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Alternativen zur neoliberalen Regierungspolitik entwickeln

  • Samstag, 27. Januar 2007 @ 11:10
Österreich Von Leo Furtlehner

Seit gut zwei Wochen haben wir nun eine neue Regierung. Endlich meinen manche, nachdem über drei Monate lang verhandelt wurde. Andererseits konnten die Parteien in dieser Zeit wenigstens nicht viel anrichten, was mit dem Regierungsantritt nach einem Blick in das Koalitionsabkommen anders wird. Das Resümee über das Regierungsabkommen ist im wesentlichen der Verzicht der SPÖ auf zentrale Wahlversprechen wie Abschaffung der Studiengebühren, Stornierung der Eurofighter oder eine Rücknahme der Pensionsreform sowie der Verzicht auf alle wichtigen Schlüsselministerien um den Preis des Kanzlers. De facto können wir von einem SPÖ-Kanzler einer ÖVP-Regierung sprechen.

Das bemerkenswerteste ist das Abrücken der SPÖ auf ihre wesentlichen Wahlversprechen. Der Skandal ist aber nicht so sehr der Bruch derselben, sondern deren Plakatierung und Verkündung im Wahlkampf. Die Wahlversprechen waren nämlich nicht Gusenbauers Programm, sondern nur Mittel zur Mobilisierung im Wahlkampf. Gusenbauer setzt dort fort, wo Klima 2000 aufgehört hat, er steht politisch der ÖVP näher als der eigenen Basis bzw. der Linken in SPÖ. Wie die „Presse“ treffend schreibt ist er ein „Pragmatiker der Mitte“. Die jüngste Debatte um die Strache-Fotos und die Schützenhilfe Gusenbauers für Strache zeigen zudem, dass sich die SPÖ auch die FPÖ als möglichen Partner für künftige Koalitionen offen halten will.

Wir ordnen das Koalitionsabkommen in die Kontinuität der vorherigen rotschwarzen Koalition von 1986 bis 2000, aber auch der schwarzblau/orangen Regierung von 2000 bis 2006 ein. Das vorliegende Regierungsprogramm ist eigentlich keine Überraschung, wenn man sich verschiedene Gusenbauer-Zitate der letzten Jahre, etwa gegen die Rücknahme von Privatisierungen oder anderen Maßnahmen der vorigen Regierung vor Augen führt.

Obwohl die Kluft zwischen arm und reich immer stärker auseinanderklafft, ist eine Umverteilung kein Anliegen der neuen Regierung. SPÖ-Finanzstaatssekretär Matznetter erklärte sogar explizit, dass eine „Vermögenssteuer für die SPÖ kein Thema“ ist. Auch die Steuerprivilegien der Privatstiftungen bleiben aufrecht, die Senkung der Körperschaftssteuer der Kapitalgesellschaften und die Gruppenbesteuerung wurden von der SPÖ akzeptiert, ebenso wie die Pensionsreform und die Umfärbung von ÖBB und Hauptverband.

Zwischen SPÖ und ÖVP besteht demonstrative Einigkeit in wesentlichen Grundfragen:
• So etwa in der EU-Politik, wo die 2005 gescheiterte Verfassung mit den Kernpunkten Militarisierung und Neoliberalismus neu aufgelegt werden soll.
• Einigkeit besteht in der Asylpolitik, wobei anzumerken ist, dass die SPÖ bereits als „Oppositionspartei“ im Jahre 2005 das Fremdenrechtspaket mitbeschlossen hat.
• Auch in der Budgetpolitik sind sich die beiden Parteien voll und ganz einig, der Stabilitätspakt und das Nulldefizit sind unumstritten, die Auswirkungen in Form von Gebührenerhöhungen, Sozialabbau, Ausgliederungen und Privatisierungen öffentlichen Eigentums stehen auch in den nächsten Jahren an.
• Einigkeit besteht auch bei neuen Belastungen wie Erhöhung der Mineralölsteuer, der Krankenversicherungsbeiträge und aller Gebühren.
• Und schließlich sind sich SPÖ und ÖVP auch bei den Restriktionen gegen Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen einig, wie ein genauerer Blick auf die Mindestsicherung und andere Inhalte des Koalitionsabkommens zeigt.

Auffallend bei der Politik Gusenbauers ist auch der Aspekt der Entsolidarisierung unter dem Stichwort einer „neuen Gemeinsamkeit“, wie etwa die berühmt-berüchtigte „Sozialarbeit“ anstelle der Studiengebühren beweist. Diese Idee basiert offensichtlich auch darauf, dass von vielen PensionistInnen, ArbeiterInnen usw. die nicht davon betroffen sind Verschärfungen für Studierende durchaus akzeptiert werden. Auch die geplante Volksabstimmung zur Finanzierung der Pflege, die wohl auf die Legitimierung einer allgemeinen Pflegeversicherung hinausläuft, ist ähnlich zu sehen.

Gusenbauer versucht den Solidaritätsbegriff entsprechend seinem Ausspruch einer „solidarischen Hochleistungsgesellschaft“ im neoliberalen Sinne umzudefinieren um damit soziale Grauslichkeiten zu legitimieren und von der Kernfrage, nämlich der Notwendigkeit einer Umverteilung abzulenken. Das bestätigt auch sein Sager einen „unverkrampfter Zugang zur Leistung“ zu haben und wir sollten diesen Leistungswahn viel stärker als bisher hinterfragen.

Der Widerspruch zwischen den Erwartungen im Wahlkampf und den Realitäten des Koalitionsabkommens ist krass. Der Bruch der Wahlversprechen ist aber auch in Hinblick auf von der Politik selbst geschaffene Sachzwänge zu sehen. Wurde früher das Budget als die in Zahlen gegossene Politik definiert, so besteht heute Politik nur mehr in dem, das was Budget zulässt. Der Hintergrund sind immer größer werdende Sachzwänge, die etwa aus der Abgabe politischer Kompetenzen an die Europäische Zentralbank als Hüter des Euro und damit der Budgetpolitik resultieren. Die EZB ist bekanntlich weisungsfrei gegenüber der Politik, sicher aber nicht gegenüber den „Einflüsterungen“ der Konzerne.

Das alles ist freilich auch vor dem Hintergrund einer umfassenden neoliberalen Hegemonie zu sehen, die Auswirkungen des jahrelangen Trommelns von Politik, Medien, Experten und Wirtschaft mit Schlagworten wie etwa dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten könnten oder über unsere Verhältnisse gelebt hätten, ist nicht zu unterschätzen und wir sind gefordert uns damit auseinanderzusetzen.

Bisher wurden Wahlversprechen immer erst während der Regierungsperiode gebrochen, neu ist, dass nun wesentliche Wahlversprechen bereits vor Antritt einer neuen Regierung gebrochen wurden. Nicht neu sind Proteste gegen eine neue Regierung, neu ist jedoch, dass die wesentlichen Proteste aus der eigenen Parteibasis einer Regierungspartei, nämlich der SPÖ kommen. Das beweisen der massive Protest der Parteijugend, der Austritt von Blaha (ÖH) und Kuba (VSStÖ) aus der SPÖ, die Distanzierung des VSStÖ Salzburg von der SPÖ oder dass in Linz bei einer von SJ und VSStÖ organisierten Demonstration gegen die Regierungspläne Spitzenpolitiker wie SPÖ-Landeschef Erich Haider oder der Linzer Bürgermeister Dobusch mitgehen.

Auffallend ist auch der Widerspruch, dass einerseits jetzt eine Seilschaft ehemaliger SJ-FunktionärInnen das SPÖ-Regierungsteam stellt und gleichzeitig der sich gerne als „Volkskanzler“ gebärdende Gusenbauer als „Abkanzler“ agiert und die Proteste der heutigen SJ als „Kommunisten“, „gewaltbereite Jugendliche“ oder „Bummelstudenten“ abkanzelt. Vor zwanzig Jahren hätte Sozialminister Buchinger laut eigener Aussage gegen Studiengebühren und Mindestsicherung demonstriert, heute meint er „In jungen Jahren hätte ich das alles auch kritisiert. Aber man wird im Alter reifer, da sieht man die Dinge anders“. Es gibt allerdings auch massive Bestrebungen die KritikerInnen in der SPÖ zu halten, wie etwa die Plattform „Wir sind SPÖ“ oder eine ähnliche Einrichtung des ehemaligen GPA-Vorsitzenden Sallmutter, so dass ein wesentlicher Teil der Proteste wohl auch ein Akt der politischen Psychohygiene zu bewerten ist.

Die Proteste von Länderchefs wie Voves in der Steiermark oder Haider in Oberösterreich sind wohl auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass diese bei der Ministerauswahl zu kurz gekommen sind oder dass sie im Falle Haiders Haider auch zur weiteren Glaubwürdigkeit in Bezug auf seinen Frontalkurs gegen die schwarzgrüne Koalition in Oberösterreich notwendig ist.

Bemerkenswert ist auch die SPÖ-interne Kommunikation, wie sie etwa am Fall Voves deutlich wurde. Bei der Ministersuche bei Nacht und Nebel wurde einmal mehr der autoritäre Stil des neuen Kanzlers, bekannt durch Aussprüche wie „Im Zweifelsfall gilt Wort des Parteivorsitzenden“ deutlich. Während Gusenbauer in den Medien ein präpotentes Selbstbewusstsein mit Aussagen wie „Ja, natürlich war es ein Kinderheitstraum. Jetzt kann ich das machen, was ich immer wollte“ ähnlich wie seinerzeit Schröder in Deutschland demonstriert, gibt sich sein Vizekanzler Molterer bewusst demütig und meint „Karriereplanung in der Politik ist das Dümmste, was man machen kann“.

Es wäre falsch die Proteste auf der Straße und jene in Gremien gegenüberzustellen, wichtig ist die Wechselwirkung zu sehen. Viel wichtiger als ein kurzfristig lautstarker Protest der schon bemerkbar abklingt, ist ein längerfristiges Brodeln unter der Decke, das sich bei der Konkretisierung des Regierungsprogramms in der SPÖ-Basis und vor allem bei den Gewerkschaften bemerkbar machen wird, wie uns bekanntermaßen auch die Erfahrungen in der Zeit von 1986 bis 2000 gezeigt haben. Hier kann und muss die KPÖ einhaken, unsere Präsenz und entsprechende Initiativen in Betrieben, Gewerkschaften, Gemeinden, Hochschulen oder Kulturinitiativen usw. ist daher wichtig.

Der Aufruf von Melina Klaus und Mirko Messner an unzufriedene SPÖ-Mitglieder und kritische WählerInnen die eigentlich schon KPÖ wählen wollten, dann aber wegen Argument der „verlorenen Stimme“ zurückgeschreckt sind und wieder SPÖ gewählt haben soll freilich nicht verkürzt als bloße Aufforderung der KPÖ beizutreten gesehen werden. Vorrangig geht es darum, RegierungskritikerInnen vorzuschlagen gemeinsam über Parteigrenzen hinweg Aktivitäten und Initiativen gegen unsoziale Regierungsmaßnahmen zu entwickeln.

Das politische Gewicht der Gewerkschaften hat sich bei diesen Regierungsverhandlungen im Vergleich zu früheren drastisch reduziert, womit sich die mit dem BAWAG-Skandal virulent gewordene Krise des ÖGB bestätigt. Es gibt eine sichtliche Entfremdung zur SPÖ, die durch den Umgang von Gusenbauer mit den SPÖ-GewerkschafterInnen ausgelöst wurde. Erst wollte er Hundstorfer ins Parlament hieven, dann hat er zur Schadensbegrenzung in der Causa BAWAG verordnet, dass keine SpitzengewerkschafterInnen mehr ins Parlament kommen sollten. Auch dass nicht mehr wie bei früheren großkoalitionären Verhandlungen üblich der ÖGB fast selbstverständlich den Sozialminister stellte und GPA-Chef Katzian das Angebot Staatssekretär zu werden ablehnte, spricht für dieses reduzierte Gewicht des ÖGB.

In der Einschätzung des Koalitionsabkommens fällt die Kritik des ÖGB wesentlich moderater aus als jene der GPA. Während der ÖGB trotz mancher Kritik von deutlichen Veränderungen spricht, konstatiert die GPA „nur Korrekturen, aber keinen Kurswechsel“.

Die Regierungsbildung fand auch beim 16. ÖGB-Bundeskongress ihren Niederschlag, wobei als Resümee festgestellt werden muss, dass die durch die BAWAG-Krise ausgelöste Chance zu einer gründlichen Reform nicht genützt wurde. Der ÖGB bleibt weiter eine Gewerkschaft der FunktionärInnen statt eine der Mitglieder zu werden. Weiterhin gilt Stellvertreterpolitik von oben statt Mobilisierung von unten. Es gibt auch keine Absage an die Sozialpartnerschaft, im Gegenteil wurde diese bekräftigt und auch durch die Zustimmung zum Koalitionsabkommen untermauert. Und strukturell bedeutet der Kongress eine Stärkung der Teilgewerkschaften auf Kosten eines einheitlichen ÖGB, welche durch die beschlossene Teilrechtsfähigkeit möglich wurde und durch die Konflikte im Gefolge der Nichtwahl von GÖD-Chef Neugebauer auch schon Konturen angenommen hat.

Als Resümee des Kongresses kann festgestellt werden, dass der Widerspruch zwischen der Notwendigkeit einer unabhängigen, offensiven, einheitlichen Gewerkschaft und der Fortsetzung der Ein- und Unterordnung unter Regierung und Kapital damit noch vergrößert wurde. Aus den Erfahrungen der Reformdiskussion im Vorjahr konnten an den Kongress keine hohen Erwartungen gestellt werden. Bezeichnend ist auch, dass die Debatte beim Kongress überwiegend von der Opposition (UG, GLB…) dominiert war und die FSG-Mehrheit nach dem Motto „Lasst sie reden, entscheiden tun wir“ agierte, wobei es allerdings auch aus der FSG einzelne recht kritische Wortmeldungen gab.

Das Ergebnis des Kongresses bedeutet eine inhaltliche Zementierung durch die Mehrheit, personell aber einen Ausdruck des Unmuts durch einen Denkzettel für Csörgits und Neugebauer, die nicht gewählt wurden. Wir sehen das als Bestätigung für die Auffassung, dass schon vor 2006 führende Repräsentanten des alten Kurses nicht mehr hätten kandidieren sollen und die Trennung von Spitzenfunktion und Parlamentsmandat notwendig ist, bekanntlich trifft für Csörgits und Neugebauer beides zu. Das Wahlergebnis kann aber auch als Denkzettel aus dem FSG-Bereich gegen die neue Regierung bewertet werden.

Die Linie der KPÖ zum Koalitionsabkommen und zur künftigen Regierungspolitik ist eine sachliche, aber konsequente Argumentation. Eine Reduzierung auf Verrat, Lüge, Betrug etc. geht am Problem vorbei und ist nur Ausdruck politischer Hilflosigkeit. Die KPÖ will sachlich analysieren, grundsätzliche Aspekte betonen, und Alternativen aufzeigen. In diesem Sinne erfolgten auch die Erklärung des Bundesausschusses vom 11. Jänner zur Regierungsbildung und die Auflistung der wichtigsten Maßnahmen des Regierungsprogramms mit Darstellung unserer Gegenpositionen als Teil der Entwicklung eines linken Gegenprojekts zur neoliberalen Politik.

Dabei versuchen wir auch, diese Auseinandersetzung mit konkreten Aktionen zu verbinden. Am 22. Jänner wurden über 1.800 Unterstützungserklärungen für unsere Online-Aktion gegen die Studiengebühren bei den Parlamentsklubs von SPÖ und Grünen übergeben. Die Unterstützung für diese Aktion ist für unsere Verhältnisse groß, die Aktion ist ein Beispiel wie wir Signale setzen und damit auch unsere sozialpolitische Kompetenz vermitteln können. Die Unterschriften für unsere im Wahlkampf gestartete Petition „Euro-Millionenvermögen besteuern“ werden am 8. Februar an Parlamentspräsidentin Prammer zur Behandlung im Petitionsausschuss des Nationalrates übergeben.

Die KPÖ hat unter dem Motto „Es ist genug für alle da“ das Thema Umverteilung zum Schwerpunkt des Wahlkampfes gemacht und wir haben nach dem für uns erfolgreichen Wahlergebnis beschlossen, diesen Themenschwerpunkt auch nach Wahl weiterzuführen. Jetzt geht es darum, diese Thematik als Alternative zum Regierungsprogramm zu präzisieren, wobei wir von einem weitgehenden Begriff von Umverteilung ausgehen, der nicht nur Steuern, sondern auch Einkommen, Arbeitszeit, Ressourcen usw. umfasst. Wir wollen dabei die Verbindung radikaldemokratischer Reformen und einer Infragestellung und Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft erreichen, wozu auch das vorliegende Diskussionspapier dienen soll.

Konkret geht es darum, Einfluss auf die politische Debatte zu nehmen, zur Entwicklung außerparlamentarischer Bewegungen und Proteste beizutreten. Damit wollen wir das sozialpolitische Profil der KPÖ weiterentwickeln, unsere Glaubwürdigkeit stärken, einen Beitrag zur Parteientwicklung und Kampagnenfähigkeit unserer Partei leisten und dieses Thema auch zum Schwerpunkt des 34. Parteitages verbunden mit der Erarbeitung eines Aktionsprogramms machen.

Referat von Leo Furtlehner bei der Sitzung des KPÖ-Bundesvorstandes am 27. Jänner 2007

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