Sonntag, 13. November 2005 @ 10:42
Am 29. und 30. Oktober 2005 fand in Athen der 1. Parteitag der Europäischen Linkspartei (EL) mit über 300 Delegierte und Gästen aus 42 Ländern, die 55 Parteien repräsentierten, statt. Die von diesem Parteitag beschlossene „Athener Erklärung“ macht die aktuellen politischen Aufgaben der EL deutlich und ist ein geeignetes Instrument wirksam in die politischen Prozesse einzugreifen. Fausto Bertinotti wurde als Präsident der EL bestätigt. Derzeit gehören der EL 17 Parteien als Mitglied und neun als Beobachter an. Dabei geht der Blick der EL über die EU hinaus, etwa indem ihr auch Parteien aus Nicht-EU-Ländern wie der Schweiz, Norwegen, der Türkei oder Rumänien angehören. Wichtige Synergieeffekte bestehen zwischen der EL und der Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament, welcher derzeit 14 Parteien als Mitglieder und fünf weitere als assoziierte Mitglieder – darunter auch solche die der Europäischen Antikapitalistischen Linken (EAL) bzw. der Nordischen Grün-Linken Allianz (NGLA), aber auch Parteien ohne parteiförmigen Zusammenschluss wie die KKE (Griechenland), PCP (Portugal) und SPN (Niederlande) – angehören.
Die Akzeptanz von EU-Kriterien im Zusammenhang mit der Bildung europäischer Parteien – vergleichbar mit der Akzeptanz von Parteiengesetzen in den einzelnen Ländern – hindert, wie die Praxis beweist, weder die einzelnen Mitgliedsparteien noch die EL in ihrer Gesamtheit an einer kritischen Auseinandersetzung mit Politik und Grundlagen der EU.
Die EL führt einen engagierten Kampf gegen die EU-Verfassung, setzt sich aktiv mit dem „Europa der Konzerne“ auseinander und tritt für Alternativen dazu ein. Die EL ist der größte Zusammenschluss von Parteien links von Sozialdemokratie und Grünen in Europa, ohne einen Anspruch auf die Vertretung aller Linken zu erheben. Entgegen manchen Befürchtungen und Unterstellungen hat die Gründung der EL im Mai 2004 in Rom nicht zu einer Verengung der Linken, sondern im Gegenteil zu einer Erweiterung des linken Spektrums geführt.
Dies wurde insbesondere in Deutschland deutlich, wo durch das Zusammenwirken von PDS und WASG als Linkspartei eine starke linke Vertretung im Bundestag erreicht wurde. Die WASG nahm als Gast am EL-Parteitag teil. Auch die DKP, die auf den offenen Listen der Linkspartei kandidierte, ist inzwischen als Beobachterin Teil der EL. Gegenbeispiele sind bei Kommunalwahlen in Luxemburg und Genf (Schweiz) deutlich geworden, wo das getrennte Antreten mehrerer Linksparteien zur Schwächung oder dem Verlust von Positionen führte.
Die inhaltliche Basis der EL widerspiegelt die vorhandene Breite linker Parteien, wobei deren Autonomie nicht aufgehoben oder eingeengt ist, sondern im Gegenteil die Eigenverantwortung der einzelnen Parteien für politische Veränderungen im jeweiligen Land erhöht wird. Für eine wirksame linke Politik ist die Übereinstimmung von Programmatik und praktischer Politik ein ganz wesentlicher Punkt. Es wäre kontraproduktiv, sich beim erstbesten Anlass von beschlossenen Programmen und Grundsatzerklärungen distanzieren zu müssen. Eine Grundsatzfrage ist und bleibt für die EL allerdings eine grundsätzliche Absage an den Stalinismus als hauptsächliche Ursache für das Scheitern des realsozialistischen Experiments.
Die Europäische Linke ist nach ihrem Selbstverständnis eine plurale Linke für die es ebenso wenig ein „leitendes Zentrum“ geben kann wie eine „abgeschlossene“ inhaltliche Grundlage. Gerade im Ringen um neue Erkenntnisse und die Weiterentwicklung zeitgemäßer marxistischer Theorieansätze liegt die Chance und die Stärke der EL, die KPÖ will dazu ihren Beitrag leisten.
Die KPÖ hat bei einer Parteikonferenz am 13. März 2004 ihre Mitgliedschaft bei der EL beschlossen. Für die KPÖ war von Anfang an klar, dass mit der Gründung der EL nicht schlagartig die Zusammenarbeit oder gar Einheit aller Linkskräfte in Europa verwirklicht werden kann, sondern dass dies ein längerfristiger Prozess mit vielen Schritten und Formen einer europaweiten Vernetzung darstellt.
Die KPÖ sieht dabei ihren Platz und ihre Möglichkeiten als kleine Partei realistisch, aber auch die Möglichkeiten gleichberechtigt mit vielen anderen Linksparteien zu kooperieren und mit eigenen Initiativen zur Weiterentwicklung und Verbreiterung beizutragen. Wichtige Anliegen der EL werden auch künftig die Bemühungen sein, einflussreiche Parteien die bislang nicht Mitglied sind für eine Mitarbeit zu gewinnen.
Das neoliberale Projekt EU ist nicht die Alternative zur kapitalistischen Globalisierung, sondern deren Bestandteil. Die KPÖ ist daher davon überzeugt, dass angesichts des Umfanges und der Dynamik der kapitalistischen Globalisierung der Internationalisierung des Kapitals und seiner Politik die Zusammenarbeit der linken Kräfte entgegengesetzt werden muss. Eine Strategie der nationalen Abschottung würde nichts Grundsätzliches an den Auswirkungen der Globalisierung ändern, hingegen dem Kapital noch größeren Spielraum verschaffen.
KPÖ-Bundesvorstand 13. November 2005