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Wasser & Energie: Privatisierung = Irrweg

  • Samstag, 7. Juli 2007 @ 09:03
Kommunal Über internationale Erfahrungen mit der Liberalisierung und Privatisierung der Wasserwirtschaft und der Energieversorgung informiert die Werkstatt Frieden & Solidarität in einer Kampagnenzeitung:

London - 40 Prozent des Wassers versickert im Untergrund

1999 kaufte der deutsche Energieriese RWE die Wasserent- und -Versorgung im Großraum London mit rund 8 Millionen Kundinnen. Seither hat der Konzern kaum in die veraltete Infrastruktur investiert, um sich eine zweistellige Rendite zu sichern. 40 Prozent des Trinkwassers versickert im Untergrund (915 Millionen Liter jeden Tag). Bei starkem Regen sind die Abwassersysteme überlastet, sodass Abwässer direkt und ohne Klärung in die Themse abgelassen werden. Im Unterlauf ist die Themse dadurch bereits derart vergiftet, dass männliche Fische ihr Geschlecht ändern. Die Gebühren steigen kontinuierlich, in manchen Jahren wurde ein Viertel der Gebühreneinnahmen als Dividende an die Aktionäre ausgezahlt. In Großbritannien wurde in den ersten Jahren der Privatisierung über 21.000 Haushalten das Wasser abgesperrt, die Hepatitis A-Fälle haben sich verdoppelt.

Berlin - Preise rauf, Investitionen runter

In Berlin wurden 1999 49 Prozent der Wasserwerke an Private verkauft. Fazit: die Preise stiegen, Investitionen in die Infrastruktur blieben aus. Bisher wurde ein Sechstel der Beschäftigten entlassen, gleichzeitig wurde dem privaten Konsortium seitens der Stadt eine Gewinngarantie von 100 Mio. Euro jährlich vertraglich zugesichert. 1997 verkaufte Potsdam 49 Prozent seines Wasserbetriebs an eine Tochter des französischen Suez-Konzerns. Drei Jahre später trennte man sich wieder. Der Konzern wollte die Preise um mehr als das Doppelte anheben. Die Kündigung des Kooperationsmodells soll die Stadt 5 Mio. Euro gekostet haben. Auch im US-amerikanischen Atlanta wurde die Privatisierung der Wasserversorgung wieder rückgängig gemacht, nachdem sich die Wasserqualität schlagartig verschlechterte und es zu Rohrbrüchen kam, die oft monatelang nicht behoben wurden.

Nicaragua - Elektrische Energie wird zum Luxus

Die Privatisierung der Stromversorgung in Nicaragua erfolgte auf Druck von Weltbank und Internationalem Währungsfonds im Jahr 2001. Der spanische Konzern Union Fenosa konnte den staatlichen Stromversorger ENEL zu dem als niedrig geschätzten Preis von 115 Mio. US-Dollar erwerben. Seither sind die Preise in einem der ärmsten Länder der Welt stark angestiegen. Menschen, die keine 100 Dollar pro Monat verdienen, haben Rechnungen über 250 Dollar erhalten. Für viele Familien ist elektrische Energie ein Luxus, mehr als die Hälfte der 5 Mio. Einwohnerinnen sind nicht ans Stromnetz angeschlossen (in den Städten 40 Prozent, am Land sogar 80 Prozent). Die meisten Industrieprodukte und Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft sind teurer geworden, Preise für Grundnahrungsmittel erreichen inzwischen Rekordhöhen.

Wales - Landwirte müssen für Regenwasser zahlen

In Wales, wo wie überall in England die Wasserversorgung schon seit 1989 privatisiert ist, ging der dortige Konzern so weit, das Regenwasser mit in das Vertragspaket aufzunehmen. Die Farmer mussten plötzlich für das Regenwasser, das auf ihr Ackerland fällt, Abgaben bezahlen. Auch das unentgeltliche Auffangen von Regenwasser wurde verboten. Gerichtlich wurde festgelegt, bis zu welcher Höhe über bebautem Boden Regenwasser dem Wasserversorgungsunternehmen gehört. In Hubschrauberhöhe beispielsweise wäre es wieder erlaubt und man könnte es mit einem herausgehaltenen Kanister auffangen! In den Niederlanden wurde die Privatisierung des Wassers rasch wieder rückgängig gemacht, nachdem es zum Auftreten von Legionellen (= Erreger der Legionärskrankheit) im Wasser gekommen war. Seither ist das öffentliche Eigentum per Gesetz garantiert.

Kalifornien - Stromausfälle im Hochtechnologieland

Als erster Bundesstaat hat Kalifornien bereits Mitte der 90er Jahre den Strommarkt vollkommen liberalisiert. Argumentiert wurde mit mehr Effizienz und sinkenden Preisen. Eingetreten ist das Gegenteil: die Preise sind z. T. exorbitant gestiegen. Investitionen in die Netzsicherheit und den Kraftwerksneubau unterblieben. Die Folgen davon waren flächendeckende Stromausfälle und monatelange Stromknappheit im Hochtechnologieland Kalifornien. Die Stromkrise wurde von Firmen wie Enron durch „strategische Stilliegungen“ herbeigeführt, um den Preis in die Höhe zu treiben. Enron-Präsident Jeff Skilling 1997 auf einer Strategiekonferenz vor Managern: „Sie müssen die Kosten unbarmherzig senken, entlassen Sie. Sie müssen die Leute loswerden. Die vermasseln Ihnen nur das Ergebnis“.

Bolivien - ein Drittel des Einkommens für Wasser

2000 wurde auf Druck der Weltbank das Wasser in der Region Cochabamba privatisiert und an den US-Konzern Bechtel übergeben. Es gab keine Verpflichtung zur Versorgung ländlicher Gebiete, Gemeinden wurde untersagt, Brunnen zu bauen, ohne Sondererlaubnis wurde auch das Sammeln von Regenwasser unter Strafe gestellt. Ärmere Familien zahlten bis zu einem Drittel ihres Einkommens für das Wasser. Nach wütenden Protesten und tagelangen Straßenschlachten widerrief die Stadtverwaltung den Privatisierungsvertrag. Die Wasserversorgung in El Alto und La Paz wurde von Suez gekauft. Suez verlangt für einen Wasseranschluss umgerechnet vier Monatsgehälter, hunderttausende Menschen in den Armenvierteln sind ohne Wasseranschluss. Die Preise haben sich versechsfacht, da dem Konzern 12 Prozent Gewinn vertraglich zugesichert worden sind.

Südafrika - Tausende sterben an Cholera und Typhus

Seit der Privatisierung des Wassers in Südafrika wurde Hunderttausenden der Wasserhahn abgedreht. 2.000 Menschen sind in Durban an Cholera und Typhus gestorben, weil sie seit der Privatisierung im Jahr 2000 von der Wasserversorgung abgeschnitten sind und das Wasser aus öffentlichen Toiletten trinken mussten. In der indischen Provinz Bihar verkaufte die Regierung den Fluss Sheonath. Die Polizei verhaftete Leute, die dort baden, fischen, Kleider waschen und Felder mit dem Flusswasser bewässern wollten, denn das galt nun als Diebstahl. 100.000 Menschen protestierten so lange, bis der Privatisierungsvertrag zurückgenommen wurde. Im indischen Bundesstaat Kerala pumpt Coca Cola täglich 800.000 Liter Grundwasser für sein Kinley-Tafelwasser ab. Der Grundwasserspiegel ist dadurch rapid gesunken, viele Brunnen sind ausgetrocknet.

Schweden - Kohle und Atom statt Wasserkraft

Auch in Schweden leiden die Konsumentinnen nach zehn Jahren freiem Strommarkt unter hohen Preisen und Versorgungsproblemen: im Winter 2001 waren zehntausende Haushalte tagelang ohne Strom (Wasser und Wärme), weil die Reparaturtrupps für von Stürmen geknickte Leitungen eingespart wurden. Die Preise sanken nur vorübergehend. Seit der Markt bereinigt ist und drein Konzerne (Vattenfall, E.ON, Fortum) 90 Prozent der schwedischen Stromproduktion kontrollieren, geht´s bergauf. Im Winter 2001 stiegen die Strompreise um 40 Prozent. Dazu droht eine massive Versorgungskrise, weil die überwiegend im Ausland tätigen Konzerne nicht mehr in Schweden investieren. Auch um die Umwelt kümmert sich der freie Markt nicht. Die einst führende Wasserkraft ist auf Platz drei hinter Kohle und Atomstrom zurückgefallen.

Infos: http://www.werkstatt.or.at

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