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Der andere 11. September

  • Dienstag, 11. September 2007 @ 08:00
Global Als bekannt wurde, dass am 11. September 1973 das faschistische Militär die Linksregierung von Salvador Allende in Chile weggeputscht hatte, war das für alle mit der Unidad Popular sympathisierenden Menschen auch in Österreich ein Schock.

Wenige Wochen vor dem 11. September 1973 war ich in Berlin/DDR bei den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten, wo das Interesse an der Entwicklung in Chile und die Solidarität mit der linken Regierung der Unidad Popular deutlich spürbar waren. Ich kann mich noch gut an ein Konzert der chilenischen Gruppe Quilapayun vor dem Palast der Republik erinnern, die dort zehntausende Menschen mit der Unidad Popular-Hymne „El Pueblo Unido“ beeindruckte.

Und damals hatte wohl niemand die Vorstellung, dass der 11. September 28 Jahre später, nämlich 2001, neuerlich zu einem Synonym für einen Bruch in der Geschichte werden sollte. Beiden Jahrestagen ist allerdings eines gemeinsam: Die USA waren mit ihrer Politik unübersehbar verstrickt in die damit verbundenen Entwicklungen.

1969 hatte sich die UP als Bündnis der Sozialistischen und Kommunistischen Partei Chiles sowie weiterer linker Gruppen gebildet, 1970 wurde sie mit 37 Prozent die stärkste Kraft im Parlament und Salvador Allende wurde als Präsident gewählt.

Mit diesem Sieg der „Volksfrontregierung“ unter marxistischen Einfluss in Chile wurde nach Kuba ein zweiter lateinamerikanischer Staat sozialistisch regiert. Dies schien die 1954 von US-Präsident Eisenhower postulierte Domino-Theorie zu bestätigen, wonach die Länder Südamerikas nach und nach wie Dominosteine dem Kommunismus unterliegen würden. Dieses Lateinamerika war aber bekanntlich von den USA seit Jahrzehnten immer als ihr „Hinterhof“ gesehen worden, wo ausschließlich sie das Sagen haben durften.

Die drei Jahre der Regierung Allende waren mit dem Anspruch eines chilenischen Weges zum Sozialismus verbunden. Das Programm der UP zelte vor allem auf die Verstaatlichung von Bankwesen, Kupferminen, Großindustrie, Kommunikation und die Enteignung der Großgrundbesitzer. Der Widerstand der US-amerikanischen Konzerne – ein Musterbeispiel dafür war der Mischkonzern ITT – gegen dieses Programm war von Anfang an vorhanden. Mit Unterstützung des Geheimdienstes CIA spannten sie ein Netz der Contras im Militär und den rechten Parteien zum Sturz Allendes.

Dem 11. September vorausgegangen waren ein Wahlerfolg der UP bei den Kommunalwahlen und damit die berechtigte Befürchtung der Rechten in Chile, dass sich die Regierung Allende durch ihre Politik soweit festigen könnte, dass sie auf parlamentarischen Wege für lange Zeit nicht mehr wegzubringen war. Daher die Entscheidung sie wegzuputschen. Die Drahtzieher arbeiteten dabei mit einer auch für das an Militärputsche gewohnte Lateinamerika unglaublichen Brutalität: Der Regierungspalast wurde gestürmt, zehntausende im Stadion inhaftiert und oft zu Tode gefoltert, Konzentrationslager nach Nazi-Vorbild in entlegenen Regionen Chiles eingerichtet, zigtausende mussten emigrieren.

Unmittelbar nach dem 11. September bildete sich in Österreich eine überparteiliche Chile-Solidaritätsfront, in der parteiübergreifend SozialistInnen, KatholikInnen, GewerkschafterInnen, KommunistInnen und parteiungebundene Menschen viele Jahre lang in Zusammenarbeit mit chilenischen EmigrantInnen Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit leisteten.

Chile wurde nach dem 11. September 1973 für einige Jahrzehnte zum Experimentierfeld der „Chikago Boys“, jener Ökonomen um Milton Friedman, die Chile und später weitere Länder Lateinamerika einer neoliberalen Rosskur unterzogen. Solange bis das damit angerichtete Desaster unübersehbar und der Widerstand dagegen so groß war, dass sich in den letzten Jahren ein linker Gegentrend bemerkbar machte, in Chile ebenso wie Brasilien, Venezuela, Uruguay, Argentinien usw. Hugo Chavez und Evo Morales stehen für diese Entwicklung und dabei mit ihrer Politik in der besten Tradition von Salvador Allende…

Leo Furtlehner

Beitrag für Programmheft zum Stück „Der Tod und das Mädchen“ der bühne04

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