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Stellungnahme EU-Verfassung

  • Samstag, 1. Januar 2005 @ 22:22
Europa Nein zur EU-Verfassung! Volksabstimmung!
Im Jahre 2002 begann der aus VertreterInnen des Europäischen Parlaments sowie der nationalen Parlamente der Mitgliedsländer und der Regierungen zusammengesetzte Konvent mit der Erarbeitung einer EU-Verfassung, die als Entwurf im Jahre 2003 vorgelegt wurde. Der luxemburgische Ministerpräsident Juncker bezeichnete den Konvent als „dunkelste Dunkelkammer“, was für dessen Charakter spricht. Nicht genug damit, wurden 340 der 460 Artikel gar nicht vom beauftragten Konvent erarbeitet, sondern nach Absprache zwischen den Regierungen Deutschlands und Frankreichs in das Papier hineinreklamiert.


Nachdem eine Beschlussfassung beim EU-Gipfel im Dezember 2003 am Einspruch von Spanien und Polen scheiterte, konnte erst im zweiten Anlauf im Juni 2004 eine Einigung der nunmehr 25 Mitgliedsländer erzielt werden. Die Verfassung soll nach dem Ratifzierungsprozess durch die nationalen Parlamente oder Volksabstimmungen 2009 in Kraft treten.

Um die Gefahr eines Auseinanderbrechens der EU im Falle der Nichtratifizierung durch einzelne Länder zu vermeiden, werden schon jetzt Inhalte der Verfassung realisiert und Fakten geschaffen, vor allem im militärischen und außenpolitischen Bereich. Bis 2007 soll eine Evaluierung des Ratifizierungsprozesses erfolgen und es ist durchaus möglich, dass sich nur ein Teil der Mitgliedsländer auf die Verfassung stützt, es also zu einem „Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten“ kommt, wie das bereits jetzt beim Euro und dem Schengen-Abkommen der Fall ist.

Die Erarbeitung einer EU-Verfassung hängt mit der Weiterentwicklung der EU als „Europa der Konzerne“ und dem Anspruch, eine mit den USA ökonomisch, politisch und militärisch gleichwertige Weltmacht zu werden, zusammen – auch wenn die imperialen Ansprüche der EU nicht so offen deklariert werden. Die Verfassung ist auch eine Reaktion auf die sinkende Akzeptanz der EU in den Mitgliedsländern, wie sie etwa durch die Volksabstimmungen über Nizza-Vertrag (Irland), Maastricht-Vertrag (Dänemark) oder Euro (Dänemark, Schweden) deutlich wurde.

Neoliberales Modell festgeschrieben
Die EU-Verfassung ist im Unterschied zu anderen Verfassungen nicht neutral, sondern schreibt das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell als „offene Marktwirtschaft“ und „freien Wettbewerb“ für das „Europa der Konzerne“ fest. So sind etwa die vier Grundfreiheiten des Maastricht-Vertrages (Warenverkehr, Güterverkehr, Personenverkehr, Dienstleistungsverkehr) sowie der Binnenmarkt und damit die umfassende Mobilität für die Interessen des Kapitals ein zentraler Maßstab dieser Verfassung. Auch die Verankerung einer rein monetären Politik mit Preisstabilität als oberste Priorität durch den Stabilitätspakt und der Europäischen Zentralbank (EZB) als autonome Institution – die ohne Weisungen der Politik, wohl aber auf Zurufe der Konzerne agiert – bestätigen diesen Charakter der Verfassung mit dem Ziel einer Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten von Kapital und Vermögen.

Während es für die Budgetpolitik konkrete Auflagen in Form der Maastricht-Kriterien gibt, sind für die Sozialpolitik nur unverbindliche Absichtserklärungen enthalten, welche durch die ökonomischen Vorgaben unterlaufen werden. Gleichzeitig wird auf eine eigene Eurosteuer als Finanzierungsgrundlage orientiert. Auch die Liberalisierung und Deregulierung und als deren Folge die Privatisierung öffentlichen Eigentums insbesondere im Bereich der Grundversorgung ist in der Verfassung festgeschrieben.

Für die Umweltpolitik sind der Ausbau der riskanten Atomenergie durch die Verankerung von EURATOM und einen Freibrief für einen ungehinderten Transit durch den Ausbau der Transeuropäischen Netze (TEN) auf Kosten der Umwelt charakteristisch.

Kurs auf Supermacht EU
Die Verfassung zielt durch die Verankerung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der Euro-Armee, Kampfeinsätzen zur Wahrung „europäischer Interessen“, der Verpflichtung zur Aufrüstung, Schaffung einer Europäischen Rüstungsagentur im Verfassungsrang und letztlich einem eigenständigen EU-Rüstungsbudget auf eine Militärunion und Weltmacht EU in direkter Konkurrenz zu den USA.

Die vorgesehene militärische Beistandspflicht und die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ zur Konzentration der Außen- und Sicherheitspolitik ist mit der österreichischen Neutralität absolut unvereinbar und bedeutet die Fortsetzung der seit Jahren praktizierten Politik einer gezielten Zersetzung der Neutralität ohne diese formell abzuschaffen. Mit dem 1998 beschlossenen Artikel 23f der Bundesverfassung ist die neutralitätswidrige Beteiligung an Kriegseinsätzen durch Regierungsentscheidung möglich. Der Kontrapunkt dazu sind die Inhalte des Friedensvolksbegehrens.

Die Kehrseite der Verankerung eines EU-Präsidenten und eines EU-Außenministers ist der Verlust einer eigenständigen Außen- und Verteidigungspolitik der Mitgliedsländer durch die Übertragung an die EU-Gremien, etwa bei den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO). Besonders gravierend ist die in der Verfassung verankerte Selbstermächtigung der EU für Kriegseinsätze ohne UNO-Mandat.

Unter Berufung auf „Terrorismusbekämpfung“ werden nicht nur Interventionen nach außen, sondern auch militärische Maßnahmen im Inneren legitimiert. Zementiert wird in der Verfassung mit dem Bereich Innen und Recht auch der restriktive Charakter der EU durch das Schengen-Regime. Die repressiven Apparate (Europol, Eurojust, Europäische Staatsanwaltschaft) werden ausgebaut.

„Kerneuropa“ bestimmt
Die politische Konstruktion des erweiterten Europa zielt auf eine Zentralisierung politischer Entscheidungen. Schritte dafür sind die Reduzierung des Vetos und die Abschaffung der Rotation im Europäischen Rat, die Verkleinerung der Kommission – in welcher künftig nicht mehr alle Mitgliedsländer vertreten sein sollen – und des Rates sowie die Ausweitung der qualifizierten Mehrheit von 43 auf 78 Artikel. Die Veränderung der Stimmengewichtung durch die „doppelte Mehrheit“ (Mehrheit der Staaten und 65 Prozent der Bevölkerung) bedeutet eine Stärkung der großen EU-Länder und eine Schwächung der mittelgroßen Länder.

Das zum „Ausgleich“ propagierte „Europa der Regionen“ dient demnach nur zur Absicherung der Konzeption eines „Kerneuropa“ mit Dominanz von Deutschland und Frankreich auf Kosten von Resteuropa und der kleineren Länder. Der Ausschuss der Regionen (AdR) hat ebenso wie der Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Alibifunktion. Durch Forcierung nationaler Strömungen in den Regionen kann Deutschland als größter homogener nationaler Block seine Dominanz sichern. Die geplante Änderung der Agrarförderung – derzeit 80 Prozent des EU-Budgets – zielt auf eine Schwächung der Südstaaten.

Mit der Verfassung wird deutlich, dass EU-Recht nationales Recht bricht. Vor allem in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik erfolgt eine massive Stärkung der EU-Kompetenzen.

Ökonomisierung der Politik
Die EU-Verfassung bedeutet nicht mehr, sondern weniger Demokratie. Eine Realisierung der formal vorhandenen Grundrechte steht im auffälligen Widerspruch zu den ökonomischen und finanziellen Vorgaben. Die Schaffung Europäischer Politischer Parteien zielt auf die Ausschaltung oppositioneller Strömungen und langfristig auf ein Zweiparteiensystem verbunden mit einem Mehrheitswahlrecht.

Rund 80 Prozent der nationalen Kompetenzen sind nach Brüssel gewandert. Mit einer EU-Verfassung werden die nationalen Verfassungen weitgehend aufgehoben. Trotzdem bleibt die Stellung des Europäischen Parlaments – das auch künftig keine Gesetzesinitiative besitzt und nicht die Exekutive wählt – schwach. Die maßgeblichen Entscheidungen fallen damit weder in den nationalen Parlamenten noch im EP, sondern in einem demokratiefreien Raum (EZB, EAR, EAA...) maßgeblich bestimmt von Lobbies und Bürokratie sowie zunehmend einem Militärisch-Industriellen Komplex. Es erfolgt eine zunehmende Ökonomisierung der Politik unter Berufung auf Sachzwänge und eine dem neoliberalen Kapitalismus eigene angebliche Selbstregulierung aller wesentlichen Fragen durch den Markt.

Die Verankerung des Rechts auf Austritt in der Verfassung ist nur ein formal demokratisches Verständnis, da ein Austritt angesichts der forcierten Integration und der Verflechtung des Kapitals praktisch kaum mehr möglich und mit einem langwierigen Prozess von Austrittsverhandlungen und Kostenabgeltungen verbunden ist.. Ein Austritt ist nicht mehr als souveräne Entscheidung eines Mitgliedslandes, sondern nur mit mehrheitlicher Zustimmung durch EU-Parlament und Ministerrat möglich. Umso mehr sind internationalistische Alternativen der EU-kritischen Kräfte als Gegengewicht zum ökonomischen und politischen Agieren des Kapitals notwendig.

Breite Information und Volksabstimmung
Die KPÖ-Oberösterreich lehnt diesen Verfassungsentwurf grundsätzlich ab, weil er allen sozialen, demokratischen und friedenssichernden Ansprüchen zuwiderläuft und ganz unverhüllt auf die Entwicklung einer „Supermacht“ Europa im Interesse der Konzerne und in Konkurrenz zu den USA zielt. Die EU-Verfassung bedeutet damit im Kern nichts anderes als die Anpassung der politischen Handlungsfähigkeit an die wirtschaftliche Stärke.

Österreich ist in einer Reihe spezifischer Fragen durch die Verfassung besonders betroffen. Solche Themenbereiche sind die Neutralität, Transitverkehr, Atomkraft, Sozialstaat, öffentliches Eigentum und Demokratie. Angesichts der weit reichenden Bedeutung der EU-Verfassung und weil von der österreichischen Regierung der Öffentlichkeit alle wesentlichen Aspekte der EU-Verfassung verschwiegen werden fordert die KPÖ eine Volksabstimmung und eine damit verbundene breite öffentliche Debatte.

Auch namhafte Verfassungsrechtler halten eine Volksabstimmung für notwendig, weil die EU-Verfassung eine weit reichende Änderung der österreichischen Bundesverfassung bedeutet. Vor der Europaparlamentswahl haben sich einzelne Kandidaten für eine Volksabstimmung ausgesprochen. Ein Drittel der Abgeordneten des Nationalrates oder des Bundesrates kann eine solche Volksabstimmung beantragen. Jetzt wird es darauf ankommen, diesen elementaren demokratischen Grundanspruch einzufordern.

Die KPÖ tritt die europaweite Kooperation der EU-kritischen Kräfte und für ein linkes Nein zu dieser Verfassung ein, wie es auch in der gemeinsamen Erklärung von 19 kommunistischen und Linksparteien zum Europäischen Sozialforum 2003 in Paris sowie durch das ESF selbst vertreten wird. Die KPÖ tritt gemeinsam mit fortschrittlichen Kräften in den anderen EU-Ländern für ein anderes Europa, nämlich für ein demokratisches, soziales, friedliches und solidarisches Europa ein. Gerade die Neutralität Österreichs stellt dabei eine klare Gegenposition zu dem von der EU eingeschlagenen Kurs der Aufrüstung und Entwicklung zu einer Supermacht dar. Die Option eines Austritts aus der EU versteht die KPÖ dabei als radikale Infragestellung des „Europa der Konzerne“. Denn: Ein anderes Europa ist möglich, ein anderes Europa ist notwendig!

Stellungnahme des Landesvorstandes der KPÖ-Oberösterreich vom 4. Dezember 2003, überarbeitet im Juni 2004.

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