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1946: Die Entwicklung der Verstaatlichten bis Anfang der 80er Jahre

  • Dienstag, 26. Juli 2016 @ 08:00
Geschichte Wiederaufbau – aber ohne deutsche Konzernherren!

Der zweite Weltkrieg hinterließ in Österreich zahlreiche „herrenlose“ Betriebe, also Betriebe, die ohne Besitzer oder Leitung dastanden. Viele von ihnen waren zudem durch Bombardierungen und Einwirkungen der Kriegshandlungen schwer zerstört. Unternehmer, die eng mit der deutschen Besatzungsmacht zusammengearbeitet hatten, waren aus Österreich vor der Roten Armee Richtung Westen geflohen. Dasselbe lässt sich erst recht von den Leitern jener Unternehmen sagen, die im Besitz des faschistischen deutschen Staates — vor allem die neugegründeten Rüstungsbetriebe in Oberösterreich — gewesen waren. Herrenlos verblieben weiters jene, die dem deutschen Privatkapital gehörten.

Doch die Arbeiter brachten die Produktion auch so in Gang, begannen von sich aus unter schwierigsten Bedingungen und ohne ausreichende Ernährung mit dem Aufbau. In den großen Industriezentren Österreichs erhoben die Arbeiter bereits im Juni 1945 die Forderung nach Verstaatlichung der Schwerindustrie. Kommunisten spielten dabei von Anfang eine bedeutende Rolle. Schon am 29. Juni 1945 fand in Donawitz unter Vorsitz des Bezirksobmanns der KPÖ, dem Partisanenführer Sepp Filz, eine Großkundgebung statt, auf der der kommunistische Staatssekretär für Innere Angelegenheiten, Franz Honner, zum Thema Faschismus und Wiederaufbau sprach. Die Versammlung beschloss abschließend eine Resolution, die an die provisorische Regierung in Wien adressiert war:

„Wir Arbeiter von Leoben und Donawitz wollen weiterhin alle unsere Kräfte zum Wiederaufbau unserer Betriebe einsetzen und sind zu allen Opfern bereit, wenn wir wissen, dass diese herrenlos gewordenen Nazibetriebe in unserem Interesse und im Interesse des gesamten österreichischen Volkes geführt werden. Deshalb fordert die versammelte Arbeiterschaft von Leoben und Donawitz die sofortige Verstaatlichung unserer Betriebe Hütte Donawitz und Bergwerk Seegraben. Darüber hinaus fordert die Versammlung im Interesse des freien demokratischen Österreich die Verstaatlichung der gesamten Großindustrie, die durchwegs in den Händen der deutschen faschistischen Großkonzerne war.“

Ähnliche Beschlüsse kamen im Verlauf des Jahres 1945 und in der ersten Hälfte des Jahres 1946 in vielen anderen bedeutenden Betrieben zustande, ebenso in Gewerkschaftskonferenzen und Betriebsräteversammlungen. Sie brachten alle die Bereitschaft der Arbeiter zum Ausdruck, für den Wiederaufbau der Betriebe, für die Normalisierung des wirtschaftlichen Lebens zu sorgen, Opfer zu bringen, aber auch den Wunsch, durch die Verstaatlichung der Großindustrie zu verhindern, dass große Teile der österreichischen Wirtschaft wieder in ausländische Hände kommen. Eine unabhängige politische Entwicklung Österreichs sollte gewährleistet sein.

Verhandlungen und Manöver

In den Wahlaufrufen zur Nationalratswahl 1945 bekannten sich alle drei Parteien, ÖVP, SPÖ und KPÖ, zur Verstaatlichung. Kommunisten und Sozialisten waren sich einig, dass sich der Wiederaufbau gar nicht anders als durch die Verstaatlichung der Groß- und Schwerindustrie, des Bergbaus, der Banken und Versicherungen vollziehen konnte. Auch die ÖVP konnte sich der Tatsache nicht entziehen. Sie schränkte allerdings ihre Zustimmung auf jene Betriebe und Wirtschaftszweige ein, die vom Privatkapital in der damaligen Situation nicht übernommen werden konnten. Die weitere Entwicklung entschied sich also nicht an der Frage ob verstaatlicht werden sollte oder nicht, sondern in welchem Umfang, und vor allem, welchen Inhalt die Verstaatlichung haben sollte.

In den Parteienverhandlungen, zu denen auch die KPÖ eingeladen wurde, nutzten die Kommunisten die Gelegenheit und überreichten ihr konkretes Verstaatlichungsprogramm. Es sollten verstaatlicht werden:

alle Unternehmungen beziehungsweise Betriebe des Bergbaues, der Erdölindustrie, der Hüttenindustrie, der eisenerzeugenden Industrie, die Metallwalzwerke und die aluminiumerzeugende Industrie, die Stromerzeugung und Stromversorgung sowie die Energiewirtschaft, die Starkstromindustrie, der Lokomotiv- und Waggonbau, die Erzeugung von Kraftwagen, die Zündholzindustrie, die Zementindustrie, die Vollbahnen und Schifffahrtsgesellschaften,

die Österreichische Nationalbank und die drei Großbanken Credit-Anstalt, Länderbank, Hypotheken- und Creditinstitut, alle Privatversicherungsgesellschaften,

weiters alle Unternehmungen der chemischen Industrie, der Papierindustrie, Lederindustrie, optischen Industrie, Lebens-, Genuss- und Nährmittelindustrie, soweit sie im Durchschnitt der Jahre 1936 bis 1941 mindestens 200 Arbeiter beschäftigt hatten,

ebenso alle Unternehmungen der Textilindustrie, Schuhindustrie, Schwachstromindustrie, Radio- und Glühlampenindustrie, Maschinen- und Werkzeugindustrie, Glasindustrie und Getränkeindustrie, soweit sie im erwähnten Zeitraum mindestens 300 Arbeiter beschäftigt hatten,

sowie alle Unternehmungen der Baumaterialindustrie, Bauindustrie, holzverarbeitenden Industrie, soweit sie von 1936 bis 1941 im Durchschnitt mindestens 400 Arbeiter beschäftigt hatten.

Die Verwaltung sollte ein neu zu schaffendes Ministerium für staatliche Unternehmungen übernehmen. ÖVP und SPÖ stimmten dem nicht zu, auch nicht einem reduzierten Vorschlag, der etwas später von der KPÖ gemacht wurde.

Danach wurde ohne Kommunisten weiterverhandelt. Der Gesetzentwurf, der schließlich dem Parlament vorgelegt wurde, enthielt selbst vom SPÖ-Antrag kaum noch etwas. Die ÖVP hatte ihre Ziele gegen die SPÖ durchgesetzt oder anders gesagt, die SPÖ hatte klein beigegeben und sich mit einer Liste der zu verstaatlichenden Unternehmen beziehungsweise Betriebe begnügt, die die Interessen des in- und ausländischen Kapitals mit Ausnahme des deutschen nicht antastete.

Dieses Nachgeben war letztendlich die Folge der von der SP-Führung schon früher gefällten Entscheidung, dass Österreich ein kapitalistisches Land bleiben solle. Die Verstaatlichung sollte nicht zu einem Hebel der sozialistischen Umgestaltung, sondern zu einem Instrument des staatsmonopolistischen Kapitalismus gemacht werden.

Juli 1946: Erstes Verstaatlichungsgesetz mit Lücken

Verstaatlicht wurden 70 Firmen, vor allem Unternehmen der Grundstoffindustrie — Bergbau, Hüttenindustrie, Erdöl. Jedoch nicht der gesamte Bergbau wurde verstaatlicht. Die Magnesitindustrie wurde auf Betreiben der ÖVP ausgelassen. Während des Krieges stand sie unter deutscher Verwaltung, nach dem Krieg kamen die amerikanischen und klammert französischen Vorkriegsbesitzer zurück. Sie beherrschen bis heute diesen exportkräftigen Wirtschaftszweig.

Auf der Verstaatlichungsliste waren auch andere Unternehmen nicht enthalten, die vor 1938 im Besitz von amerikanischem, englischem, holländischem und französischem Kapital waren. Sie wurden unter der Naziherrschaft — meist gegen Entschädigung — von deutschem Kapital übernommen und galten als deutsches Eigentum.

Ausgespart blieben ebenfalls die zu den Bankenkonzernen zählenden Betriebe. Während die Creditanstalt, die Länderbank und das Hypotheken- und Creditinstitut (heute ÖCI) — alle in der Zeit des Faschismus deutschen Banken angeschlossen — verstaatlicht wurden, da ihre Sanierung von den österreichischen Steuerzahlern getragen werden sollte, wurden so wichtige Unternehmen wie Steyr-Daimler-Puch (CA) oder Waagner-Biro (LB) nicht einbezogen. Auch die Nichtberücksichtigung der im SP-Antrag geforderten Verstaatlichung der Zementindustrie gehört hierher. Es ging dabei vor allem um die Perlmoser Zementwerke AG (LB). So bleiben wichtige Industriebetriebe, obwohl sie den verstaatlichten Banken gehörten, unter privatkapitalistischem Einfluss.

Die KPÖ stimmte trotz aller Bedenken dem Gesetz zu. KP-Vorsitzender Koplenig hatte dies bereits am 24. Juni in einem Brief an die Parteivorstände von SPÖ und ÖVP zugesagt und begründet:

„Die Kommunistische Partei, die, wie allgemein bekannt, die Vorkämpferin der Verstaatlichung ist, wird keinem Beschluss über die Verstaatlichung hinderlich sein, selbst wenn er, so wie das zwischen den beiden Parteien vereinbarte Abkommen, nicht den Notwendigkeiten der österreichischen Wirtschaft und den berechtigten Forderungen der werktätigen Bevölkerung entspricht, sondern sich mit allgemeinen und durchaus ungenügenden Bestimmungen begnügt.“

Das ehemalige deutsche Eigentum

Bei der Auswahl der Betriebe der Fahrzeug-, Elektro-, Metall- und Maschinenindustrie sowie der chemischen Industrie wurde hauptsächlich nach dem Gesichtspunkt verstaatlicht: in der sowjetischen Besatzungszone ja, in den anderen nicht. Der Grund dafür liegt in der so genannten Frage des deutschen Eigentums.

Auf der Konferenz von Potsdam beschlossen die Alliierten im August 1945, dass den vier Besatzungsmächten Österreichs in ihren Zonen das deutsche Eigentum zusteht. Dies betraf einen nicht unbeträchtlichen Teil der österreichischen Wirtschaft, es betraf vor allem die Erdölvorkommen im Osten Österreichs. Die Sowjetunion bemühte sich anfangs um die Verhandlungen mit der österreichischen Regierung, um zu einer für beide Teile befriedigenden Lösung zu kommen. Es wurde dabei an gemischte österreichisch-sowjetische Gesellschaften gedacht. Auch die KPÖ verlangte im ersten Halbjahr 1946 von der Regierung, eine Lösung in dieser Frage herbeizuführen. Die Verhandlungen, die bezüglich einer sowjetisch-österreichischen Nutzung des Erdöls in Gang gekommen waren, wurden auf Verlangen der Westmächte abgebrochen, weitere nie aufgenommen.

ÖVP und SPÖ dachten sich etwas anderes aus. Das Erste Verstaatlichungsgesetz sollte vor allem das deutsche Eigentum dem Einfluss der Sowjetunion entziehen. Dem kam die Sowjetunion am 19. Juni 1946 zuvor, indem sie das deutsche Eigentum unter ihre Verwaltung stellte. Es entstanden die USIA-Betriebe und die Sowjetische Mineralölverwaltung. Als es später darum ging, Argumente für die Reprivatisierung zu finden, gaben VP-Kreise offen zu, dass der Hauptzweck der Verstaatlichung für die ÖVP nur die Verhinderung der Durchführung der Potsdamer Beschlüsse gewesen wäre.

Am 1. März 1952 schrieb die „Industrie“: „Man hoffte, dass durch ihre Verstaatlichung die Auswirkungen dieser Beschlüsse verhindert werden könnten. Das Gesetz hat die Durchführung der Potsdamer Beschlüsse nicht verhindern können, denn die Besatzungsmächte haben sie ohne Rücksicht darauf in die Tat umgesetzt.“ Ob es da nicht doch vernünftiger gewesen wäre, mit der Sowjetunion Verhandlungen zu führen?

1947: KP-Minister Altmann bereitet zweites Verstaatlichungsgesetz vor

Das Zweite Verstaatlichungsgesetz, das die Elektrizitätswirtschaft in die öffentliche Hand überführte und mit dem die Verbundgesellschaft geschaffen wurde, beschloss das Parlament einstimmig am 26. März 1947.

Anfang Jänner 1946 fand bereits eine Ländertagung zu dieser Frage statt, die der Bundesminister für Energiewirtschaft und Elektrifizierung, Altmann (KPÖ), einberufen hatte. Auf ihr einigte man sich, die Verstaatlichung der Elektrizitätswirtschaft unter Beteiligung von Bund, Ländern und Gemeinden durchzuführen. Der kommunistische Minister Altmann erarbeitete im Mai 1946 einen Gesetzesentwurf, der jedoch vorerst nicht behandelt wurde. Erst im Februar 1947 brachten SPÖ und ÖVP ihre Entwürfe ins Parlament, bei deren Behandlung es im zuständigen Ausschuss vor allem um die Abgrenzung des Einflusses von Bund und Ländern ging sowie um die ausländischen Besitzanteile an den Sondergesellschaften (z. B. Vorarlberger Illwerke).

Das Zweite Verstaatlichungsgesetz unterscheidet sich vom Ersten vor allem dadurch, dass es einen ganzen Wirtschaftszweig mit genau angeführten Ausnahmen (kleine Kraftwerke und Eigenversorgungsanlagen von Betrieben) einbezieht und zudem konkrete Durchführungsbestimmungen enthält. Große Verdienste erwarb sich Altmann auch dadurch, dass er unter großen Anstrengungen den Bau des ersten großen Speicherkraftwerks in Kaprun in Angriff nahm.

Trotz Hindernissen: Die verstaatlichte Industrie führend im Wiederaufbau

Bis 1949 war für die verstaatlichte Industrie und die verstaatlichten Banken das Bundesministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung zuständig. Minister war in dieser Zeit der erklärte Verstaatlichungsgegner Krauland von der ÖVP, ihm war ein SP-Staatssekretär beigestellt. Von November 1949 bis 1956 gab es das Bundesministerium für Verkehr und verstaatlichte Betriebe, Minister war Waldbrunner von der SPÖ. Diesem neugeschaffenen Ministerium unterstanden allerdings die verstaatlichten Banken nicht mehr, sie kamen zum Finanzministerium, das zu dieser Zeit eine Domäne der ÖVP war.

Die „New York Times“ vom 11. Februar 1951 charakterisierte die Entwicklung der Banken treffend: „Die Creditanstalt und die Länderbank sind theoretisch nationalisierte Institutionen. Aber in der Praxis sitzen ihre Direktoren auch in den Aufsichtsräten privater Konzerne, und sie sind von öffentlicher Kontrolle oder Beaufsichtigung freier als in irgendeiner anderen verstaatlichten Bank der Welt. .. Die Banken beherrschen die österreichische Industrie ...“

Der Wiederaufbau der österreichischen Wirtschaft verlangte eine gewisse Planung, vor allem musste über den Einsatz der Marshallplan-Gelder entschieden werden, von denen schließlich ein großer Teil in die verstaatlichte VOEST floss.

Der Wiederaufbau der Grundstoffindustrie war eine kostspielige Angelegenheit, zudem risikoreich. Er musste jedoch so schnell wie möglich in Angriff genommen werden, da die weiterverarbeitende Industrie ohne sie nicht auskommen konnte. Sehr bald entwickelte sich aber dieser Bereich der verstaatlichten Industrie zum Vorteil für die Privatwirtschaft. Vor allem Kohle, Eisen und Stahl wurden zu niedrigen Preisen an die Privatwirtschaft abgegeben. Allein bis 1955 wurden bei diesen drei Produkten 8,4 Milliarden Schilling an die Privatwirtschaft verschenkt.

Wenn in dieser Zeit in Linz und Donawitz dennoch das LD-Verfahren zur Stahlerzeugung entwickelt wurde, beweist dies nur die oft angezweifelte Leistungsfähigkeit der verstaatlichten Industrie, ihrer Arbeiter und Techniker, obwohl weit mehr als die Hälfte der Weltproduktion mit dem LD-Verfahren erzeugt wurde. Allerdings weigerten sich US-Stahlfirmen, Patent- und Lizenzgebühren an die VOEST-Alpine zu zahlen.

Als Partner in den Koalitionsregierungen und als „Sozialpartner“ des Kapitals fand sich die SP-Führung nicht nur mit den Gegnern der Verstaatlichten in den Vorständen und Aufsichtsräten ab, sondern sorgte auch für „Ruhe und Ordnung“ in den verstaatlichten Betrieben im Sinne der Sozialpartnerschaft. Besonders deutlich wurde diese Rolle während und nach dem großen Streik gegen den 4. Lohn-Preis-Pakt im Oktober 1950, der seinen Ausgang von der VOEST-Linz und den Steyr-Werken nahm. Gerade der Oktoberstreik zeigte, welche Bedeutung die organisierte Arbeiterschaft der verstaatlichten Industrie für die gesamte österreichische Arbeiterbewegung im Kampf für sozialen und demokratischen Fortschritt hatte.

Kein Wunder, dass die SP-Führung zusammen mit den Betriebsleitungen, die proporzmäßig auf SP- und VP-Günstlinge aufgeteilt wurden, nach dem Oktoberstreik eine regelrechte Terrorkampagne gegen kommunistische Gewerkschafter und Betriebsräte entfachte. Allein in den Steyr-Werken wurden zum Beispiel nach dem Oktoberstreik 150 Arbeiter aus politischen Gründen entlassen. Aber trotz Diskriminierung hatten und haben die Kommunisten und der Gewerkschaftliche Linksblock wesentlichen Anteil an den bedeutenden sozialen Errungenschaften, die sich die Arbeiter und Angestellten in der verstaatlichten Industrie erkämpfen konnten.

Nach dem Staatsvertrag 1955: ÖVP will Reprivatisierung

Nach dem Abschluss des Staatsvertrages wurden die Unternehmen, die unter sowjetischer Verwaltung gestanden waren, Österreich übergeben. Zahlreiche ehemalige USIA-Betriebe wurden nun großzügig an die Vorkriegsbesitzer zurückgegeben. In vielen betroffenen Betrieben forderten die Arbeiter die Verstaatlichung. Das blieb unberücksichtigt. Die Auslieferung an ausländische Konzerne begann. In harten Kämpfen konnten die Arbeiter wenigstens einige der sozialen Errungenschaften aus der USIA-Zeit retten.

Es kamen aber auch ehemalige deutsche Besitzer zum Zug, obwohl dies im Staatsvertrag eindeutig verboten war. Es wurde mit den verschiedensten Tricks gearbeitet: Bevor zum Beispiel die Voith-Gruppe aus Heidenheim in den Besitz der Aktienmehrheit der Voith-Werke kommen konnte, erhielt das Familienmitglied Frau Thea Voith die österreichische Staatsbürgerschaft. In anderen Fällen wurden Schweizer Tochtergesellschaften die juristischen Inhaber von ehemaligem deutschem Eigentum, wie zum Beispiel bei Siemens. Andere wichtige Firmen, die auf diese Weise an die Deutschen zurückgegeben wurden, waren die Brunner Glasfabrik, Goertz, BASF und Glanzstoff.

Doch es kam noch ärger. Auch 1946 verstaatlichtes Eigentum wurde ausgeliefert. Mit dem „Wiener Memorandum“ von 1955, einem Abkommen zwischen der österreichischen Regierung und den westlichen Besatzungsmächten, wurde die Rückgabe jener verstaatlichten Erdölfirmen zugestanden, die vor dem Krieg französischem, kanadischem, amerikanischem und holländisch-englischem Kapital gehörten. Die Rohölaufsuchungsgesellschaft (RAG) — eine gemeinsame Tochter von Shell und Mobil Oil — beherrschte daher einen beträchtlichen Teil der österreichischen Erdöl- und Erdgasförderung — und das zu Bedingungen, wie sie kein Entwicklungsland mehr gegenüber einem Multi dulden würde.

Die Tätigkeit der Ölmultis in Österreich beschränkte sich nicht auf die RAG. Sie starteten einen Generalangriff auf die aus der Sowjetischen Mineralölverwaltung (SMV) hervorgegangene verstaatlichte ÖMV. Schrumpfungs- und Einsparungsmaßnahmen wurden vorgenommen, der ÖMV-eigene Vertrieb wurde behindert — stattdessen schossen die Tankstellen der Multis wie Schwammerln aus dem Boden. Doch schließlich konnten viele dieser Anschläge auf das österreichische Erdöl von den Arbeitern und Angestellten der ÖMV abgewehrt werden. Die Kommunisten hatten an diesem Kampf, ohne den die ÖMV zur Bedeutungslosigkeit verdammt gewesen wäre, entscheidenden Anteil.

Von Igler…

Zwischen 1956 und 1959 war die Bundesregierung für die verstaatlichte Industrie zuständig, für die Verwaltung wurden die Industrie- und Bergbauverwaltungs-Ges.m.b.H., die lBV, gegründet, die als Vorläuferin der ÖIAG zu betrachten ist. die IBV bestellte die Leitungen der verstaatlichten Unternehmungen, war zuständig für die Finanzierung der Investitionen und für die Dividendenpolitik. Geleitet wurde sie von drei Geschäftsführern. Der erste war Dr. Igler, ein Vertreter der Familie Schoeller, einer der mächtigsten österreichischen Kapitalistengruppen. Obwohl die Igler-IBV nur drei Jahre bestand, hat sie doch einige Weichen für die spätere Entwicklung gestellt: Beginn des Siemens-Ausverkaufs, steuerrechtliche Gleichstellung mit der Privatindustrie, Ausrichtung auf privatwirtschaftliche Gesichtspunkte.

Welche Möglichkeiten die Zuständigkeit für die Finanzierung der Investitionen bot, wird am Beispiel der verstaatlichten Landmaschinenfabrik Hofherr-Schrantz, eines ehemaligen USIA-Betriebes, deutlich. Für die dort aufgebaute einheimische Mähdrescher- und Traktorenproduktion hatte Igler kein Verständnis. Er verdiente als Mitglied des Schoeller-Handelshauses an den Importen der Ferguson-Traktoren kräftig mit und verweigerte deshalb dem verstaatlichten Unternehmen die nötigen Kredite zur Ausdehnung der Produktion. Damit wurde der Grundstein für das spätere Aus von Hofherr-Schrantz gelegt.

Pläne Iglers und der ÖVP, eine Teilreprivatisierung der verstaatlichten Industrie durch Ausgabe von Aktien für private Käufer — solche Aktien nannte man demagogisch „Volksaktien“ — herbeizuführen, sind glücklicherweise verhindert worden.

Nur für die Creditanstalt und die Länderbank wurden Aktien an Private ausgegeben und auf diese Weise eine Teilreprivatisierung vorgenommen. 1956 wurden 30 Prozent des Aktienkapitals in stimmrechtslose Vorzugsaktien (garantierte Dividende) und zehn Prozent in stimmberechtigte Stammaktien umgewandelt.

1959, nach dem Wahlerfolg der SPÖ, wurde die IBV aufgelöst, die Sektion IV des Bundeskanzleramtes übernahm die Zuständigkeit für die verstaatlichte Industrie. Allerdings hatte nun der zuständige Minister – Vizekanzler Pittermann – kein Weisungsrecht mehr. Mit dem 1960 beschlossenen Rekonzernierungsgesetz entstanden die alten Alpine- und Böhler-Konzerne wieder, wie sie vor der Verstaatlichung bestanden hatten. Die Alpine- und Böhler-Töchter wurden so dem direkten staatlichen Einfluss entzogen.

All diese Maßnahmen konnten die in der Verstaatlichten anstehenden Probleme nicht lösen. In einem Beschluss einer Konferenz der KPÖ über die „Verstaatlichung in Österreich“ im Jahre 1960 hieß es dazu:

„Der heutige Zustand der verstaatlichten Industrie ist dadurch gekennzeichnet, dass — trotz einiger Ausnahmen, wie zum Beispiel in der Zusammenarbeit zwischen Alpine und VOEST bei der Entwicklung des LD-Blasstahl-Verfahrens — keine umfassende zentrale Lenkung, keine wirkliche Koordinierung und Planung der Produktion und der Investitionen besteht, so dass es vielfach zu einem Gegeneinander und zu einer schädlichen Konkurrenzierung verstaatlichter Unternehmungen untereinander kommt, zu ungenügenden und oft nicht aufeinander abgestimmten Investitionen, zum Fehlen einer zentralen und geplanten Forschungs- und Entwicklungsarbeit, zur Abhängigkeit ganzer Sektoren der verstaatlichten Industrie von ausländischen, vor allem westdeutschen Lizenzverträgen...“

... zu Mautner Markhof

Die KPÖ forderte damals die Schaffung einer Holding-Gesellschaft für die verstaatlichten Banken und deren Konzernbetriebe und verlangte, dass die „Kreditgewährung durch die verstaatlichten Banken in erster Linie zur Deckung der Krediterfordernisse der verstaatlichten Industrie“ zu erfolgen habe. Im gleichen Beschluss wird gefordert, dass „nicht die Vertreter des Privatkapitals, sondern die der Werktätigen, die in Österreich die große Mehrheit der Bevölkerung bilden“, in den „leitenden Körperschaften der verstaatlichten Konzerne und Betriebe den entscheidenden Einfluss besitzen“ müssen.

So war zum Beispiel der Vorsitzende des Aufsichtsrates von Siemens-Schuckert und von Siemens-Halske der österreichische Großkapitalist Manfred Mautner Markhof. Mautner Markhof nahm auf Reprivatisierung dieser Betriebe Kurs, beeinflusste die Geschäftstätigkeit und placierte Leute seines Vertrauens in diese verstaatlichten Betriebe; er arbeitete auf das engste mit dem westdeutschen Siemens-Konzern zusammen.

Der entscheidende Vorstoß in die Finalindustrie wurde weitgehend verhindert, die nötigen Investitionen, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wurden nicht vorgenommen. So ließ man bewusst verstaatlichte Betriebe in die Krise hineinschlittern, um dann „Argumente“ für das Zusperren zu haben. Im Fall der Hütte Krems machten jedoch die Arbeiter einen Strich durch eine derartige Rechnung. Um die Schließungspläne zu verhindern, wurde zunächst ein Warnstreik abgehalten, und am 26. Februar 1963 zogen 1000 Kremser zum Ballhausplatz in Wien. Danach war es plötzlich möglich, die Produktion umzustellen. Es ist selbstverständlich, dass auch in Krems, im Betrieb und im Gemeinderat, Kommunisten tatkräftig und initiativ am Kampf um die Erhaltung des Betriebes teilnahmen.

Arbeiter bauten auf – Regierung sperrt zu

Es gab jedoch auch Auseinandersetzungen, die zugunsten der Zusperrer ausgingen. Im Herbst 1965 wurde in Grünbach (NÖ) der Steinkohlebergbau stillgelegt, gegen den Widerstand der ganzen Gemeinde, auch der lokalen Politiker von SPÖ und ÖVP. An der Spitze einer Demonstration, gemeinsam organisiert von SPÖ, ÖVP und KPÖ, ging der Grünbacher Pfarrer. Ein von den fünf kommunistischen Betriebsräten organisierter und angeregter Untertagestreik konnte zwar nicht mehr die Schließung verhindern, aber doch eine für die Kumpel günstige Abfertigungsregelung durchsetzen. Die Gemeinde aber hat sich von diesem Schlag nicht mehr erholt.

Später war viel die Rede von einer Renaissance der Kohle. Die KPÖ hat immer davor gewarnt, diese wichtige Energiequelle einfach ungenützt zu lassen. Als ein verstaatlichter Kohlebergbau nach dem anderen zugesperrt wurde — ganz besonders berüchtigte Beispiele waren die Lavanttaler Kohlebergbau GmbH (LAKOG) in den sechziger und Fohnsdorf Ende der siebziger Jahre — , glaubte man noch an das billige Erdöl und Erdgas und nahm vor allem auch keine Rücksicht auf die Tausenden Bergarbeiter, die dadurch ihren Arbeitsplatz verloren. Die KPÖ trat konsequent gegen jede derartige Stilllegung auf, wobei sie auch immer auf die bedrohlichen Auswirkungen für die betroffenen Gemeinden und Regionen hinwies.

Ein tragisches Ende nahmen im Herbst 1965 auch die Rax-Werke in Wiener Neustadt. Dieses von der IBV den verstaatlichten Simmering-Graz-Pauker-Werken angeschlossene Werk erzeugte vor allem Schienenfahrzeuge, Kessel, Behälter und Maschinen. Doch bald zeichnete sich ab, dass dieser leistungsfähige Betrieb den Feinden der Verstaatlichten nicht ins Konzept passte. Streiks, große Demonstrationen in Wien und Wiener Neustadt waren Antworten, die die Arbeiter und Angestellten — die Kommunisten besaßen im Betriebsrat die Mehrheit — auf die beabsichtigte Schließung gaben. Was die Verantwortlichen einschließlich der Gewerkschaftsführung vom Willen der Arbeiter, von deren Meinung hielten, lässt sich danach beurteilen, was aus dem Betrieb geworden ist: Er wurde geschlossen.

Dank der Koalition zwischen ÖVP und SPÖ und der Sozialpartnerschaftspolitik blieb die verstaatlichte Industrie in den Schranken der Grundstofferzeugung, wurde auf den nötigen Ausbau der Finalindustrie verzichtet, während zum Beispiel in der westeuropäischen Eisen- und Stahlindustrie eine mächtige Konzentrationsbewegung und eine breite Produktionsaufnahme von Fertigwaren vor sich ging.

Neue Probleme in der Eisen- und Stahlindustrie

Die VP-Alleinregierung begann ab 1966 an einer neuen Lösung für die gesamte Verstaatlichte zu basteln. Dabei knüpfte sie an die IBV an und gründete schließlich 1967 die Österreichische Industrieverwaltungsgesellschaft (ÖIG), Dr. Josef Taus wurde Aufsichtsratsvorsitzender.

Eine der ersten Taten der ÖIG war die Einladung der ausländischen Betriebsberatungsfirma Booz, Allen & Hamilton, die ein Rationalisierungs- und Reorganisationskonzept für die verstaatlichte Eisen- und Stahlindustrie erstellen sollte. Gleichzeitig hatte auch ein österreichisches Expertenteam, bestehend aus Leobner Hochschulprofessoren, eine derartige Aufgabe zu lösen. Beide Gutachten liefen darauf hinaus, 14.000 bis 15.000 Arbeitskräfte einzusparen, ganze Werksteile und Betriebe stillzulegen, die Produktion nicht mehr zu erweitern, den Erzberg einzumotten. Solche Pläne wurden durch den Widerstand der Arbeiter der betroffenen Unternehmen, aber auch von patriotischen Kräften in den Leitungen von Böhler, Schoeller-Bleckmann, Alpine und VOEST vereitelt.

Schon im Oktober 1967 hatte die KPÖ ein Konzept für eine stufenweise Lösung der Probleme der verstaatlichten Eisen- und Stahlindustrie erstellt. Gefordert wurde eine „große Lösung“, die alle österreichischen Eisen- und Stahlwerke umfasst. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass ohne schnellen und großzügigen Ausbau der Finalindustrie keine Gesundung und keine Zukunftssicherung der Eisen- und Stahlindustrie möglich seien.

Bald strebte die ÖVP ein neues ÖIG-Gesetz an, um mit mehr Durchschlagskraft das verwirklichen zu können, was sich das in- und ausländische Großkapital von der österreichischen verstaatlichten Industrie erwartete.

Der offene Kampf gegen die Verstaatlichte sollte zugunsten einer pragmatischeren Linie getauscht werden, aber der Einfluss des Staates soweit wie nur möglich zurückgedrängt werden. Eine „Europapolitik der verstaatlichten Industrie“ wäre nach Iglers Meinung erforderlich, „partei- und regionalpolitische“ Hindernisse wären aus dem Weg zu räumen. Neben anderen, heute bereits verwirklichten Forderungen, strebte Igler auch an:

„Mitwirkung bei europäischen Kooperationsbestrebungen und Neugründungen, falls in Österreich das Markt- und Forschungspotential ungenügend sein sollte. Denn die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und gemischte Neugründungen sind wirtschaftlich vernünftiger als das Vorbeigehen an neuen Entwicklungen, vor allem im Bereich der Chemie, der Kunststoffe und der Elektroindustrie.“

Gegen eine derartige Auslieferung der verstaatlichten Industrie wandte sich die KPÖ 1968 auf einer Konferenz über die Verstaatlichte: „Als besonders gefährlich müssen die Bestrebungen der ÖVP angesehen werden, durch Erschließung des Auslandskapitals die Selbständigkeit großer verstaatlicher Betriebe zu untergraben. Dieses Vorgehen bedeutet auch eine Gefahr für die staatliche Unabhängigkeit Österreichs und steht in direktem Widerspruch zu den nationalen Interessen Österreichs.“

Später hat auch die SP-Führung die seinerzeit vom Sprecher des Privatkapitals, Igler, verfolgte Politik übernommen. So hieß es in dem im Mai 1981 von der SPÖ beschlossenen Wirtschaftsprogramm, dass „die Bildung gemeinsamer Tochtergesellschaften von österreichischen und ausländischen Unternehmen zu fördern“ sei.

Die „Siemens-Verträge“ – eine Bresche in die Verstaatlichte

Der wichtigste Schritt in dieser Richtung gelang dem Auslandskapital und seinen Interessensvertretern in- und außerhalb der verstaatlichten Industrie Ende der sechziger Jahre in der Elektroindustrie. Unter dem Druck des westdeutschen Siemens-Konzerns wurde Schritt für Schritt die verstaatlichte Elektroindustrie in die größte Auslandstochter des Siemens-Konzerns verwandelt. Entgegen den Verpflichtungen des österreichischen Staatsvertrags wurde damit den ehemaligen deutschen Eigentümern Besitz und Einfluss zurückgegeben. Die Weichen wurden unter der VP-Regierung gestellt, der Schlussstrich aber wurde von der SP-Regierung vollzogen. Die ÖIAG hielt nur mehr 43 Prozent an „Siemens Österreich“.

Dass nicht schon die ersten Angriffe der Siemens-Bosse auf die verstaatlichte österreichische Elektroindustrie zu Beginn der sechziger Jahre erfolgreich waren, dafür sorgten die Kommunisten. So schrieb „Der österreichische Volkswirt“ am 13. Mai 1964:

„Auch die Sozialisten schienen am Beginn der Verhandlungen noch geneigt, einer deutschen Beteiligung (an den Schwachstromwerken) von 51 Prozent zustimmen zu wollen. Das Störfeuer kam jedoch von den Kommunisten. Diese entfachten in ihrer Parteipresse ein mächtiges Höllengeschrei gegen den drohenden Abverkauf verstaatlichter Unternehmungen an die deutschen Kapitalisten. Diese Stimmungsmache gegen das deutsche Kapital dürfte denn auch den Gewerkschaftsbund und da vor allem seine linksgerichteten Kräfte zuerst zu einem Meinungsumschwung gegen eine deutsche Mehrheit bewogen haben, der sich in der Folgezeit auch auf die übrige Parteihierarchie fortpflanzte ...“

Leider reichten die Kraft der Kommunisten und des Gewerkschaftlichen Linksblocks sowie der Widerstand der Belegschaft nicht aus, um diesen Schlag gegen die verstaatlichte Industrie zu verhindern.

Parallel mit der zunehmenden Aggressivität des Siemens-Konzerns wuchs der allgemeine Einfluss des westdeutschen Kapitals in der österreichischen Wirtschaft. Man schätzt, dass sich dieser Einfluss Anfang der 80er Jahre auf mindestens 100.000 Arbeitsplätze erstreckte, was einen ebenso großen Eigentumssektor darstellte wie die verstaatlichte Industrie.

Eigentumsrechte werden an die ÖIAG ausgeliefert

Knapp vor den Nationalratswahlen des Jahres 1970 beschloss die VP-Regierung die ÖIG-Gesetznovelle, mit der die noch heute bestehende ÖIAG gegründet wurde. Der entscheidende Kern dieser Reform der Führung der verstaatlichten Industrie bestand darin, dass die neue Gesellschaft die Eigentumsrechte der Republik Österreich nicht mehr treuhändig verwaltete, sondern ihr diese Eigentumsrechte direkt übertragen wurden.

Damit wurde der jahrzehntelange Wunsch der Gegner der Verstaatlichten verwirklicht, den direkten staatlichen Einfluss möglichst zurückzudrängen und die parlamentarischen Kontrollrechte über die verstaatlichte Industrie einzuschränken. Mit dieser Konstruktion erhielt der ÖIAG-Aufsichtsrat bzw. der Vorstand den Haupteinfluss auf die Betriebe, die Geschäftsführung und die Besetzung von Führungspositionen in der verstaatlichten Industrie.

Um gegenüber dieser für die Gegner der verstaatlichten Industrie günstigen Lösung zumindest eine entscheidende Schranke zu setzen, verlangten die Kommunisten die verfassungsrechtliche Verankerung der Verstaatlichten. Der Druck aus den Betrieben war immerhin so stark, dass auch die SP-Führung diese Forderung übernahm und im Parlament gegen die ÖIAG-Reform stimmte. Dass in den vorhergehenden Verhandlungen doch zumindest der Rest einer parlamentarischen Kontrolle erhalten blieb (bei Veräußerung von Anteilsrechten der Republik Österreich von mehr als 51 Prozent muss der Hauptausschuss des Parlaments eingeschaltet werden), ist auf den Druck der Kommunisten zurückzuführen. So erklärte der ehemalige VP-Vizekanzler Withalm, dass die ÖIG-Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP im April 1969 schon sehr nahe dem Abschluss gewesen seien. Aber dann habe Dr. Kreisky eingewandt, man könne die Parlamentskontrolle nicht beseitigen, weil die Kommunisten immer wieder davon reden.

Obwohl die SPÖ im Parlament gegen die ÖIAG-Reform stimmte und versprach, dieses Gesetz, falls sie dazu imstande wäre, wieder rückgängig zu machen, änderte sich an dieser Konstruktion auch unter der SP-Regierung und ihrer absoluter Mehrheit im Parlament nichts.

Stahl-, Edelstahl- und Buntmetallfusion

Ein weiterer wesentlicher Punkt der ÖIAG-Reform bestand in dem gesetzlichen Auftrag, binnen vier Jahren eine branchenmäßige Zusammenführung der verstaatlichten Industrie durchzuführen. Angesichts des raschen Konzentrationsprozesses in der europäischen Eisen- und Stahlindustrie ging es darum, die vier großen Eisen- und Stahlfirmen VOEST, Alpine, Böhler und Schoeller-Bleckmann zu fusionieren und das schädliche Nebeneinander und zum Teil sogar Gegeneinander der verstaatlichten Betriebe auf den In- und Auslandsmärkten zu verhindern.

Entgegen der von Booz-Allen empfohlenen Lösung zugunsten eines Schrumpfungskonzepts und der vor allem von der ÖVP vertretenen „kleinen Lösung“ war die KPÖ von Anfang an für die Zusammenfassung aller großen Stahlbetriebe, die Sicherung aller Standorte und den raschen Ausbau des Finalbereiches, also für eine „große Lösung“. Dass diese in der Form der Gründung der VOEST-Alpine 1973 verwirklicht wurde, war ein großer Erfolg. Sie bedeutete, dass neben dem Standort Linz auch der Standort Donawitz gesichert wurde. 1973 kam es auch zur Buntmetallfusion, aus der die Vereinigten Metallwerke (VMW) Ranshofen-Berndorf und die BBU hervorgingen.

In einem zweiten Fusionsschritt wurden 1975 die als Tochtergesellschaften der VOEST-Alpine geführten Edelstahlbetriebe Böhler, Schoeller-Bleckmann, Styria Judenburg zu den Vereinigten Edelstahlwerken (VEW) zusammengeschlossen. Die in der VOEST-Alpine und den VEW zusammengefasste Eisen- und Stahlindustrie stellte nunmehr mit all ihren Töchtern einen Konzern von 70000 Beschäftigten dar.

Mit der Stahl- und Edelstahlfusion wurden den Arbeitern und Angestellten auch große Versprechungen gemacht. Kreisky versprach, dass der Staat als Eigentümer große Mittel zur Durchführung großer Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen im Finalbereich zur Verfügung stellen werde, und auch ein Sozialpaket zur Angleichung der sozialen Leistungen und des Lohnniveaus wurde versprochen. Ein Großteil dieser Versprechungen wurde bis heute nicht verwirklicht. Eine Reihe von sozialen Leistungen und Errungenschaften wurde sogar abgebaut, und statt Erweiterungsinvestitionen wurden vorwiegend Rationalisierungsinvestitionen durchgeführt.

Die Kommunisten haben vor, während und nach der Fusion immer wieder darauf hingewiesen, dass die Zusammenfassung der verstaatlichten Stahlindustrie auch zu einer Aktion gegen den Einfluss des in- und ausländischen Großkapitals gemacht werden müsse. Die Forderung, „hinaus mit den Vertretern der Privatindustrie und allen Gegnern der Verstaatlichten“, blieb aktuell. Die Fusion hat aber auch nicht zur Erweiterung der Mitbestimmungsrechte der Arbeiter und Angestellten geführt, trotz der vielen Positionen, die SP-Funktionäre und SP-Betriebsräte in der verstaatlichten Industrie haben.

EWG-Verträge: Quelle neuer Krisen

Eine neue, äußerst gefährliche Etappe ihrer Entwicklung macht die verstaatlichte Industrie seit dem Abschluss der EWG-Verträge 1972

durch. Neben den schon bis dahin bestehenden Einflüssen und Verflechtungen, Rücksichtnahmen und Unterordnungen unter EWG-Monopole und vor allem westdeutsche Monopole wurde damit die verstaatlichte Industrie insgesamt noch stärker in den Einflussbereich der EWG gebracht. Zu diesem Zweck wurde zusätzlich zu den EWG-Abkommen auch der Vertrag mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) geschlossen, der die österreichische Eisen- und Stahlindustrie an dieses Kartell der EG-Stahlmonopole bindet.

Die Jahre danach haben gezeigt, dass das EWG-Abkommen zu einseitigen Vorteilen zugunsten der EWG-Monopole geführt hat. So ist der Anteil der EG-Eisen- und Stahlimporte am österreichischen Markt ständig angewachsen, während die österreichischen Edelstahlexporte unter der Bezeichnung „sensible Produkte“ bis in die jüngste Vergangenheit diskriminiert wurden.

1973 trat Österreich der unter der Führung der USA gegründeten Internationalen Energieagentur (IEA) bei, wobei sich Österreich verpflichtete, kostspielige Erdöllager aufzubauen, die zusammen mit der österreichischen verstaatlichten Erdölindustrie in einer von der IEA ausgerufenen Krisensituation zu Reserven der EWG und der NATO-Länder gemacht werden können.

Kommunisten – Vorkämpfer des „Osthandels“

Ein wirksames Gegengewicht stellen der Handelsaustausch und die Kooperation mit den sozialistischen Ländern des RGW dar. 1979 gingen 23 Prozent der Exporte der verstaatlichten Industrie in die sozialistischen Länder (1975 29 Prozent). Bei den gesamtösterreichischen Exporten waren es 12 bis 15 Prozent. Diese Exporte sicherten zehntausende Arbeitsplätze in der verstaatlichten Industrie. Einzelne Betriebe, wie die Schiffswerften in Linz und Korneuburg, waren seit Jahren hauptsächlich durch Aufträge aus der Sowjetunion ausgelastet. Die Kommunisten haben sich stets für die Entwicklung des „Osthandels“ eingesetzt, auch zu einer Zeit, als die VP- und SP-Manager nichts davon wissen wollten.

Die größten Einzelaufträge für die verstaatlichte Industrie kamen aus den sozialistischen Ländern. Hervorragende Beispiele waren ein 12-Milliarden-Auftrag aus der DDR für den Bau eines Stahlwerks in Eisenhüttenstadt und ein 14-Milliarden-Auftrag aus der Sowjetunion für die Lieferung von 800000 Tonnen Spezialrohren bis Mitte der achtziger Jahre. Die verstaatlichte Industrie profitierte dabei unmittelbar vom Status Österreichs als immerwährend neutrales Land und von der Politik der friedlichen Koexistenz und der Entspannung. Diese Großaufträge halfen nicht nur den Auswirkungen der Stahlkrise entgegenzuwirken, sondern sie boten auch vielen österreichischen Klein- und Mittelbetrieben als Zulieferer Beschäftigung und Existenz.

Wenn auch auf Grund des Druckes der Kommunisten in den Betrieben, aber auch des Einsatzes der KPÖ auf politischer Ebene die verstaatlichte Industrie eine Schrittmacherrolle bei der Entwicklung der Handelsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern gespielt hatte, wurden trotzdem vor allem auf Grund des Druckes der NATO und der EWG nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ein unrühmliches Beispiel dafür war die Verhinderung des ersten großen Erdgas-Röhrengeschäfts mit der Sowjetunion. Österreich schloss zwar 1968 den ersten großen Erdgasvertrag mit der Sowjetunion, musste aber das Gegengeschäft mit Großrohren an die westdeutsche Mannesmann-Gruppe abgeben. Dadurch wurde auch die Chance, ein großes Rohrwalzwerk in Österreich zu errichten und in das internationale Pipeline-Großrohrgeschäft einzusteigen, zunichte gemacht.

Angriff auf die VEW – Neue Etappe des Kampfes für die verstaatlichte Industrie

Die von allen drei im Parlament vertretenen Parteien unter Führung der SP-Regierung betriebene Politik der Ein- und Unterordnung der verstaatlichten Industrie in die EWG beschwört angesichts der zunehmenden chronischen Krisenerscheinungen der kapitalistischen Welt und vor allem seit der Weltwirtschaftskrise 1974/75 neue Gefahren für die verstaatlichte Industrie herauf.

Ein Beispiel dafür war der Großangriff auf die Vereinigten Edelstahlwerke, die einem zweiten Gutachten der amerikanischen Beraterfirma Booz-Allen zufolge im Interesse der ausländischen Konkurrenz reduziert werden sollten. Geplant waren die Liquidierung des Standortes Judenburg sowie die Reduzierung der Arbeitsplätze um 3500 bis 4000. Mit der Übernahme dieses Konzepts der „Reorganisation“ der VEW auf Kosten der Beschäftigten werden nicht nur die Fusionsversprechungen in ihr Gegenteil verkehrt, sondern auch die EG-Schrumpfungspolitik in Österreich durchgeführt.

Zum Zeitpunkt der Fusion 1975 hatten die VEW 26.000 Beschäftigte. Nach der Reorganisation sollten es nur mehr 16.000 sein. Der Widerstand in den Betrieben, vor allem aber in Judenburg und Mürzzuschlag, hatte die größten Arbeiterdemonstrationen seit Jahren hervorgerufen. Die machtvolle Demonstration von über 10000 Arbeitern und Angestellten der VEW-Judenburg und der gesamten „Musterregion“ Aichfeld-Murboden zeigte, dass die Verteidigung der verstaatlichten Industrie das Anliegen aller Arbeiter und Angestellten Österreichs war.

Eine neue Etappe im Kampf um die verstaatlichte Industrie begann. Unter keiner Regierung wurden so viele verstaatlichte Betriebe zugesperrt wie in den Jahren der SP-Regierung: der Kohlenbergbau Fohnsdorf, die Bergbaue in Hüttenberg und Radmer, der Kupferbergbau in Mitterbach. Statt einer Region der industriellen Dynamik auf der Grundlage der verstaatlichten Industrie wurde die Obersteiermark zu einer Krisenregion. Die finanzielle Auszehrung der Eisen- und Stahlindustrie während der kapitalistischen Stahlkrise brachte insbesondere die VEW in eine äußerst kritische Lage.

Während den VEW 3 bis 4 Milliarden, die zur Sanierung notwendig wären, vorenthalten wurden, erhielt der amerikanische General-Motors-Konzern 3,5 Milliarden Schilling geschenkt. Während dem in- und ausländischen Privatkapital 200 Milliarden Schilling an Steuergeschenken und Subventionen zuflössen, erhielt die verstaatlichte Industrie von ihrem Eigentümer im Vergleich dazu fast nichts. Auch deshalb nahm der Druck des in- und ausländischen Großkapitals auf die Verstaatlichte zu.

Von 1973 bist 1981 gab es in Österreich über 50.000 oder fast 10 Prozent Industriearbeitsplätze weniger. In der verstaatlichten Industrie dagegen konnten Massenentlassungen verhindert werden. Das zeigt, wie wichtig die Verstaatlichte für den Kampf um die Sicherung der Arbeitsplätze war.

Ohne eine grundsätzliche Wende in der Wirtschaftspolitik zugunsten der verstaatlichten Industrie, ohne Verwirklichung der Grundsätze „Vorrang für die verstaatlichte Industrie“ und „Ausbauen statt schrumpfen“, ohne Kurs gegen die Abhängigkeit von der EWG und den multinationalen Konzernen wurde es immer schwerer, die Arbeitsplätze und sozialen Errungenschaften in der Verstaatlichten zu erhalten und auszubauen.

Die Kommunisten und der GLB waren für eine solche Wende. Sie wäre durchsetzbar gewesen, wenn die Arbeiter und Angestellten in- und außerhalb der Verstaatlichten, über alle weltanschaulichen und Parteigrenzen hinweg, gemeinsam gehandelt hätten, wie das in Judenburg und Mürzzuschlag geschehen ist. Sie wäre durchsetzbar gewesen, wenn auch die Gewerkschaftsführung auf der Seite der Belegschaft gestanden hätten und nicht auf der Seite der Gesundschrumpfer, wie das im Fall der VEW-“Sanierung“ der Fall war. Sie wäre durchsetzbar gewesen, wenn die Sozialpartnerschaftspolitik zurückgedrängt worden wäre.

Aus: Die Verstaatlichte. 35 Jahre Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit, Sicherung der Arbeitsplätze, Neutralität. KPÖ und GLB, 1981, aktualisiert

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