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Gegen „braune Flecken“ in den österreichischen Gemeinden

  • Donnerstag, 22. Februar 2007 @ 07:24
Antifa „Österreich wird auch die Bemühungen fortsetzen, aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen...“ heißt es im Artikel 9 des Staatsvertrages von 1955. Trotzdem existieren in Österreich, einem Land, in dem die Realität „konsequent symbolisch reflektiert“ wird (Robert Menasse), auch heute noch zahlreiche „braune Flecken“, die mehr oder minder offen auf faschistische Inhalte verweisen.

Wenn etwa in dutzenden Gemeinden Straßen nach Ottokar Kernstock, dem Dichter des „Hakenkreuzliedes“ benannt sind, heißt das unzweifelhaft, dass das Verfassen von NS-Propaganda als mit offiziellen Ehrungen durchaus vereinbar gilt. Ungeachtet der Tatsache, dass der Hitlerfaschismus eine Antithese zur Zweiten Republik darstellt, trägt ein großer Teil dieser „braunen Flecken“ staatlichen Charakter. Dadurch werden rechtsextreme Inhalte offiziell geduldet und anerkannt, was in weiterer Folge eine Legitimation Ermunterung für die Aktivitäten rechtsextremer Gruppen darstellt.

Dahinter steht die Verdrängung der Mitverantwortung an den NS-Verbrechen, also einer Geschichtsauffassung, welche die ÖsterreicherInnen ausschließlich als Opfer Hitler-Deutschlands sehen wollte, Diese verzerrte Perspektive erleichterte es dem heimischen Rechtsextremismus nach der historischen Niederlage von 1945, wiederzuerstarken und sich in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zu verankern.

Schon seit Jahrzehnten stellen Antifaschistinnen in vielen österreichischen Gemeinden die jeweiligen „braunen Flecken“ in Frage und damit zur Debatte. Die Proteste aus dem rechtsextremen Lager waren und sind leicht abschätzbar. Bezeichnend aber ist die Mehrzahl der Reaktionen örtlicher BürgermeisterInnen und anderer MandatarInnen: Nämlich wehleidige bis aggressive Abwehrhaltungen, Appelle an den Lokalchauvinismus, Vorwürfe der „Nestbeschmutzung“, Behauptungen, das Problem sei nicht wirklich vorhanden (etwa weil ohnehin niemand mehr wisse, wer Kernstock gewesen sei), es gibt argumentative Trennungen der Symbole von ihren Inhalten, verharmlosende Fehlinterpretationen bis hin zu Geschichtsfälschungen sowie Aussagen, dergleichen gäbe es doch schon lange und woanders auch...

Die Versuche, das unredliche Verhältnis zum Nazifaschismus mit unredlichen Mitteln fortzuschreiben, sind freilich zum Scheitern verurteilt, denn kaum irgendwo gelingt es den auf „ihren“ Symbolen beharrenden GemeindepolitikerInnen, ein dauerhaftes Ende der Debatte zu erreichen. Im Gegenteil wurde die unbequeme Kritik mit den Jahren breiter und führte letztlich oft doch zu den längst fälligen Konsequenzen.

Positiv ist, dass es auch positive Reaktionsmuster gibt: Teils ließen sich die zuständigen EntscheidungsträgerInnen nach anfänglicher Ablehnung überzeugen (Kernstockplatz in Wien), teils nahmen sie die Konflikte anderwärts zum Anlass, die eigenen NS-Symbole zu beseitigen (Kernstockgasse in Ansfelden, Kernstockweg in Traun). Vereinzelt wurde die Debatte sogar von einem antifaschistisch gesinnten Bürgermeister oder Stadtrat begonnen (Spruch „Am deutschen Wesen...“ in Braunau, Kernstockstraße in Hohenems). Oft war aber auch der schlichte Druck der Fakten (Langothstraße in Linz) nach jahrelangem Blockieren der entscheidende Anstoß zum Handeln.

Insgesamt überwiegt aber die Trägheit des gewohnten Falschen: Opportunistische Rücksichtnahme auf den rechten Rand gehörte immer noch zu den unhinterfragten Konstanten der österreichischen Innenpolitik. Aber: Zunehmend wird Bewegung sichtbar, die Zeit arbeitet gegen MandatarInnen, die unbelehrbar Ewiggestriges verteidigen.

Nach wie vor existieren in fast allen Bundesländern nach dem Verfasser des „Hakenkreuzliedes“ Ottokar Kernstock (1848-1928), dem engagierten Nationalsozialisten und Kinderbuchautor Franz Karl Ginzkey (1871-1963), nach dem in der NS-Ära exponierten Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl (1897-1974) oder dem Nobelpreisträger Julius Wagner-Jauregg (1857-1940) – dessen Erbforschungen „nicht mehr aus dem Gedankengebäude der nationalsozialistischen Gesellschaftslehre fortzudenken“ waren – benannte Straßen, Plätze oder sonstige öffentliche Einrichtungen. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen Straßen, die nach dem „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852) der „mit seinem großdeutsch-völkischen, rassistischen, antisemitischen und österreichfeindlichen Gedankengut zu den frühen ideologischen Vorläufern des Nationalsozialismus“ (OÖ Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus) zu rechnen ist, benannt sind. Dazu kommen viele weitere nach regionalen oder lokalen Parteigängern der Nazi-Bewegung benannte Straßen, öffentliche Bauten, Denkmäler oder Ehrengräber wie jenes des Nazi-Luftwaffenoffiziers Walter Nowotny in Wien oder des Abwehrkämpfers Hans Steinacher in Kärnten.

Die Resolution des SPÖ-Bundesparteivorstandes vom 22. Februar 1995, die unter anderem zum Thema der NS-Symbole Stellung bezieht, hat bislang nur in den wenigsten Fällen zu politischen Konsequenzen geführt. Entscheidend ist die öffentlich geführte Auseinandersetzung, die es erlaubt, anhand lokaler Gegebenheiten breitenwirksam antifaschistisches Bewusstsein zu schaffen. Das „formelle“ Ziel der Debatte muss stets ein politischer Willensakt sein, der die Bedeutung des jeweiligen NS-Symbols umkehrt und letztlich zur ersatzlosen Beseitigung solcher „brauner Flecken“ führt.

Die KPÖ tritt als Teil der antifaschistischen Bewegung dafür ein, den Rechtsextremismus in jeder seiner Formen konsequent zu bekämpfen, insbesondere auch in der Form solcher NS-Symbole. Ein erster Schritt dahin ist die Erfassung und Veröffentlichung und damit öffentliche Debatte über die immer noch vorhandenen „braunen Flecken“. Davon ausgehend wird die KPÖ entsprechend ihren Möglichkeiten in den betroffenen Gemeinden Initiativen zur Beseitigung „brauner Flecken“ entwickeln.

KPÖ-Bundesausschuss 22. Februar 2007

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