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Josef Angsüsser (1904-1992)

  • Mittwoch, 12. September 2007 @ 20:18
Biografien Aus dem Bericht des Braunauer Kommunisten Josef Angsüsser (15.1.1904-12.9.1992) werden die realen Erfahrungen mit dem grünen und braunen Faschismus, ebenso aber auch, wie wenig der Faschismus in Österreich nach 1945 „bewältigt“ wurde, deutlich. Das folgende Gespräch mit Sepp Angsüsser führte Günther Schlager am 29. Jänner 1988.

Frage: Du bist 1904 geboren und gehörst einer Generation an, deren Aufwachsen von heute schwer vorstellbaren wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen geprägt war.

Angsüsser: Meine Eltern sind Kleinhäusler in Blankenbach in der Nähe von Ranshofen gewesen. Für uns Kinder war besonders während des 1. Weltkrieges oft nicht genug zum Essen da. Mit elf Jahren bin ich so zu einem reichen Bauern nach Gilgenberg gekommen, bei dem ich für Kost und Quartier gearbeitet habe. Natürlich bin ich auch in die dortige Schule gegangen. Der Lehrer hat´s mich schon spüren lassen, dass ich das Kind von „Bettelleut“ aus Ranshofen gewesen bin. Die Kinder der reichen Bauern sind immer bevorzugt worden, die haben sich in der Schule auch leichter getan, weil sie nicht so schwer arbeiten mussten.

Frage: Wie hast Du´s geschafft, eine Berufsausbildung zu bekommen? Du bist ja von Beruf gelernter Zimmermann.

Angsüsser: Ich bin nach dem Krieg etwa im Alter von 15 Jahren nach Braunau gegangen, wo ich auf verschiedenen Baustellen gearbeitet habe. Glücklicherweise ist mir eine Lehrstelle als Zimmermann angetragen worden, allerdings in Salzburg. So bin ich auf einmal Zimmererlehrling in Salzburg gewesen. Übrigens hab´ ich als schmächtiges Bürschchen in Braunau zum ersten Mal den 1. Mai erlebt - unter „gestandenen Mannsbildern“ mit einer roten Nelke im Knopfloch. Dafür hab´ ich dann vom Bauführer auch eine kräftige Watsch´n g´fangt.

Frage: Salzburg muss, verglichen mit den bäuerlichen Verhältnissen im Innviertel, schon die „große Welt“ gewesen sein?

Angsüsser: Na ja, diese Welt bestand für mich aus harter Arbeit. Als Lehrling hatte man damals sowieso keinerlei Rechte. Und als Zimmermann am Bau war man in den 20er Jahren immer der Gnade oder Willkür der Bauunternehmen ausgeliefert.

Frage: Aus dieser Erfahrung heraus - kann ich mir vorstellen - fängt man zum Nachdenken an!

Angsüsser: Natürlich, da war ich nicht der einzige, der sich über solche Verhältnisse Gedanken machte. So bin ich fast zwangsläufig an meinen verschiedenen Arbeitsstellen mit Gewerkschaftern und Sozis in Kontakt gekommen. 1929 hab´ ich dann erstmals Kommunisten aus Hallein kennengelernt. 1932 bin ich in Braunau der KPÖ beigetreten.

Frage: Dieser Beitritt hat Deinen weiteren politischen und persönlichen Lebensweg gekennzeichnet! Welche Ereignisse und Erlebnisse haben vor gut 50 Jahren in der Zeit des beginnenden Austrofaschismus Dein Leben bestimmt?

Angsüsser: Politisch war das eine schwere Zeit. Unsere Gruppe hatte ca. 25 Mitglieder. Ab 1933, als die KPÖ vom Dollfuss-Regime verboten wurde, trafen wir uns illegal im Keller eines Sägewerkes in Braunau. Flugblätter und politisches Material bekamen wir durch Boten aus Linz.

Frage: Im Februar 1934 wurde die österreichische Arbeiterbewegung von Heimwehr, Bundesheer und Polizei mit Waffengewalt unterdrückt, und Gewerkschaften sowie alle sozialdemokratischen Organisationen verboten. War für die kleine Gruppe von Kommunisten in Braunau weiterer Widerstand überhaupt noch möglich?

Angsüsser: Ich erinnere mich an den 1. Mai 1934, als wir mit Fahrrädern von Braunau nach Altheim gefahren sind, um dort eine Maikundgebung zu organisieren. Als wir unsere Fahnen in der Nähe des Kriegerdenkmales entrollt hatten und ein Genosse eine Rede begann, dauerte es nicht lange, bis wir von Heimwehr und illegalen Nazis angegriffen wurden. Wir mussten zurückweichen, mit Messern und Ruten bewaffnete Heimwehrler verfolgten uns. Ein Teil der Genossen flüchtete in ein Haus nahe dem Trabrennplatz, in dem sich die Altheimer Genossen öfter trafen. Als die Faschisten das Haus stürmen wollten, wurde aus Notwehr geschossen. Ich erinnere mich noch an die Schreie der Verteidiger: „Wenn wer dem Haus zu nahe kommt, wird geschossen!“ Leider gab es bei dieser Auseinandersetzung auch einen Toten, einen Heimwehrler aus Altheim.

Frage: Wie sah für Dich die Situation nach den Ereignissen in Altheim aus?

Angsüsser: Ich wurde am nächsten Morgen um vier Uhr früh verhaftet, jedoch sehr bald wieder freigelassen. Danach begann eine schwere Zeit für mich. Es vergingen kaum 14 Tage ohne Hausdurchsuchung. Als Gegner der grünen Faschisten hatte ich keine Chance auf einen Arbeitsplatz. Nachdem ich als Arbeitsloser ausgesteuert war, mussten meine Frau und ich mit 50 Groschen Notstandsunterstützung täglich auskommen.

Frage: Davon konnte man nicht leben! Bot sich ein Ausweg an?

Angsüsser: Ich musste Arbeit finden, das war die einzige Möglichkeit. In Österreich gab´s aber für mich keine, so blieb mir nichts anderes übrig, als in Simbach eine Arbeitsstelle anzunehmen. Vom Ortsgruppenleiter der NSDAP wurde ich recht eindeutig „begrüßt“: „Angsüsser! Von hier nach Dachau ist´s nicht weit.“

Frage: Wie hast Du die Besetzung Österreichs durch Hitlerdeutschland und die folgenden Jahre der Naziherrschaft erlebt?

Angsüsser: Mit ohnmächtiger Wut! Eine bittere Enttäuschung war für mich, als ich sehen musste, wie selbst gute Bekannte und mein eigener Bruder beim Einmarsch Hitlers in Braunau die Hakenkreuzbinde trugen und ihr „Heil“ riefen. Offener Widerstand war unmöglich. Die Mitglieder der Organisationen hatten nur mehr losen Kontakt. Ich selbst stand mit dem später in München-Stadlheim ermordeten Genossen Amberger in Kontakt, der meinen KPÖ-Mitgliedsbeitrag kassierte. Von Salzburg aus, über Genossen in Mattighofen wurde dann ab 1940 die Braunauer KP-Organisation wieder aktiviert.

Frage: Du wurdest Anfang 1942 von der Gestapo verhaftet. Was hat man Dir vorgeworfen?

Angsüsser: Sie haben mich direkt von meinem Arbeitsplatz weg im Aluminiumwerk Ranshofen verhaftet. Der Vorwurf und die spätere Anklage vor dem Gericht in Salzburg lautete: „Vorbereitung zum Hochverrat“. Als Beweis galt meine Mitgliedschaft in der KPÖ, die ja als Partei schon immer für die eigenständige Existenz Österreichs eingetreten war. Für die Nazis bedeutete das Hochverrat!

Frag: Eine Anklage vor dem „Volksgerichtshof“ wegen Hochverrat bedeutete den sicheren Tod. Befandest Du Dich nicht in einer ausweglosen Situation?

Angsüsser: Ich hatte insofern Glück, als ich nur der „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt wurde. Andere Genossen wie Franz Amberger aus Braunau, Josef Helmetsberger und Richard Muhr aus Mattighofen wurden von den Nazis zum Tode verurteilt.

Frage: Kannst Du Dein weiteres Schicksal während der Nazizeit beschreiben?

Angsüsser: Nach kurzer Haftzeit in Straubing steckte man mich zu den 999ern, einer militärischen Strafeinheit der Nazis, die mehr oder weniger als „Kanonenfutter“ eingesetzt wurde. Im Ausbildungslager Heuberg im Schwarzwald mussten wir Politischen immer bei Hinrichtungen zusehen. Das war für mich eine besonders schreckliche Erfahrung. Die Hilflosigkeit gegenüber der Gewalt der Wächter war ebenfalls eine schlimme Tatsache. Trotzdem hatte ich wiederum Glück, weil ich im weiteren Kriegsverlauf auf Grund meiner handwerklichen Fähigkeit hauptsächlich zum Befestigungsbau in Nordfrankreich und Norddeutschland eingesetzt wurde. In dieser Zeit habe ich erlebt, dass das Zusammenhalten der Leute Voraussetzung für das Überleben ist.

Frage: Als das „Tausendjährige Reich“ zusammengebrochen war, konntest du wieder nach Österreich zurückkehren. Wie hast Du Deine Existenz nach den lebensgefährlichen Jahren der Naziherrschaft gestaltet?

Angsüsser: Im Juli 1945 bin ich heim nach Blankenbach gekommen. Auf Vorschlag der Braunauer Genossen sollte ich der Polizei beitreten, die nach dem Kriegsende wenig Personal hatte, da viele der Polizisten einfach zu aktive und „pflichtbewusste“ Nazis gewesen waren. Auf dem Posten in Ranshofen bekam ich einen Karabiner und ausgelatschte Stiefel und sollte die Radfahrscheine der Bauern kontrollieren und ihnen Strafgeld abknöpfen.

Nach einem dreiviertel Jahr hab´ ich mir gedacht, ich such´ mir eine ordentliche Arbeit und bin wieder als Zimmermann auf die Werksbaustelle in Ranshofen arbeiten gegangen. Die Baufirma, bei der ich beschäftigt war, kündigte mich aber, als ich versuchte eine Betriebsratswahl zu organisieren. Verantwortlich für die Kündigung war der Bauleiter, ein alter Nazi. Vor dem Arbeitsgericht bekam ich aber recht. Danach habe ich bis zu meiner Pensionierung beim Autobahnbau in Mondsee und in Regau gearbeitet, da ich in Braunau wiederum keine Arbeit bekam.

Frage: Hast du wegen Deines Eintretens für Österreich Anerkennung von Seiten offizieller Stellen der 2. Republik bekommen?

Angsüsser: 1978 wurde ich mit der Medaille für Verdienste um die Befreiung Österreichs ausgezeichnet. Um die heuer anlässlich des 50. Gedenkjahres der Besetzung Österreichs durch Nazideutschland zur Auszahlung kommenden „Ehrengabe für die Opfer des Nationalsozialismus“ habe ich nicht angesucht. So einfach mit Geld kann man uns Antifaschisten nicht abspeisen, lieber sollten die österreichischen Behörden ihren antifaschistischen Grundauftrag voll und ganz erfüllen und alle Nazi- und Neonaziorganisationen verbieten!

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