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Athener Erklärung des 1. Parteitages der Europäischen Linken

  • Sonntag, 30. Oktober 2005 @ 20:31
Europa Wir, die Partei der Europäischen Linken, die sich am 29. und 30. Oktober 2005 in Athen versammelt hat, sind der Auffassung, dass die Krise, die in Europa herrscht, keine Grenzen kennt, aber ihre Verantwortlichen hat: Brüssel, die nationalen Regierungen und deren neoliberale Politik. Jahr um Jahr haben sie sich dafür entschieden, und das Ergebnis ist heute für alle offenbar.

Wir sehen aber auch, dass die Völker, die Opfer dieser Politik sind, den Kampf dagegen aufgenommen haben und nach Alternativen suchen. Europa muss auf der Basis von Frieden, Demokratie, der vollen Achtung der sozialen und Menschenrechte neu begründet werden. Das ist unser Streben und unsere Hoffnung: Die Bürger Europas müssen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen.

Diese Aktion und diese Erklärung der Solidarität wendet sich zugleich an alle Bewegungen und politischen Kräfte der Linken, die die Prioritäten gemeinsam umkehren und die bisherige Politik ändern wollen.

Die Europäische Linke und ihre Mitgliedsparteien sind entschlossen, zusammen mit sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und politischen Linken für ein anderes Europa zu kämpfen. Denn ein anderes Europa ist möglich. Daher geben wir allen Aktionen und Initiativen auf europäischer Ebene gegen Neoliberalismus und Krieg unsere volle Unterstützung, insbesondere dem 4. Europäischen Sozialforum, das nach Athen einberufen ist.

Wir sind entschlossen, die Tragödien von Arbeitslosigkeit und ungesicherten Arbeitsverhältnissen aus der Welt zu schaffen.

Wir sind entschlossen, gegen soziale Ausgrenzung zu kämpfen und Arbeitsbeschaffungsprogramme zu unterstützen. Wir setzen uns für neue Arbeitsplätze, für die Verkürzung der Arbeitszeit, für die Umwandlung prekärer Beschäftigung in stabile, korrekt bezahlte Arbeitsplätze ein. Die Partei der Europäischen Linken wird dazu eigene Vorschläge entwickeln.

Wir unterstützen jede Politik, die zum Ziel hat, die Vernichtung von Arbeitsplätzen zu beenden. Wir verurteilen betrügerische Bankrotte und Arbeitsplatzverlagerungen. Wir halten es für äußerst wichtig, die Sozialsysteme (einschließlich staatlicher Renten) zu erhalten und umzubauen sowie lebenslangem Lernen Priorität zu geben.

Wir fordern ein neues Modell von Produktion, Verteilung und Konsumtion.

Wir kämpfen für die sofortige Rücknahme der Bolkestein-Richtlinie und des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleitungen (GATS).

Deregulierung von Beschäftigung in Europa und Sozialdumping in den Entwicklungsländern sind zwei Seiten einer Medaille. Beide bringen ausschließlich den multinationalen Konzernen Vorteile, verschärfen den Wettbewerb unter den Arbeitnehmern und betreffen vor allem Frauen. Ein besonderes Programm ist nötig, um ein neues Verhältnis zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit herzustellen, um durch gleiche Vergütung die Arbeitsteilung nach dem Geschlecht zu überwinden.

Statt der Verlagerung von Arbeitsplätzen schlagen wir die Verbesserung der Arbeitszeitregelungen und der Arbeitsbedingungen, die Einhaltung der Umweltstandards in der Produktion sowie die Weiterentwicklung der Sozial- und Lohnsysteme vor. Eine grundsätzliche Voraussetzung sind mehr Transparenz, mehr Demokratie und mehr Mitsprache der Beschäftigten am Arbeitsplatz.

Nur durch die Verteidigung unserer Rechte, nicht durch ihre Aufgabe können wir eine gerechtere Welt erreichen.

Wir bestehen auf einer dringenden Umorientierung der Haushalts- und Währungspolitik der EU.

Die Europäische Zentralbank muss unter demokratische Kontrolle sowie in den Dienst von Beschäftigung und Entwicklung gestellt werden, die frei von den Forderungen der Finanzmärkte sind. Dabei ist den weniger entwickelten Regionen der EU besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir fordern ein Ende des Stabilitätspaktes zugunsten einer europäischen Sozialpolitik.

Wir setzen uns für die Stärkung der öffentlichen Dienstleistungen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene ein.

Wir wenden uns gegen Privatisierungen und neoliberale Richtlinien, die solche Gemeinschaftsgüter wie Wasser, Energie, Kultur, Bildung und Gesundheitsfürsorge zur Ware machen. Lebensnotwendige Dienstleistungen dürfen nicht vom Streben nach Profit bestimmt werden, sondern von Qualitätsstandards, wie sie die Bevölkerung fordert.

Wir sind gegen eine Migrationspolitik, die auf Polizeieinsatz und Terrorismusbekämpfung orientiert.

Die kürzlichen Vorkommnisse von Lampedusa, Amsterdam und Melilla, die Lage von Hunderten so genannter Boat People in Italien und Griechenland, die unerträglichen Zustände in den Auffanglagern für MigrantInnen zeugen von der Grausamkeit und dem Scheitern eines Kurses, der Europa zur Festung ausbauen will. Eine neue Politik ist nötig, die auf der Achtung der Menschenwürde beruht und MigrantInnen gleiche Arbeitnehmerrechte gewährt, die eine wichtige Errungenschaft der Arbeiterbewegung Europas sind. Diese Politik erfordert die Legalisierung aller MigrantInnen und strategische Unterstützung für Entwicklung.

Wir treten ein für eine Welt ohne Krieg und fordern eine europäische Friedenspolitik gegen die Kriegslogik der militärischen Supermacht. Wir kämpfen für gesamteuropäische Kooperation und Solidarität, um den Frieden zu fördern.

Europa braucht kein aggressives Bündnis, das die Rolle der UNO untergräbt, den Frieden zu sichern und friedliche Beziehungen zwischen allen Staaten der Welt herzustellen. Wir appellieren an die Völker Europas, von ihren Staaten zu verlangen, die Mitgliedschaft in der Militärstruktur der NATO aufzugeben sowie alle Militärstützpunkte der NATO und der USA unverzüglich aufzulösen. Die NATO in der heutigen Form ist unakzeptabel und die Forderung nach ihrer Abschaffung dringend geboten.

Abrüstung muss die Hauptfrage für ein Europa des Friedens sein. Die Europäische Linke fordert eine Reduzierung der Militärausgaben der Staaten. Europa muss ein von Massenvernichtungswaffen freier Kontinent werden. Alle Armeen europäischer Staaten sind unverzüglich aus dem Irak abzuziehen. Die Friedensbewegung darf in ihren Aktionen nicht nachlassen. Wir stimmen mit ihren Zielen voll überein, besonders der Mobilisierung der Öffentlichkeit zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk und mit den Friedenskräften in Israel.

Ohne eine politische Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Grundlage der UNO-Resolutionen wird es keinen Frieden in der Region geben. Das muss Europas Priorität im Nahostquartett sein, das Verantwortung trägt für die Umsetzung der "Road Map", für den Abriss der Mauer und den unverzüglichen Abzug Israels aus den besetzten Gebieten.

Wir widersetzen uns den Angriffen des Staates auf die bürgerlichen Freiheiten, auf soziale, demokratische und Arbeitnehmerrechte.

Die Ausnahmebestimmungen, die von den Regierungen eingeführt werden, sind ein Angriff auf die individuellen und kollektiven Rechte, die in vielen Jahren demokratischer Kämpfe errungen wurden. Wir werden kämpfen, um diesen gefährlichen Trend zu stoppen, denn gegen Freiheit und Demokratie ist keine Sicherheit zu erreichen.

Ja, wir können Europa verändern! Wir, die Partei der Europäischen Linken, nehmen diese Herausforderung an. Unsere Sicht auf Europa ist friedlich, sozialistisch, ökologisch und radikal demokratisch. Unsere Sicht ist zugleich feministisch, denn Geschlechtergleichheit und -demokratie in allen Lebensbereichen sind bei weitem noch nicht Realität. Zu unserer Sicht gehört die Anerkennung der Unterschiede in der Lebensgestaltung der Menschen.

Unsere Sicht ist internationalistisch, sie öffnet Europa zur Welt, befördert Kulturaustausch, Zusammenarbeit und eine neue Solidarität. Aus unserer Sicht ist das Mittelmeer ein Raum von fundamentaler Bedeutung für den Frieden.

Veränderung ist notwendig. Zwischen den Bürgern und den politischen Eliten gähnt eine tiefe Kluft. Der Sieg des Nein zum europäischen Verfassungsvertrag hat gezeigt, wie schwerwiegend der Bruch ist. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nicht gegen Europa. Die Mehrheit hat gegen die arrogante Politik des Liberalismus gestimmt, die die Krise zum Alltag in Europa macht.

Der Europäische Verfassungsvertrag ist heute politisch tot. Das hat den Raum für eine breite Debatte über den heutigen Zustand Europas geschaffen, damit unser Kontinent einer Zukunft in Wohlstand entgegengehen kann.

Wir sind gewillt, uns an einer breiten Bürgerbewegung für ein Manifest oder eine Charta der sozialen und politischen Rechte zu beteiligen, die zu dem Europa passt, das wir wollen. Ja, wir können Europa verändern!

Beschlossen vom 1. Parteitag der Europäischen Linken am 29. und 30. Oktober 2005 in Athen

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