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  • Donnerstag, 7. Dezember 2006 @ 18:59
Sozial Diskussionspapier über ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen

Warum wird über ein Grundeinkommen diskutiert?

Mit dem Übergang vom fordistischen zum neoliberalen Kapitalismus sind ein hohes Niveau von Massenarbeitslosigkeit und gleichzeitig eine wachsende Prekarisierung zum Normalzustand geworden. Der klassische „Normalarbeiter“ ist immer weniger typisch und daher kein ausreichender Maßstab für linke Politik.

Auch Vollbeschäftigung im Sinne von Vollzeitarbeit mit entsprechendem Verdienst und sozialer Absicherung – die es unter Berücksichtigung der fast ausschließlich von Frauen geleisteten unbezahlten Hausarbeit, Pflege, Kinderbetreuung etc. genau genommen nie wirklich gegeben hat – wird immer weniger, weil neben der Verlagerung arbeitsintensiver Bereiche in Billiglohnländer immer mehr Menschen von Teilzeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung, Werkverträgen, Beschäftigung als freie DienstnehmerInnen, Scheinselbständige usw. leben müssen oder wollen. Deutlich wird dies etwa auch dadurch, dass bereits mehr als die Hälfte der Selbständigen in Ein-Personen-Unternehmen tätig sind.

Das alles passiert vor dem Hintergrund einer enorm wachsenden Produktivität, weil immer mehr menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wird. Die durch Rationalisierung gewonnene Zeit kommt den Menschen aber nicht durch mehr Freizeit und kürzere Arbeitszeit zugute, sondern schlägt sich in Form einer Massenarbeitslosigkeit nieder. Auch schafft diese Verteilung der Produktivitätsgewinne eine immer ungerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen.

Während Löhne, Gehälter und Pensionen stagnieren und die Schere zwischen Männer- und Frauenverdiensten weit auseinanderklafft, explodieren Profite, Dividenden und Vermögen. Während die Lohnquote seit gut zwei Jahrzehnten laufend sinkt, steigt der Anteil von Kapital und Vermögen am Volkseinkommen. Während ein Teil der Beschäftigten ständig Überstunden leisten muss - mit dem Ergebnis dass Österreich die höchste reale Wochenarbeitszeit der EU aufweist – ist die Zahl der Erwerbsarbeitslosen enorm gestiegen. Immer mehr lohnarbeitende Prekarisierte – betroffen sind vor allem Frauen – müssen mehr als einen Job ausüben, um genug zum Leben zu haben oder wursteln sich von einem zeitlich begrenzten Projekt zum nächsten.

Die Folge dieser Entwicklung ist eine wachsende Prekarisierung verbunden mit steigender Armut, von welcher immer mehr Menschen betroffen sind. Gearbeitet wird aber unabhängig von Lohnarbeit, die eigentlich nur das Mittel zum Zweck darstellt. Vorrangig brauchen die Menschen nämlich nicht Arbeit, sondern Geld zum Leben, das ihnen durch Lohnarbeit immer weniger ermöglicht wird. Vor diesem Hintergrund wurde in den letzten Jahren die Diskussion um ein Grundeinkommen in den sozialen Bewegungen neuerlich aufgegriffen.

Was kann ein Grundeinkommen bringen?

Das wesentliche Motiv für ein Grundeinkommen ist, allen Menschen die Chance auf ein menschenwürdiges Leben unabhängig vom eventuellen Verlust der traditionellen Einkommensquelle durch Lohnarbeit zu verschaffen. Damit stellt ein Grundeinkommen eine Maßnahme gegen die zunehmende Armut dar und ist eine adäquate Antwort auf die wachsende Prekarisierung.

Gleichzeitig soll ein Grundeinkommen gewisse Zwänge wie etwa Auflagen des AMS, Rückzahlungspflichten bei Sozialhilfe etc. aufheben, durch welche die Empfänger unweigerlich in die Rolle von BittstellerInnen gezwungen werden. In diesem Sinne würde ein Grundeinkommen das Selbstwertgefühl der Menschen heben und auch mehr Freiraum zur Mitgestaltung des demokratischen Gemeinwesens schaffen.

Durch ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen würde die Möglichkeit geschaffen, die Annahme schlecht bezahlter, krankmachender Arbeiten oder unzumutbarer Arbeitsbedingungen zu verweigern. Dadurch wurde auch ein Druck für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen entstehen, weil sonst niemand diese Arbeiten machen würde. Somit würde die permanente kapitalistische Rationalisierung etwas von ihrem Schrecken in Form von Arbeitsplatzverlust usw. verlieren und damit auch die Lohnabhängigen und im weiteren Sinne die Gewerkschaften stärken.

Ein Grundeinkommen würde auch zur Sicherung der Kaufkraft für die gesamte Bevölkerung beitragen und damit die seit Jahren durch stagnierende oder sogar sinkende Löhne, Gehälter und Pensionen zurückbleibende Binnennachfrage beleben. Ähnlich dem Fordismus, der darauf beruhte, dass die hergestellten Produkte auch gekauft werden müssen und dafür entsprechende Einkommen notwendig sind würde ein Grundeinkommen somit auch zur Wirtschaftsentwicklung beitragen. Auch würde ein Grundeinkommen mehr Entfaltungsmöglichkeiten für Bildung, Eigeninitiative, Kreativität und Spontaneität bringen. Viele Menschen könnten sich damit auch Tätigkeiten unabhängig von kapitalistischen Zwängen im Sinne einer solidarischen Ökonomie widmen.

Was muss ein Grundeinkommen erfüllen?

Seine Funktion erfüllt ein Grundeinkommen nur dann, wenn es bedingungslos und existenzsichernd ist. Es muss für alle im Land lebenden Menschen gleich und ausreichend zur Befriedigung wesentlicher Lebensbedürfnisse sein und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern. Ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass ein solches Grundeinkommen ohne Bedingungen und Auflagen erfolgt. Daher weist ein Grundeinkommen über andere aktuell diskutierte Modelle wie einer bedarfsorientierten Grundsicherung etc. hinaus, weil diese Maßnahmen stets auf bestimmten Auflagen und damit Zwängen einer repressiven Bürokratie basieren.

Ein Grundeinkommen ist eine Gegenposition zur Politik von Sozialabbau, Privatisierung und dem Dogma der Regelung durch den Markt, die durch fiskalische Maßnahmen wie die Maastricht-Kriterien für eine nachhaltige Budgetpolitik und den Euro-Stabilitätspakt erzwungen werden. Ein Grundeinkommen stellt auch eine Gegenposition zur laufenden Entsolidarisierung und dem neoliberalen Credo einer Ellbogengesellschaft der Konkurrenz aller gegen alle und dem Marktdogma dar, welches behauptet, nur ein Billiglohnsektor könne die Arbeitslosigkeit verringern.

Worauf ist bei einem Grundeinkommen zu achten?

Ausgehend vom Leitsatz „Von Arbeit muss man leben können – und ohne Arbeit auch“ können Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzung, Mindestlöhne, Anhebung von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld auf die offizielle Armutsgrenze, ja sogar bedarfsorientierte Grundsicherung (allerdings ohne ihre repressiven Begleitmaßnahmen wie derzeit von SPÖ und ÖVP geplant) Schritte zu einem Grundeinkommen darstellen. Auch wenn ein Grundeinkommen als Ziel verfolgt wird, bedeutet dies nicht, dass wir nach dem Motto „Alles oder nichts“ andere Maßnahmen deswegen ablehnen.

Die Finanzierung eines Grundeinkommens muss durch eine entsprechende Steuerpolitik erfolgen, die wiederum auf der enorm steigenden Produktivität basieren muss. Die Steuerleistung des Kapitals muss so hoch sein, dass daraus ein Grundeinkommen für alle Menschen finanziert werden kann und somit ein menschenwürdiges Leben möglich ist. Darüber hinaus finden weiterhin der Kampf um entsprechende Löhne, Gehälter oder Pensionen entsprechend Qualifikation, Versicherungszeiten etc. sowie der Kampf für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt.

Die Höhe eines Grundeinkommen als Maßstab für ein menschenwürdiges Leben ist auch insofern wichtig, als es auch neoliberale Modelle von Kapitalseite gibt, welche mit einem Grundeinkommen darüber hinausgehende Sozialtransfers (Gesundheit, Pension, Unfall, Arbeitslosigkeit, Kindergeld etc.) ersetzen oder Lohndumping betreiben wollen.

Welche Einwände gibt es gegen ein Grundeinkommen?

Der Haupteinwand gegen ein Grundeinkommen lautet, dass damit niemand mehr arbeiten will und das „Sozialschmarotzertum“ unterstützt wurde. Damit wird gezielt verdrängt, dass derzeit die Besitzer großer Vermögen meistens nicht selber arbeiten sondern ihren Müßiggang als Lifestyle rechtfertigen und zudem immer weniger Steuern zahlen. Hinter dieser Befürchtung steht ein von Kirche und Kapital propagiertes und historisch überwiegend mit Zwang durchgesetztes Arbeitsethos nach dem biblischen Motto „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, das leider auch vielfach von der ArbeiterInnenbewegung kritiklos übernommen wurde.

Arbeit ist nicht grundsätzlich und ausschließlich mit Lohnarbeit gleichzusetzen. Ein großer Teil der Arbeit erfolgte immer schon unbezahlt durch Frauen (Hausarbeit, Pflege, Ehrenamt, Kinderbetreuung…), gehört aber mit zum Grundbedürfnis nach Gestaltung des eigenen Lebens und der Welt. Die Gleichsetzung von Grundeinkommen mit „Nichtarbeit“ wird deshalb auch der Wirklichkeit nicht standhalten. Arbeit ist auch nicht generell sinnvoll und nützlich, sie kann auch destruktiv sein, wie etwa in der Rüstungsindustrie.

Einwände die unter „sozialistischen“ Vorzeichen gemacht werden, dass auch eine sozialistische Gesellschaft sich nur mittels Arbeit reproduzieren und sich deshalb kein Grundeinkommen leisten könne, weshalb es auch unter kapitalistischen Bedingungen abgelehnt werden müsse, hängen der Vorstellung nach, Sozialismus bedürfe des Arbeitszwangs. Sozialismus beseitigt aber zunächst das Privileg, auf Grund des Besitzes von Nichtarbeit leben zu können.

Was gilt grundsätzlich zur Debatte über ein Grundeinkommen?

Im Artikel 25, Absatz 1 der UNO-Menschenrechtsdeklaration heißt es: „Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie, Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet; er hat das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter oder von anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.“ Davon abgeleitet gibt es ein elementares Recht auf Arbeit und Einkommen für alle Menschen das keineswegs an Pflichten gebunden ist.

Demzufolge ist ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum ein elementares Menschenrecht. Wenn von Gegenleistung und Pflichten die Rede ist, sind das unter kapitalistischen Bedingungen immer Pflichten gegenüber dem Kapital als Eigentümer der Produktionsmittel, dem die Lohnabhängigen nur ihre Arbeitskraft als Ware entgegenhalten können. Die Lohnarbeit als solche schafft aber keine soziale Sicherheit, diese wurde stets nur durch politische Kämpfe erreicht und wird jetzt unter neoliberalen Bedingungen sukzessive wieder abgebaut.

Wie ein Grundeinkommen durchsetzen?

Das „Kerngeschäft“ der Gewerkschaften ist der Kampf um höhere Löhne. Daher will das Kapital unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus zur Profitmaximierung den über hundert Jahren erkämpften Einfluss der Gewerkschaften zurückdrängen. Die Forderung nach einem Grundeinkommen stärkt dagegen die Gewerkschaften, deren Verhandlungsmacht durch wachsende Arbeitslosigkeit und Prekarisierung geschwächt wird.

Ein Grundeinkommen ist kein fertiges Rezept, sondern eine Orientierung, zu welcher ein entsprechender Diskussionsprozess, verbunden mit einer ideologischen Auseinandersetzung mit der neoliberalen Marktlogik, notwendig ist. Bislang ist das Wissen über die Bedeutung jedoch viel zuwenig verankert und daher noch nicht mehrheitsfähig. Dieser Prozess beginnt mit einer entschiedenen Zurückweisung von Lohndruck, Sozialabbau und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Erhaltung und des Ausbaus sozialer Rechte und der öffentlichen Grundversorgung.

In einer von einem gnadenlosen Standortwettbewerb des Kapitals bestimmten globalisierten Welt werden einzelstaatliche Lösungen immer weniger möglich. So wie die Abwehr der Angriffe auf soziale Errungenschaften zunehmend eine verstärkte internationale Kooperation von Gewerkschaften, Sozialbewegungen und Linksparteien erfordert, ist auch die Durchsetzung sozialer Rechte wie eines Grundeinkommens in wachsendem Maße nur als internationale Bewegung möglich. Die Debatte über ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen ist daher als Teil einer nationalen wie internationalen Bewegung zu verstehen.

Was kann ein Grundeinkommen nicht leisten?

Das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem basiert auf dem Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital. Ein Grundeinkommen hebt die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital nicht auf. Es stellt nur eine modifizierte und den heutigen Entwicklungen angepasste Form der Umverteilung des in der Produktion geschaffenen Mehrwerts dar.

Somit handelt es sich dabei um eine soziale Reform, ein Grundeinkommen allein bedeutet noch keine revolutionäre Veränderung. Es gilt, was für jede soziale Verbesserung gilt: In der Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen System können die Kräfte zu seiner Überwindung wachsen. Die grundsätzliche Infragestellung des kapitalistischen Systems und das Ziel seiner Überwindung in Richtung einer gerechteren Gesellschaft bleiben für die KPÖ unabhängig von einem auch unter kapitalistischen Verhältnissen möglichen Grundeinkommen aufrecht. Die Utopie einer anderen, sozial gerechteren Gesellschaft würde jedoch durch ein Grundeinkommen einen wichtigen Impuls erhalten.

KPÖ-Bundesausschuss 7. Dezember 2006

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