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1946: Ein Voestler der "Stunde Null" berichtet

  • Montag, 26. Juli 2021 @ 08:00
Geschichte Nach dem Ende dieses furchtbaren Krieges standen viele Mitarbeiter - welche bereits in den ehemaligen Hermann-Göring-Werken gearbeitet haben oder von der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen sind, vor einem zerbombten Werk. Die meisten Mitarbeiter suchten den ehemaligen Arbeitsplatz auf und haben sofort mit den Aufräumungsarbeiten begonnen.

Der damalige „Voestler” kannte noch keine Sozialleistungen wie Arbeitskleidung, Schutzhelm, Handschuhe, Arbeitsschuhe sowie ein entsprechendes Essen. Jeder mußte sich von zu Hause die noch vorhandenen alten Kleidungsstücke für die Arbeit mitnehmen.

Am Anfang gab es Schwierigkeiten mit der Auszahlung der Löhne und Gehälter. Erst nach der Ablöse des amerikanischen Verwalters und der Übernahme der Agenten durch österreichische Führungskräfte entspannte sich die Lohn- und Gehaltssituation. Der Monatslohn betrug am Anfang im Durchschnitt 130 bis 150 Schilling.

Als man mit den Instandsetzungsarbeiten an den verschiedenen Anlagen beginnen wollte, fehlten dazu viele Fachkräfte. Zu Beginn waren ca. 3000 Mitarbeiter im Werk beschäftigt.

Man hat zuerst mit den Instandsetzungsarbeiten im Kraftwerk begonnen um Strom für die einzelnen Werkstätten zu bekommen. Bei den Heizkesseln mußte das Eis entfernt werden. Dazu mußten rasch alle verfügbaren Mitarbeiter - egal welcher Berufsstand - eingesetzt werden. Als Anerkennung dafür gab es damals in der bereits geöffneten Werksküche ein Sonderessen (Polentasuppe und gebackene Polenta). Und so sind nacheinander die einzelnen Betriebe in diesem Werk wieder produktionsfähig geworden.

Durch den unermüdlichen Einsatz des Instandsetzungspersonals wie der Stahlbau - der einen großen Anteil an diesem Werkswiederaufbau hatte - die Fachkräfte der Hütteninstandhaltung und andere Abteilungen, konnte ein Großteil der Werkstätten den Betrieb rasch wieder aufnehmen.

Das natürlich aufgrund des enormen Arbeitseinsatzes bei den Wiederaufbauarbeiten auf die Arbeitssicherheit nicht so ein besonderes Augenmerk gelegt wurde, war sehr bedauerlich. Es gab Arbeitszeiten bis 48 Stunden durchgehend. Leider gab es auch schwere Unfälle welche auf die Anlagenunkenntnisse bzw. zu geringen Vorsichtmaßnahmen zurückzuführen waren. Als eines der schwersten Unfälle in dieser Zeit kann man den Einsturz des Gichtgasgasometer und den Gichtgasunfall am Hochofen bezeichnen.

Der Unfall beim Gichtgas-Gasometer ereignete sich 8 Tage vor Ostern 1948 an einem Sonntag um 9 Uhr vormittags. Es waren damals acht Männer am Gefäßdach. Das Gefäß wurde von oben nach unten abgetragen und dabei stürzte das Gefäß in sich zusammen. Es gab damals vier Tote und zwar die vom Gefäß ca. 80 m in die Tiefe sprangen, drei Schwerverletzte und einer blieb unverletzt.

Der Gichtgasunfall beim Hochofen ereignete sich in der Gasreinigung bei der Betätigung eines Schiebers am Ostermontag 1948. Damals gab es 7 Tote. Diese beiden Unfälle ereigneten sich innerhalb 1 Woche. Es gab leider noch viele schwere Unfälle von Mitarbeitern welche ihr Leben für den Wiederaufbau dieses Werkes hingegeben haben.

Und so entwickelten sich bis 1950 in den einzelnen Betrieben der Voest verschiedene Produktionszweige: Der Stahlbau begann mit Brückenreparaturen und Neubau von verschiedenen Anlagen und Hallenbau usw.. Der Maschinenbau entwickelte Exzenterpressen, Mostpressen, Scheren usw. Die Hütte begann wieder mit der Blecherzeugung. Weiters wurde Anfang 1950 mit den Versuchen des LD-Verfahrens begonnen. Dieses LD-Verfahren hat später die Voest und seine Techniker zu Weltruhm verholfen. Die Schmiede erzeugte landwirtschaftliche Geräte.

Und weiters muß man auch die Geburtsstunde der Neubauabteilung (Industrieanlagenbau) erwähnen. Die damalige Neubauabteilung hat aufgrund des Wiederaufbaues und der Neuzustellungen bzw. Verbesserungen der bestehenden Anlagen großen Anteil an den heutigen technischen Stand des Unternehmens. Ab 1950 begann der große Ausbau dieses Werkes.

Als der Krieg im Mai 1945 in Linz beendet war, legten die Widerstandskämpfer Hans Ortner und Johann Reisner den Grundstein für die Parteiorganisation der KPÖ im Werk. Sie gehörten zu jenen 3.000 Arbeitern und Angestellten, die mithalfen, den Trümmerhaufen des zerstörten Werkes in Ordnung zu bringen.

Über 6.000 gezielte Bombentreffer der Amerikaner auf das Werksgelände ließen keine Betriebsanlage unbeschädigt. Es gab nur zerstörte Betriebe: kalte Hochöfen, zerstörte Walzwerke und das zerstörte Kraftwerk.

Die Stahlbauer waren die ersten, die mit ihren Arbeitsgruppen in den Wiederaufbau der zerstörten Anlagen des Werkes eingesetzt wurden. Ebenso waren der Schienenstrang sowie die Lok- und Wagenwerkstätte zum Großteil vernichtet.

Die gesamte Belegschaft wurde in den ersten Monaten nach dem Krieg für Aufräumungsarbeiten und provisorische Kriegsschädenbehebung eingesetzt. Es war auch äußerst schwer, die Löhne und Gehälter auszuzahlen. Ende 1945 waren im Werk 3.125 Arbeiter und 944 Angestellte beschäftigt. Da die Versorgungsschwierigkeiten sehr groß waren, wurden erfahrene Kollegen für die Besorgung von Lebensmitteln und Bekleidung beauftragt.

Die Betriebsräte allein hätten die Fülle der Arbeit nicht bewältigen können und so wurde im September 1946 eine Gewerkschaftsortsgruppe gegründet. Obmann der Ortsgruppe wurde Friedrich Poschko (SPÖ), sein Stellvertreter war Rudolf Kührer (KPÖ).

In den Betrieben wurde ein Vertrauensmännerstock geschaffen, welcher den Betriebsrat in allen gewerkschaftlichen Kämpfen tatkräftig unterstützte. Die Vertrauensmänner waren der verlängerte Arm und die Mitarbeiter des Betriebsrates. Sie kannten die Sorgen und Nöte der Kollegen ihrer Arbeitsgruppe am besten.

Im Verstaatlichungsgeetz vom 26. August 1946 wurde der ganze Teil der Eisen- und Stahlindustrie erfaßt, darunter auch die Vereinigten Eisen- und Stahlwerke AG Linz. Im Oktober 1947 erschien die erste Nummer der Voest-Betriebszeitung „Werkspiegel.

Rudolf Kührer, Betriebsrat von 1948-74

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