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Das schwarzblaue Regierungsprogramm

  • Samstag, 1. Januar 2005 @ 20:29
Österreich Koalitionsvereinbarungen merkt man die Hektik an, unter der sie letztlich abgesegnet werden. Ausformulierte Passagen stehen da neben kryptischen Formulierungen, die erst in der kommenden Periode Gestalt annehmen. Nicht anders ist es mit dem Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ für den Zeitraum 2003-2006. Nachdem Verhandlungen mit SPÖ und Grünen scheiterten, weil Kanzler Schüssel mit 42 Prozent Rückenwind Gusenbauer und van der Bellen die Hosen ausziehen wollte, blieb die FPÖ als billiger Jakob. Wenn man von 27 auf 10 Prozent abstürzt, kann man nicht allzu forsche Forderungen stellen...

Die „Hämmer“ verbergen sich auch in diesem „Katalog der Grausamkeiten“ hinter wohlklingenden und geschraubten Formulierungen. Eine (unvollständige) Auswahl aus den 22 Abschnitten macht das deutlich, wobei durchgängig deutlich wird, daß die Entscheidungsfreiheit Österreichs durch die EU-Mitgliedschaft wesentlich eingeschränkt ist.

Kernpunkt unter „Demokratie und Staatsreform“ ist ein Österreich-Konvent nach dem Muster des EU-Konvents, das Ziel ist die Stärkung des weitgehend ausgehöhlten Föderalismus. Die ÖVP, in sechs der neun Länder die Nummer 1, will damit ihre Hegemonie nachhaltig absichern. Dazu sollen die Rechte und Steuerhoheit der Länder gestärkt und ihnen Kompetenzen vom Bund übertragen werden. Was bleibt, ist die Unsinnigkeit von neun verschiedenen Hundegesetzen oder Bauordnungen, die in einem „Europa der Regionen“ geradezu paradox wirken. Unter dem Stichwort eines „aufgabenorientierten Bevölkerungsschlüssels“ beim nächsten Finanzausgleich soll wohl die Umschichtung von Mitteln von den Städten zu den schwarz dominierten Kleingemeinden betrieben werden.

Vom „Friedensprojekt Europa“ ist unter „Europäische Union“ die Rede und es wird unterwürfig die Mitwirkung Österreichs in Konvent und Regierungskonferenz versichert. Die besonderen Interessen gelten aber revanchistischen Überlegungen und historischen Verbindungen, etwa durch Wahrnehmung der Interessen der „altösterreichischen Minderheiten“, eine EU-konforme Regelung des Kampfthemas Benes-Dekrete und der Förderung eines EU-Beitritts Kroatiens und anderer Balkan-Staaten. Darüber hinaus wird die EU-Erweiterung unter dem Gesichtspunkt der Standortsicherung betrieben.

Nicht neu ist, daß unter „Äußere Sicherheit und Landesverteidigung“ das Wort Neutralität nicht mehr vorkommt, das war schon im rotschwarzen Pakt von 1995 der Fall. Neben der Beistandsgarantie im Rahmen der EU mit 1.500 Austro-Soldaten für die Euro-Armee betreiben Schüssel & Co. aber eine Rückversicherung durch „konsequente Weiterentwicklung der Beziehungen Österreichs zur NATO“. „Nicht budgetwirksam“ soll der Ankauf von „Luftraumüberwachungsflugzeugen“ bis 2006 werden. Zusätzlich ist die weitere Aufrüstung des Bundesheeres geplant.

Unter „Inneres, Asyl und Integration“ sind die Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei und der Ausbau von Verfassungsschutz und Europol geplant, dazu wird auch der Einsatz von Videoüberwachungen geregelt. Asylanten dürfen sich auf eine Beschleunigung des Verfahrens in Hinblick auf eine Liste „sicherer Drittstaaten“ freuen, die Quotenregelung beim Neuzuzug bleibt.

Zahlreiche Aufgaben nimmt sich das Kabinett Schüssel II unter „Justiz“ vor. Zwar kommt eine Freigabe weicher Drogen keinesfalls in Frage. Dafür droht psychisch Kranken eine verbal harmlos verpackte Zwangsbehandlung, um das Abschieben lästiger Angehöriger in die Psychiatrie zu erleichtern. Als Liebesdienst für die Anwälte darf Minister Böhmdorfers geplanter Anwaltszwang bei Scheidungen verstanden werden.

„Wirtschaft und Standort“ sollen durch noch mehr Arbeitszeitflexibilisierung und Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gesichert werden. Geplant ist auch die Aufhebung der öffentlichen Mehrheit in der Energiewirtschaft. Bei den GATS-Liberalisierungen Gesundheit, Bildung, Wasser und Kultur auszunehmen darf wohl als Beschwichtigung interpretiert werden.

Im Kapitel „Verkehr“ steht sicher nicht zufällig der Ausbau des „hochrangigen Straßennetzes“ vor dem Schienenverkehr, dafür wird schon Staatssekretär Kukacka als „bekennende Betonierer“ und Verfechter einer Teilung der ÖBB sorgen. Mit der Finanzierung durch PPP-Modelle stehen uns wohl bald Privatautobahnen ins Haus...

Schwere Hämmer drohen unter „Arbeit und Soziales“, beginnend mit der Steigerung der Effizienz des AMS über die Abschaffung der Notstandshilfe zugunsten einer „Sozialhilfe neu“ und die Verschärfung, pardon Flexibilisierung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Zusätzlich wird nochmals die Arbeitszeitflexibilisierung „im Lichte der EU-Arbeitszeitrichtlinie“ betont. Für bedürftige Branchen wie Landwirtschaft und Tourismus sollen weiterhin ausreichend Saisoniers herangekarrt werden.

Unter „Pensionen“ wird scheinheilig die Beibehaltung des Umlageverfahrens betont. Mit der Ausdehnung der Durchrechnung auf 40 Jahre und Abschaffung der Frühpension sind jedoch schwere Einschnitte geplant. Als „Ausgleich“ soll die 2. („Abfertigung neu“ und Betriebspensionen) und 3. Säule (Privatvorsorge) der Pensionsfinanzierung über den Kapitalmarkt ausgebaut werden. Die vielzitierte „Hacklerregelung“ ist daher nur ein schwacher Trost. Das „einheitliche Pensionssystem“ bedeutet demnach eine Nivellierung nach unten, wobei besonders die Frauen mangels Versicherungszeiten unter die Räder kommen. Und damit auch jene, die bereits in Pension sind, davon etwas haben, werden künftige Pensionsanpassungen durch Einmalzahlungen und Fix- oder Sockelbeträge die Pensionen schmälern.

Bei „Gesundheit und Pflege“ wird beteuert, das „erprobte und bewährte solidarische Gesundheitssystem“ zu erhalten. Anstelle der gescheiterten Ambulanzgebühr tritt ein genereller Selbstbehalt als „Arztbesuchssteuer“ und den Pensionisten werden die Krankenversicherungsbeiträge auf 4,75 Prozent erhöht. Und wenn die Zusammenführung von Unfall- und Krankenversicherung so professionell erfolgt wie die Reform des Hauptverbandes in der letzten Periode, dann gute Nacht...

Die Überprüfung der Stundentafel durch Reduzierung der Schulzeit um zwei Stunden im Kapitel „Bildung“ hat keine pädagogischen Motive, sondern dient zum Abbau tausender Lehrerposten. Das unter „Wissenschaft“ als „großes Reformwerk“ gefeierte Universitätsgesetz 2002 ist letztlich die verstärkte Unterwerfung der Unis unter die Interessen der Wirtschaft, von Autonomie kann kaum mehr die Rede sein. Selbiges wird auch im Kapitel „Forschung“ deutlich, wo „Finanzierungssicherheit für die außeruniversitäre Forschung“ forciert wird.

Schwammig bleibt die „nationale Klimastrategie“ im Bereich „Nachhaltigkeit, Umwelt und Landwirtschaft“, zumal Österreich heute um 18 Prozent mehr CO2 als 1990 produziert. Statt für einen generellen Ausstieg aus der riskanten Atomenergie einzutreten, wird diese auf das Reizthema Temelin reduziert. Und die „konsequente Umsetzung der Deponieverordnung“ ist im Klartext nichts anderes als ein Freibrief für die Müllverbrennung und damit eine Absage an Vermeidung.

„Vollständige Gleichberechtigung“ von Mann und Frau wird im Kapitel „Frauen“ propagiert. Was 1.000 Euro Mindestlohn auf der einen Seite bringen, wird den Frauen durch verstärkte Prekarisierung und die Pensionspläne mehr als nur weggenommen. Wohin das zielt steht dann unter „Familie und Generationen“, wo nicht nur die Verankerung der Familie in der Verfassung, sondern auch die Förderung des „Unternehmens Haushalt“, also steuerliche Begünstigung von Haushaltshilfen für die Reichen stehen. Die „Wahlfreiheit der Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder“ wird demnach zur schlichten Geldfrage.

Unter „Medien“ werden dem Regierungsfunk ORF neue Einnahmen zugesichert, was im Klartext wohl noch mehr Werbung bei höheren Gebühren bedeutet. Dafür werden Teile der Gebühren in PPP-Modelle zugunsten privater Interessenten umgeschichtet. Auch „Kunst und Kultur“ sind letztlich nur Standortfaktor, wie die steuerlichen Maßnahmen zur Belebung des Kunstmarktes und Kunstsponsoring deutlich machen. Dafür wird unter „Sport“ ein Millionensegen für die Fußball-EM 2008 und die Olympiade 2010 angekündigt.

Die „Verwaltungsreform“ sieht die Vernichtung von 10.000 Dienstposten und „Redimensionierung des öffentlichen Sektors auf OECD-Durchschnitt“ vor. Dazu dient wohl auch die unter „Dienstrecht“ verankerte Vereinheitlichung der Dienst- und Besoldungsrechte der Gebietskörperschaften.

Das Schlußwort hat sich der Strahlemann von der KHG-Partei unter „Finanzen“ vorbehalten: Zwar abgeschwächt auf den Konjunkturzyklus gilt weiterhin der Stabilitätspaktes. Was die versprochene Steuerreform für die KleinverdienerInnen beinhaltet ist offen. Die versprochene Steuerfreiheit bis 14.500 € Jahreseinkommen wird durch eine „stärkere Gebührenfinanzierung“ und höhere Energiebesteuerung wohl mehr als „ausgeglichen“. Freuen dürfen sich Unternehmer über Steuerbegünstigung nicht entnommener Gewinne und Entlastung bei Lohnnebenkosten. Freuen dürfen sich die Kuponschneider über den Abverkauf von ÖIAG, Post und Bundeswohnungen und die „Stärkung des österreichischen Kapitalmarktes“. Wider alle ökonomische Vernunft sollen Reserven der Nationalbank in eine Stiftung zur Forschungsförderung verlagert werden.

Alles in allem stehen uns schwarzblaue Zeiten bevor. Wie die Ergebnisse der Verhandlungen mit SPÖ und Grünen gezeigt haben, dürfte der Unterschied zu anderen Regierungsvarianten allerdings nur ein gradueller sein...

Leo Furtlehner

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