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Ausverkauf mit Vorgeschichte…

  • Sonntag, 30. September 2007 @ 08:00
Kapital Immer wieder kommt aus den Kreisen der SPÖ Kritik am Ausverkauf österreichischer Unternehmen, insbesondere solcher die früher im staatlichen Besitz waren. So etwa vom oö SPÖ-Landeschef Erich Haider oder von sozialdemokratischen GewerkschafterInnen. Aktuell wurde diese Kritik im Zusammenhang mit der Schließung der Linzer Tabakfabrik laut.

Eine auf die sieben Jahre schwarzblau/oranger Regierung reduzierte Kritik am Ausverkauf von Staatsvermögen „entsorgt“ recht elegant die Vorgeschichte der bereits Ende der 80er Jahre begonnenen Privatisierungspolitik. Diese aber hat System und Methode und wurde vom früheren Verstaatlichtenminister und ÖIAG-Chef Rudolf Streicher mit dem Ausspruch „Unser Katechismus ist das Aktienrecht“ auf den Punkt gebracht, den SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bereits 2002 treffend mit „Es wird keine Privatisierung rückgängig gemacht” ergänzte. Um den Überblick im umfangreichen Geflecht ehemals im öffentlichen Eigentum stehender Unternehmen nicht zu verlieren, beschränkt sich die nachstehende Geschichte des Ausverkaufs auf die wichtigsten Konzerne bzw. Unternehmen.

Kernstück ÖIAG-Bereich

Den Hauptbereich der Privatisierungen betrifft zweifellos die ehemalige im Auftrag der Regierung von der ÖIAG verwaltete Verstaatlichte. Ein Ausgangspunkt für deren Zerschlagung war die Übernahme neoliberaler Politikmuster unter dem Motto „Mehr privat, weniger Staat“. Diese wurden nicht nur von der ÖVP, sondern auch von der SPÖ verinnerlicht, nachdem sich die beiden Parteien ab 1986 zu einer großen Koalition zum EU-konformen Umbau Österreichs zusammenfanden. Dass im Avis der damaligen EG zum österreichischen Beitrittsansuchen von 1989 neben Neutralität, Transit und Landwirtschaft der hohe Staatsanteil als Hindernis festgestellt wurde, schaffte die politische Legitimation für das größte Privatisierungsprogramm der zweiten Republik.

Bereits 1987 und 1989 wurde mit Börsegängen der OMV eine Bresche in das verstaatlichte Eigentum geschlagen, welcher die Übernahme von 20 Prozent durch den Ölkonzern IPIC (Abu Dhabi) 1994 und ein weiterer Börsegang 1996 folgten, allerdings sind im Unterschied zu anderen Unternehmen heute immerhin noch 31,5 Prozent der OMV im Besitz der ÖIAG. Ebenso wurden bereits 1988 durch einen Börsegang die Austrian Airlines teilprivatisiert, aus Haftungsgründen die mit Regeln des internationalen Flugverkehrs zusammenhängen hält die ÖIAG aber immer noch einen Restanteil. Zeitgleich wurde auch die Mehrheit der Flughafen Wien Betriebsgesellschaft via Börse privatisiert.

Am 11. Jänner 1986 demonstrierten in Linz 40.000 und in Leoben 15.000 Menschen für den Erhalt der Verstaatlichten und Gemeinwirtschaft. Erschrocken über soviel Engagement setzten Gewerkschaften und SPÖ auf die Taktik der kleinen Schritte, die in den Folgejahren systematisch durchgezogen wurde. 1988 wurde die Voest-Alpine – in den 70er Jahren zu einem Weltkonzern ausgebaut und Kernstück der ÖIAG – in drei Bereiche zerschlagen: Die VA-Stahl wurde dann ab 1995 durch einen Börsegang teilprivatisiert, 2003 wurde die Privatisierung abgeschlossen. Heute sind 42 Prozent der voestalpine im Auslandsbesitz, vorwiegend Pensionskassen aus den USA, Großbritannien und Deutschland.

Die VA Tech wurde bereits 1994 an die Börse gehievt, kam vorübergehend in den Mehrheitsbesitz des Industriellen Mirko Kovats der sich dabei eine goldene Nase verdiente und wurde 2005 vom deutschen Siemens-Konzern übernommen. Und die MCE als dritter Sektor wurde vom Industriellen Andlinger übernommen, der sie 2006 an die Deutsche Beteiligungsgesellschaft weiterverkaufte. Über Börsegänge oder direkte Übernahmen wurden auch die zum Voest-Konzern gehörenden Unternehmen VA Eisenbahnsysteme (1992-94), VA Intertrading (1995), VA Steinel (1995), VA Bergtechnik (1996), VA Medizintechnik (1996) und die Wohnungsgesellschaft GIWOG (1996) privatisiert.

Wesentlich rascher ging die Privatisierung der AMAG in Ranshofen vonstatten: Vom vormaligen als Wunderknaben hochgejubelten Generaldirektor Robert Ehrlich angeblich in den Bankrott gewirtschaftet wurde sie 1996 um einen symbolischen Schilling verschenkt. Für die neuen Eigentümer (je 40 Prozent GD Hammerer und die Constantia-Holding, 20 Prozent eine Mitarbeiterstiftung) war die AMAG freilich schon kurz nach der Privatisierung wieder hochprofitabel. Ein bis heute aufklärungswürdiger Vorgang. Die zum Konzern gehörende Berndorf AG war schon 1988 durch ein Management-buy-out (MBO) an deren Chef Zimmermann verkauft worden.

Fachgerecht filetiert wurde auch die zur ÖIAG gehörende Chemie Linz AG: Der Pharmabereich wurde als CL Pharma bereits 1990 vom norwegischen Konzern Nycomed übernommen. Der Düngemittelsektor AMI (Agrolinz Melamine International) je zur Hälfte von der bereits teilprivatisierten OMV und deren Beteiligungsgesellschaft IPIC (Abu Dhabi), die sie 2007 zwecks „Konzentration auf das Kerngeschäft“ an Borealis abgeben wollen. Der ebenfalls von der OMV übernommene Feinchemiesektor Chemie Linz wurde 1996 an den niederländischen Konzern DSM, die Petrochemie Danubia 1998 an den dänischen Konzern Borealis abgegeben.

Systematisch für private Eigentümer aufbereitet wurden auch die Vereinigten Edelstahlwerke (VEW) mit Standorten in Kapfenberg, Ternitz und im Ybbstal. Über Börsegänge in den Jahren 1995 und 1996 gelangte der Kernbereich des hochspezialisierten, von Claus Raidl, Wirtschaftsberater von Kanzler Schüssel, geleiteten Unternehmens in Privatbesitz, dominierender Minderheitseigentümer ist der Familienclan Fries. Die Schoeller-Bleckmann Medizintechnik wurde 1990 an die deutsche MMM-Gruppe, die Böhler Pneumatik 1993 als MBO an den bisherigen Chef Glatzmeier, die Schoeller-Bleckmann Edelstahlrohre 1995 ebenfalls als MBO an Prebsche, die Schoeller-Bleckmann Oilfield 1995 an Berndorf und die Schoeller-Bleckmann Apparatetechnik 1996 an Nooter (USA) und ein MBO verkauft.

Die Schiffswerften ÖSWAG in Linz und Korneuburg wurden 1995 an die Auricon-Holding des Tiroler Industriellen Liaunig verkauft. Bereits 1992 und 1993 wurde die SGP-Verkehrstechnik vom deutschen Siemens-Konzern übernommen. 1994 übernahm Androsch mit seinen Partnern Zoidl und Dörflinger die für sanierungsreif erklärte AT&S in Leoben-Hinterberg als Schnäppchen und machte mit der Leiterplattenproduktion durch den Handy-Boom das große Geld.

Fachgerecht zerlegt wurde auch die 1996 aus dem Bundesbudget ausgegliederte Post: Bei der Telekom und deren Tochter Mobilkom stieg bereits 1994 die italienische Telecom ein, 2000 wurde durch einen Börsegang weiter privatisiert. Die Postbus AG wurde nach einer Verselbständigung 2002 von den ÖBB übernommen. Die PSK wurde 2000 an die BAWAG verkauft. Die der ÖIAG zugeordnete Post AG wurde 2006 per Börsengang zu 49 Prozent teilprivatisiert – mit dem ausdrücklichen Segen von SPÖ-Chef Gusenbauer und der Gewerkschaftsführung.

Der Bankensektor

Ähnlich wie im ÖIAG-Bereich war auch das Schicksal der staatlichten Banken und ihrer Industriebeteiligungen: Die „rote“ weil im Besitz der Stadt Wien befindliche Länderbank wurde mit der Zentralsparkasse fusioniert und in Bank Austria umbenannt, die wiederum 1997 zum Unbehagen der ÖVP die „schwarze“ Creditanstalt-Bankenverein (CA) schluckte und zur BA-CA wurde. Bereits 1991 stiegen bei der Bank Austria die Westdeutsche Landesbank und die italienische Banca Intesa mit Minderheitsbeteiligungen ein. Im Jahre 2000 verkaufte die Stadt Wien ihre Anteile an der BA-CA mitsamt deren Industriebeteiligungen (Porr, Lenzing) an die deutsche HypoVereinsbank, welche sie wiederum im Jahre 2005 an den italienischen Konzern UniCredit verkaufte.

Bereits 1985 wurde unter dem damaligen CA-Chef Hannes Androsch die Semperit AG an den deutschen Continental-Konzern verkauft und zu einer verlängerten Werkbank degradiert. Die ebenfalls zur CA gehörende Steyr-Daimler-Puch AG wurde Ende der 80er Jahre nach dem bereits geschilderten Muster der Voest-Alpine für den Ausverkauf filetiert: Schon 1987 wurden der Nutzfahrzeugsektor SNF an den deutschen MAN-Konzern und der Kugellagersektor SKF an den schwedischen SKF-Konzern verkauft. 1998 folgte der Verkauf des Rüstungsbereichs SSF an den früheren Manager Malzacher und des Landmaschinensektors an den US-Konzern Case. Die Gießerei wurde an das deutsche Unternehmen St.Leon-Roth verkauft.

Der als SAT verleibende Traktorbereich wurde schließlich 1998 an den Magna-Konzern des Austro-Kanadiers Frank Stronach verkauft, der aber nur am Standort Graz interessiert war und den traditionsreichen Standort Steyr im Jahre 2000 an den deutschen ZF-Konzern weiterverkaufte.

Direkte Privatisierung vom Staat

Auch wo der Bund direkt und nicht über den Umweg der ÖIAG Eigentümer war, wurde massiv privatisiert: Die Austria Tabak als jahrzehntelanger „Goldesel der Republik“ wurde bereits 1997 durch einen Börsegang teilprivatisiert, 2001 übernahm der britische Gallaher-Konzern alle Anteile, verkaufte aber 2006 das Unternehmen an Japan Tobacco weiter. Die Salinen AG wurde 1996 als Schnäppchen an ein Konsortium (je 47,5 Prozent Hannes Androsch und Raiffeisen Landesbank Oberösterreich, 5 Prozent Management) verkauft. Die DDSG wurde 1995 an den deutschen Stinnes-Konzern verkauft. Geradezu paradox ist die Privatisierung des staatlichen Glücksspielmonopols: Die Lotterien AG wurde nämlich an ein Konsortium von Casinos Austria (34 Prozent), BAWAG-PSK (34 Prozent), Lotto-Toto-Gesellschaft (26 Prozent) und ORF (6 Prozent) verkauft.

Bereits 2001 wurde die Gemeinnützigkeit für die fünf Bundeswohnungsgesellschaften (62.000 Wohnungen zuzüglich 5,1 Mio. Quadratmeter unbebaute Grundstücke, 400 Gewerbeimmobilien und 23.000 Parkplätze) abgeschafft. 2004 wurden BUWOG, WAG, ESG und EBS an das „Österreich-Konsortium“ von Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Immofinanz, Wiener Städtische, OÖ Landesbank und OÖ Versicherung verkauft. Die WBG wurde an die BWS (Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft) veräußert.

Ein besonderes Objekt der Begierde für in- und noch viel mehr ausländisches Privatkapital ist der Energiesektor. Einen vollen Ausverkauf hat bis heute nur das 1947 auf Initiative des damaligen KPÖ-Energieministers Karl Altmann beschlossene zweite Verstaatlichtengesetz verhindert, das eine öffentliche Mehrheit in der Stromwirtschaft verlangt und nur mit Zweidrittel-Mehrheit aufgehoben werden kann. Auf die Aushebelung dieses Gesetzes zielte der 2006 vorläufig gescheiterte Vorstoß einer Fusion von Verbund und OMV, der allerdings bei einer Neuauflage einer großen Koalition und deren Zweidrittel-Mehrheit bald wieder politische Brisanz gewinnen könnte.

Bereits 1987 wurde der Verbund per Börsegang teilprivatisiert, mit dem Ergebnis, dass heute schon über sechs Prozent dem deutschen Atomkonzern EnBW gehören. Massiv eingestiegen ist das ausländische Energiekapital auch schon bei der Kärntner Energieholding, wo 2001 der deutsche Atomkonzern RWE 49 Prozent hält und bei der Energie Steiermark, wo 1997 der französische Atomkonzern EdF 25 Prozent übernommen hat. Schon 1989 wurden 49 Prozent der niederösterreichischen EVN teilprivatisiert – im Ergebnis gehören heute rund 30 Prozent der deutschen EnBW.

Gewerkschaft als Vorbild?

Ein besonderes „Ruhmesblatt“ für die SPÖ ist schließlich der Verkauf der ÖGB-eigenen BAWAG an den US-Fonds Cerberus zu Jahresende 2006: Damit musste nicht nur der Versuch via Kapitalspekulationen zu Geld zu kommen mit einem Milliarden-Desaster endgültig begraben werden, für den Spott über den „Fluch der Karibik“ sorgen die bürgerlichen Parteien und Medien.

Freilich hatte der ÖGB schon 1995 mit einer später wieder zurückgekauften 46-Prozent-Beteiligung der Bayrischen Landesbank im eigenen Wirkungsbereich den Ausverkauf eingeleitet. Ein Kernstück der Industriebeteiligungen der BAWAG, die Papierfabrik Steyrermühl, wurde bereits 1988 zu 20 Prozent an den deutschen Haindl-Konzern verkauft, der 1995 dann auch die restlichen 80 Prozent übernahm.

„Staat kein erstrebenswerter Unternehmer…“

Diese Bilanz zeigt, dass der Großteil der heute kritisierten Privatisierungen schon in der Ära der rotschwarzen Regierung von 1986 bis 2000 erfolgte. Damit entlarvt sich diese Kritik auch umgehend als warme Luft. Recht treffend haben die Bilanz zwei mittlerweile ins Out geratene SPÖ-Promis charakterisiert: „Die bisherigen Privatisierungsschritte bei den verstaatlichten Unternehmen haben sich als positiv erwiesen…“ meinte der frühere ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch als Vorsitzender des Industrieausschusses des Parlaments noch im Jahr 2000.

Und von der AK-Wien kommende ÖIAG-Managerin, spätere Postbus-Chefin und heutige Personenverkehrschefin der ÖBB Wilhelmine Goldmann meinte 1996: „Das bisherige Privatisierungsprogramm der ÖIAG kann als überaus erfolgreich angesehen werden… damit ist auch die industrielle Zukunft der privatisierten Unternehmen besser abgesichert, als sie es in Staatseigentum wäre. Der Staat hat hinlänglich bewiesen, dass er Unternehmen nur schlecht führen kann … womit er auch aus diesem Grund kein erstrebenswerter Eigentümer ist.“ Na wenn das so ist, braucht uns nichts mehr zu wundern…

© Leo Furtlehner

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