Willkommen bei KPÖ Oberösterreich
Die „Nationale Frage in Österreich“
- Donnerstag, 22. März 2007 @ 18:57


Seit 1936 wurde von der in Prag agierenden Parteiführung intensiv die Frage diskutiert, ob es sich bei den Österreichern nicht um eine eigene Nation handle. Alfred Klahr wurde vom Polbüro beauftragt, sich mit dieser Frage wissenschaftlich auseinanderzusetzen. In der Märznummer der theoretischen Zeitschrift der KPÖ „Weg und Ziel“ legte er unter dem Pseudonym „Rudolf“ 1937 der Öffentlichkeit das Ergebnis seiner Untersuchungen vor. Das theoretische Instrumentarium seiner Analyse entnahm er der von Josef Stalin 1912 in Wien verfassten Broschüre „Marxismus und nationale Frage“. Auch wenn die darin enthaltene Definition der Nation als „historisch entstandene, stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart“ der ganzen Komplexität der nationalen Beziehungen nicht gerecht wurde, so bedeutete sie einen enormen Fortschritt gegenüber anderen als „marxistisch“ bezeichneten Nationsauffassungen.
Der für die Diskussion der nationalen Frage in Österreich produktivste Hinweis Stalins war, dass er - im Gegensatz zu Otto Bauer, der sich ebenfalls auf die marxistischen Klassiker berief - den schon im „Kommunistischen Manifest“ angesprochenen Zusammenhang zwischen der Durchsetzung des Kapitalismus und der Entstehung der bürgerlichen Nationen in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte.
Die Entwicklung in Österreich selbst hielt Alfred Klahr für noch nicht abgeschlossen, da ein Großteil der Österreicher sich ihrer nationalen Identität noch nicht bewusst war. Unter den damaligen politischen Verhältnissen war es klar, dass die staatliche Unabhängigkeit Österreichs im Interesse des Friedens in Europa unbedingt erhalten werden muss. Doch muss man deshalb auch für die nationale Unabhängigkeit Österreichs eintreten? Es sei „ganz falsch, weil ganz formalistisch“ schrieb Klahr, „diese zwei Begriffe, die inhaltlich aufs engste miteinander verquickt sind, einander gegenüberzustellen“.
Nicht nur der Kampf um die Erringung, auch der Kampf um die Aufrechterhaltung der politischen Unabhängigkeit sei ein nationaler Kampf. Nachdem er sich ausführlich mit allen Gesichtspunkten der nationalen Frage unter österreichischen Bedingungen und mit der geschichtlichen Entwicklung des österreichischen Volkes seit 1848 auseinandergesetzt hat, kommt er zu folgender Schlussfolgerung: „Die theoretische und historische Untersuchung der nationalen Frage in Österreich zeigt, dass die Scheidung des österreichischen Volkes vom übrigen Deutschland, die in der ganzen Periode seiner kapitalistischen Entwicklung bestand, und das Eigenleben unter besonderen Verhältnissen ... seine Entwicklung zu einer besonderen Nation hervorrief.“ Zugleich räumt Klahr ein, „die Eigenart dieser nationalen Entwicklung besteht aber in jenem historischen Widerstreit zweier nationaler Richtungen, der österreichischen und der deutschen Orientierung, im übrigen österreichischen Volk.“ Damit hat Klahr auch die aktuellen Aufgaben der demokratischen Bewegung in Österreich umrissen: Antifaschismus konnte in der gegenwärtigen Situation nur Entfaltung eines nationalen Abwehrkampfes gegen die hitlerdeutschen Eroberungsabsichten heißen.
Quelle: Alfred Klahr Gesellschaft (AKG), www.klahrgesellschaft.at