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Linker Widerstand - "Rote Hilfe" - Arbeiterwiderstand

  • Freitag, 11. März 2005 @ 10:27
Geschichte Von Winfried R. Garscha

Zur Begriffsbestimmung:
Was ist "linker" Widerstand? Was ist "Arbeiterwiderstand"?

"Arbeiterwiderstand" bezeichnet eine soziale Kategorie, die ihre organisatorische Verfestigung in den Betriebsgruppen der bis in die ersten Jahre des NS-Regimes hinein aktiven "Sozialistischen Arbeiterhilfe", vor allem aber der kommunistisch geführten "Roten Hilfe" erfuhr. Diese Form des Widerstands entstand vielfach spontan, als Reaktion auf die Verhaftung von Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben und Dienststellen - ich werde darauf noch näher eingehen.

Der Begriff "linker" Widerstand hingegen bezeichnet eine politische Kategorie: das Fortführen der politischen und organisatorischen Traditionen der Arbeiterbewegung, wobei die österreichische Spezifik unter anderem darin besteht, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen der einst übermächtigen sozialdemokratischen und der eher winzigen kommunistischen Bewegung verkehrte. Die KPÖ, die bereits 1934 bis 1938 organisatorisch mit den Revolutionären Sozialisten (RS), der illegalen Nachfolgeorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs, gleichgezogen hatte, war zwischen 1938 und 1945 die weitaus stärkste Kraft im linken Lager. Auch der größte Teil jener sozialistisch gesinnten Arbeiter, die nach der Stilllegung der RS politisch weiter aktiv bleiben wollten, schloss sich der KPÖ an. Viele unter ihnen kehrten allerdings nach der Wiederbegründung der SPÖ 1945 zur Sozialdemokratie zurück.

Die Aufrechterhaltung des organisatorischen Zusammenhalts bedeutete politische "Heimat" auch unter den Bedingungen der Illegalität, bot die Möglichkeit zum Meinungs- und Informationsaustausch unter den Bedingungen des totalen Informationsmonopols des NS-Regimes und war die Voraussetzung für die Erarbeitung und Verbreitung einer mehr oder weniger einheitlichen Linie in einer politisch äußerst bewegten Zeit. Diese Bedeutung des organisatorischen Zusammenhalts unterschied den politisch organisierten vom individuellen Widerstand, der durchaus ebenfalls von "linken" Positionen aus geleistet werden konnte. Um die Organisation nicht zu gefährden, war den Angehörigen illegaler Widerstandsgruppen also genau das verboten, was den individuellen Widerstand ausmachte: An öffentlichen Orten wie im Wirtshaus oder in der Warteschlange oder später, in den Bombennächten, im Luftschutzbunker lauthals über Hitler zu schimpfen, die Versorgungsmängel zu beklagen, sich über das Schicksal von Juden und Zwangsarbeitern zu empören oder das Ende des Krieges herbeizuwünschen. Angehörige illegaler Widerstandsgruppen hatten ein Höchstmaß an Vorsicht bei Gesprächen mit Arbeitskolleginnen und -kollegen an den Tag zu legen, bei der Gewinnung neuer Mitglieder musste stets die Möglichkeit einkalkuliert werden, dass der oder die Neue ein Spitzel der Gestapo sein könnte. Eine in den illegalen Gruppen diskutierte - und von den Sozialisten völlig abgelehnte - Variante, dennoch mit breiteren Schichten der Bevölkerung in Kontakt zu kommen und das politische Monopol des Regimes in Frage stellen, waren konspirativ verbreitete Flugblätter. Jedes Flugblatt musste auf einer Maschine, die nicht einfach zu verstecken war, vervielfältigt werden, und das auf Papier, das rationiert war, es musste unbemerkt zwischengelagert und schließlich so unter die Leute gebracht werden, dass zwar die Person, die es verbreitete, unbemerkt blieb, sein Inhalt aber registriert wurde, bevor die Person, die das Flugblatt fand, es erschrocken fallen ließ. Das erforderte eine auffällige Gestaltung, wie sie mit den bescheidenen Mitteln der Wachsmatrizen und Abziehapparate kaum zu erzielen war.

Trotzdem gibt es hervorragende Beispiele derartiger Gegenpropaganda. Ich möchte eines vorstellen - nicht nur, weil ich es für das gelungenste seiner Art halte, sondern weil es den Kontext zeigt, in dem illegale Propaganda verbreitet wurde. Das querformatige Flugblatt, das die vom Kommunistischen Jugendverband organisierte "Gruppe Soldatenrat" im September 1941 verbreitete, findet sich in einem Original in der Dauerausstellung des DÖW. Das Flugblatt zeigte eine einfache Landkarte der Sowjetunion, auf der die von der Deutschen Wehrmacht besetzten Gebiete schraffiert so dargestellt waren, dass sie gegenüber dem riesigen Rest der unbesetzten Teile der Sowjetunion unbedeutend erschienen. In dem nur wenige Zeilen umfassende Text hieß es, selbst die Besetzung dieses verhältnismäßig kleinen Teils der Sowjetunion sei mit dem Verlust von 4 Millionen Mann "teuer erkauft" worden und die Mittelmächte, die 1918 schon die ganze Ukraine besetzt hatten, hätten den Krieg trotzdem verloren. Und dann die eine Zeile in gesperrter Schrift quer über die unermesslichen Weiten Sibiriens geschrieben: "Hitler hat den Krieg schon verloren!"

Das Flugblatt wurde unter anderem in der Form verbreitet, dass es als Brief an Soldaten geschickt wurde, deren Feldpostnummern man in Erfahrung gebracht hatte. Auch bei jemandem, der nur für Sekunden einen Blick auf das Flugblatt warf, blieb eine Botschaft hängen, die den nationalsozialistischen Siegesmeldungen des Herbst 1941 diametral widersprach - und das in einer Art, die möglicherweise zum Nachdenken anregte: Russland ist groß, erst ein kleines Stück davon ist in deutscher Hand, vielleicht ist der Krieg schon durch den Angriff auf Russland verloren.

Das Risiko war groß. Jedes Flugblatt legte eine Spur, die der Gestapo die Verfolgung erleichterte. Die teilweise erst 16, 17 Jahre alten Burschen und Mädchen, die dieses Flugblatt der "Gruppe Soldatenrat" verbreiteten, wurden nach ein, zwei Jahren fast alle verhaftet, viele von ihnen hingerichtet.

Flugblätter vermochten aber auch Mut zu machen, indem sie anderen zeigten, dass es da noch mehrere gab, die Widerstand leisteten, dass es Menschen gab, die nicht bereit waren, vor den Verbrechen des Regimes die Augen zu verschließen, und die nicht an den "Endsieg", sondern an die Niederlage Hitlers glaubten.




Organisationsformen des "linken" Widerstands

"Linker" Widerstand hatte dem aus katholisch-konservativer oder habsburgisch-legitimistischer Gesinnung heraus geleisteten Widerstand eine wichtige Erfahrung voraus: Vier Jahre Widerstand gegen den austrofaschistischen Ständestaat. Doch die Gestapo war nicht die Polizei des Ständestaats, obwohl viele Polizisten nach 1938 weiterbeschäftigt wurden und unter der neuen Herrschaft zeigten, wozu sie fähig waren. Die RS-Führung zog daraus die bereits erwähnte Konsequenz der Stilllegung der Organisation. Doch die Organisation war von zentraler Bedeutung gewesen für die politische Identität, das sozialdemokratische Milieu ist geprägt gewesen von der Organisation, sogar noch in der Zeit der Illegalität seit dem Februar 1934. Wo die Organisation wegfällt, zerbröselt letztlich das Milieu - zuallererst bei den Jungen, denen die Sozialisation in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen fehlte, die die Generation der vor 1920 Geborenen geprägt hatte. Durch die Einberufungen zur Wehrmacht ab Kriegsbeginn wurden auch noch die verbliebenen informellen Strukturen unter den jüngeren Jahrgängen weitgehend zunichte gemacht. Trotzdem lebten sozialdemokratische Organisationsformen und sozialdemokratisches Politikverständnis auch unter den Bedingungen der NS-Diktatur fort, wenngleich fast ausschließlich in nur lose zusammenhängenden Kleinstgruppen, die sich zu Freizeitaktivitäten trafen, die jedem Gestapo-Spitzel als harmlos erscheinen mussten. Erwähnt werden soll aber auch die erfolgreiche Fluchthilfe für jüdische Funktionäre unmittelbar nach dem 11. März 1938.

Während es früheren Angehörigen sozialdemokratischer Organisationen vor allem darum ging, in der einen oder anderen Art organisatorische Zusammenhänge auf lokaler Ebene aufrechtzuerhalten, für die "Zeit danach" gerüstet zu sein, verfolgte die KPÖ ein nationales politisches Konzept, "national" im doppelten Sinn des Wortes: die bereits in den Jahren vor dem "Anschluss" ausgearbeitete national-patriotische Linie wurde nicht nur lokal, sondern als überregionale Organisation vertreten, die Kommunistinnen und Kommunisten verstanden ihre Partei als Organisatorin eines nationalen Freiheitskampfes. Dass dies keine nachträgliche, dem antifaschistischen Widerstand aufgepfropfte Interpretation aus der Sicht des Parteiverständnisses in der Zweiten Republik ist, wie der KPÖ von vielen ihrer linken Kritiker unterstellt wird, sondern tatsächlich dem Selbstverständnis der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer entsprach, geht sowohl aus den erhaltenen Dokumenten als auch aus der von Wolfgang Neugebauer zitierten Einschätzung der Gestapo hervor, die darin geradezu den entscheidenden Unterschied zwischen "Marxisten", sprich: Sozialdemokraten, und "Kommunisten" sah.

Dieses Selbstverständnis schloss die Zugehörigkeit zur kommunistischen Weltbewegung und die ideologisch-politische Ausrichtung an der Sowjetunion mit Josef Stalin an der Spitze ein. Dazu gehörte die Anleitung durch eine Zentrale, die angesichts des NS-Terrors im Inneren nur eine Auslandsleitung sein konnte, die zuerst in Prag, dann in Paris und schließlich in Moskau saß. Organisatorische Hauptschwierigkeit war die Herstellung der Kontakte zwischen der Leitung und den Untergrundorganisationen im Lande bzw. zwischen den einzelnen aus konspirativen Gründen möglichst klein gehaltenen Organisationen in Österreich. Da man auf Kuriere angewiesen war, kam es zu Verzögerungen bei der Weitergabe von Instruktionen. Funk bzw. Radio wurden nur für nachrichtendienstliche Tätigkeit eingesetzt, andere Telekommunikationseinrichtungen standen nicht zur Verfügung. In welchem Umfang der ab Ende 1942 von der Sowjetunion aus betriebene "Freiheitssender Österreich" in Österreich empfangen wurde, kann nur schwer eingeschätzt werden. Es gab eine kurze Periode, in der die Kommunikationsprobleme von Vorteil waren: In der Zeit des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts von Ende August 1939 bis zum Juni 1941 enthalten die Dokumente, die uns von den illegalen Parteigruppen im Lande überliefert sind, in vielen Fällen - trotz der verständlichen Verwirrung über den Pakt - zutreffendere Analysen als die Äußerungen der Parteiführung in Moskau, die ihre Entscheidungen allerdings angesichts der Erfahrung mit dem stalinistischen Terror seit Mitte der dreißiger Jahre zu treffen hatte, was unabhängigen politischen Analysen nicht gerade förderlich war.

An dieser Stelle möchte ich mit einer immer noch verbreiteten Legende aufräumen: Der kommunistische Widerstand im deutschen Herrschaftsbereich wurde in der Periode des so genannten Hitler-Stalin-Paktes nicht unterbrochen, wie Helmut Konrad schon vor mehr als 25 Jahren für die Kommunistischen Parteien Österreichs und der Tschechoslowakei nachgewiesen hat. Die von der Gestapo ab 1941/42 aufgedeckten kommunistischen Netzwerke waren in den Jahren zuvor geknüpft worden.

Zentrales Anliegen der illegalen KPÖ war die Propagierung und organisatorische Vorbereitung des nationalen Befreiungskampfes gegen die hitlerdeutsche Fremdherrschaft. Dazu wurden Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen und Einzelpersonen gesucht, ab 1943 - als überparteilich konzipierte - Organisationen unter dem Namen "Österreichische Freiheitsfront" gegründet. Kommunistisch inspirierte Partisanengruppen umfassten meist nur wenige Personen, sie entstanden zuerst in der Steiermark und Kärnten, später auch im Salzkammergut. Die Versorgung dieser Gruppen gehörte fortan zu den wichtigsten Aufgaben der Parteiorganisationen, wobei sich insbesondere Frauen große Verdienste erwarben - ein lange Jahre vergessener Aspekt des Widerstands, den der Oberösterreicher Peter Kammerstätter in zahlreichen Interviews mit Überlebenden herausgearbeitet hat.

Militärischer Widerstand erfolgte aber nicht nur als bewaffneter Kampf oder Vorbereitung darauf - hier muss insbesondere auf die von der KPÖ organisierten fünf so genannten Österreichischen Freiheitsbataillone im Rahmen der jugoslawischen Partisanenarmee hingewiesen werden -, sondern auch in der Form, dass die Kriegführung der Deutschen Wehrmacht behindert wurde. Das geschah einerseits durch Sabotage in den Rüstungsbetrieben, andererseits durch die so genannte Mädelarbeit, die vor allem von aus Österreich stammenden Frauen und Mädchen in Belgien und Frankreich innerhalb der dortigen Besatzungssoldaten mit dem Ziel betrieben wurde, diese zur Desertion zu bewegen oder wenigstens Informationen zu sammeln, die dann an lokale Résistance-Gruppen weitergegeben wurden. Einige dieser Frauen kamen ab 1943, getarnt als französische Fremdarbeiterinnen, zurück nach Wien und halfen hier beim Wiederaufbau der von der Gestapo zerschlagenen KPÖ-Gruppen mit.

Eine der wirkungsvollsten militärischen Aktionen wurde in den Tagen der Befreiung Wiens in Ottakring und Hernals von ganz jungen Kommunistinnen und Kommunisten, die sich seit 1944 im so genannten KJV 44 organisiert hatten, durchgeführt, als kriegsmüde Wehrmachtssoldaten zur Übergabe von Waffen und Munition überredet wurden. So bewaffnet gelang es, die in den Westbezirken stationierte SS teilweise zu entwaffnen und eine kampflose Übergabe von Teilen dieser Bezirke an die einrückende Rote Armee zu ermöglichen, somit den Krieg abzukürzen, Menschen zu retten und Häuser vor der Zerstörung zu bewahren.

Sie werden von mir in diesem Referat keine Namen kommunistischer Widerstandskämpferinnen und -kämpfer hören. Nach welchem Kriterium soll ich sie auswählen? Mich nur auf die Hingerichteten oder die in den Konzentrationslagern Ermordeten beschränken? Selbst in diesem Fall müsste ich Ihnen die Namen von zweitausend Menschen aufzählen. Aber ich möchte wenigstens kurz auf die Motive der Aktivistinnen und Aktivisten des kommunistischen Widerstands eingehen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Das Hauptmotiv lässt sich in einem Satz zusammenfassen: "Nicht warten, dass uns die anderen befreien!" Damit werden Fragen der Politik und der Moral angesprochen. Die politische Überlegung lautete, dass nur ein eigener österreichischer Betrag zum Kampf gegen Hitler die Chance bietet, nach der Befreiung eine selbständige österreichische Politik entwickeln zu können. Die ethischen Beweggründe beruhten darauf, dass man doch nicht untätig zusehen könne, wie Millionen von Soldaten in den alliierten Armeen, ohne um ihr Einverständnis gefragt worden zu sein, ihr Leben aufs Spiel setzten mussten, um an der Befreiung Europas - und damit Österreichs - mitzuwirken.

Das fatale Dilemma der kommunistischen Organisationen war, dass die Instruktionen von außen nur über wenige Relais-Stellen nach Österreich gelangen konnten - die wichtigsten waren Zagreb, Bratislava und Zürich - und von diesen war zwei, nämlich Zagreb und Bratislava, von der Gestapo mit Konfidenten durchsetzt, sodass jeder ins Land geschickte Kurier, ohne es zu wissen, den Polizeispitzeln den Weg in die Organisationen wies. Dass die Organisationen trotzdem nicht vollkommen aufgerieben werden konnten, zeugt von der Wirksamkeit der konspirativen Schutzmechanismen. Auch diese wurden übrigens zentral an die Organisationen weitergegeben. Dort, wo kommunistische Organisationen auf sich allein gestellt aufgebaut wurden, d. h. dort wo die Anleitung fehlte, war - wie Beispiele aus Niederösterreich zeigen - die Wahrscheinlichkeit groß, dass Organisationsstrukturen aus der Zeit vor 1938 weitergeführt wurden, wozu auch schriftliche Aufzeichnungen gehörten, die, einmal in die Hände der Gestapo gelangt, zur Verhaftung ganzer Gruppen führten.

Dort, wo im sozialdemokratischen Bereich Widerstand nicht nur lokal organisiert, sondern überregional vernetzt wurde, waren sozialistische Widerstandskämpfer denselben Gefährdungen ausgesetzt wie die KPÖ-Gruppen, wie das Schicksal der von Wolfgang Neugebauer bereits erwähnten Organisation von Otto Haas beweist - ein weit verzweigtes sozialistisches Netzwerk, das von der Gestapo im Sommer 1942 aufgerollt werden konnte. Gemäß der großdeutschen Orientierung der Revolutionären Sozialisten unterhielt Haas' Gruppe Kontakte zu deutschen Sozialdemokraten und sah ihre erste Aufgabe nicht in der illegalen Propaganda, von der man sich ganz fern hielt, sondern darin, Informationen zu sammeln und sich auf einen möglichen revolutionären Umsturz im Falle einer Krise des Hitler-Regimes vorzubereiten, was auch Verbindungen mit dem Ausland - bis 1940 zu sozialdemokratischen Exilkreisen in Paris, später zum britischen Nachrichtendienst - mit einschloss. Voraussetzung sowohl für die Aufrechtererhaltung des ideologischen Zusammenhalts als auch für die Weitergabe der gesammelten Informationen war, dass die illegalen Gruppen untereinander Kontakt hielten. Als in Salzburg, wo sich die Sozialisten zu Verhandlungen mit Kommunisten getroffen hatten, die KPÖ-Organisation von der Gestapo zerschlagen wurde, war trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auch die Verhaftung der sozialistischen Kader nur mehr eine Frage der Zeit, da nicht alle Verhafteten den Folterungen standhalten konnten.




Betriebsgruppen

Neben der kommunistischen und sozialistischen, durch zentrale Funktionäre gelenkten Organisationstätigkeit entstanden Widerstandsgruppen aber auch spontan, wobei in den meisten Fällen Kontakt zu bestehenden Organisationen und Leitungen gesucht wurde. Ausgangspunkt dieser Organisationstätigkeit von unten waren in vielen Fällen Verhaftungen von Kolleginnen und Kollegen, nicht selten aber auch Willkürmaßnahmen der Betriebsleitung. Diese so genannten Betriebsgruppen sammelten in erster Linie Unterstützungsgelder und führten so die seit den zwanziger Jahren seitens der Kommunistischen Parteie aufgebaute internationale Solidaritätsorganisation "Rote Hilfe" unter veränderten Bedingungen fort. Von den NS-Behörden wurde jede derartige Unterstützungsleistung als Vorbereitung zum kommunistischen Hochverrat mit drakonischen Strafen verfolgt. Wirklich erfolgreich waren derartige lokale Organisationen meistens dort, wo in Form von Industriedörfern oder Arbeitersiedlungen eine kompakte, manchmal über Jahrzehnte gewachsene proletarische Subkultur bestand, in der die Angehörigen derartiger Widerstandsgruppen relativ sicher vor Denunziationen sein konnten. Die Verfolgung der Organisierung von Unterstützungsleistungen im Rahmen der "Roten Hilfe" stieß bei vielen Arbeiterinnen und Arbeitern auf großes Unverständnis und führte den illegalen Gruppen erst recht Sympathisanten zu, was den NS-Behörden nicht gleichgültig sein konnte. Aus Niederösterreich kennen wir Beispiele, wo die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt die Unterstützung der Familien verhafteter Arbeiter übernahm, um der "Roten Hilfe" den Boden zu entziehen.

Diese Betriebsgruppen bildeten die wichtigste Basis der Verankerung der illegalen KPÖ innerhalb der Arbeiterschaft. Besonders stark waren diese Betriebsgruppen innerhalb der Deutschen Reichsbahn. Diese Gruppen konnten außerdem die Funktion von unauffälligen Kurieren übernehmen, weshalb ihnen im Organisationsgefüge nicht nur der illegalen KPÖ, sondern beispielsweise auch der erwähnten revolutionärsozialistischen Gruppe um Otto Haas eine besondere Rolle zukam.




Nach 1945

Abschließend möchte ich kurz auf die Frage eingehen, wie SPÖ und KPÖ nach 1945 mit "ihrem" Widerstand umgingen.

Für die SPÖ ist eine klare Schwerpunktsetzung sowohl ihrer antifaschistischen Gedenkveranstaltungen als auch von Artikeln und Büchern auf das Jahr 1934 bzw. auf den Widerstand gegen den Austrofaschismus festzustellen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand: Sozialistische Widerstandsgruppen zwischen 1938 und 1945 waren eine rare Ausnahme gewesen, während die Revolutionären Sozialisten vor 1938 eine relevante politische Kraft dargestellt hatten. Das Gedenken an diesen Kampf diente nicht nur der parteiinternen Selbstvergewisserung, sondern passte auch in die trotz Großer Koalition heftig geführte vergangenheitspolitische Auseinandersetzung mit der ÖVP.

Die KPÖ, die seit den Tagen der Befreiung 1945 mit dem Image der "Russenpartei" zu kämpfen hatte, bezog einen Gutteil ihrer politischen Legitimität als Gründungspartei der Zweiten Republik aus ihrer überragenden Rolle im Widerstandskampf und der hohen Zahl ihrer politischen Opfer.

Für die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung der Zweiten Republik bedeutete dies eine zusätzliche Delegitimierung des Widerstands, nicht nur des linken, und eine Bestätigung der eigenen Rolle als Anhänger des NS-Regimes, Mitläufer oder Abseitsstehende. Das offizielle Österreich hat lange Jahrzehnte hindurch wenig bis nichts unternommen, um dieses Bild zu korrigieren.
Es wäre eine Übertreibung, der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und den Sozialistischen (heute Sozialdemokratischen) Freiheitskämpfern einen relevanten Einfluss innerhalb ihrer jeweiligen Parteien zuzuschreiben.
Und es dauerte bis 1975, bis die Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer mit einer Befreiungsmedaille geehrt wurden.

Referat im Rahmen der Tagung "Widerstand in Österreich 1938-1945" im Parlament,
Wien, 19. Jänner 2005

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