unterschwellig ausgehenden rechtsextremen Ideologieverbreitung (...) im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin besonderes Augenmerk zugewendet (wird).“ Diese deutlichen Worte zogen den wütenden Protest der FPÖ nach sich. Das hatte zur Folge, dass in Zukunft einfach kein Rechtsextremismus-Bericht mehr erscheinen wird.

Es gibt seit 1945 fast keinen Kader des Neonazismus und Rechtsextremismus in Österreich, der nicht Mitglied einer deutschnationalen Korporation war oder ist: Norbert Burger, Gerd Honsik, Franz Radi, Gottfried Küssel usw. usf.

Quelle: Antifa-Info, Nummer 110, März/April 2003

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