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Antifa-Bilanz im Gedenkjahr 2005

  • Samstag, 1. Oktober 2005 @ 21:14
Antifa Auch heuer konnte „Hausherr“ Wilhelm Achleitner“ wieder über hundert AntifaschistInnen aus ganz Oberösterreich beim 5. Jahrstreffen des OÖ Netzwerkes gegen Rassismus und Rechtsextremismus am 1. Oktober 2005 im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels begrüßen. Achleitner stellte das Treffen unter das Motto „Der Schoß ist fruchtbar noch…“. Das kulturelle Programm wurde durch die Gruppe „Romano Si“ und eine Lesung von Rosa und Nicole Martl gestaltet.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) kritisierte in ihren Begrüßungsworten, dass im „Gedankenjahr“ 2005 der Passus Österreich sei ein „willenloses Opfer“ in der Unabhängigkeitserklärung nicht hinterfragt wird. Sie forderte eine Beschleunigung der Auszahlungen aus dem Entschädigungsfonds und bemängelte, dass das „Trümmerfrauengeld“ an die Geburt eines Kindes gebunden, aber ein NS-Engagement der Empfängerinnen nicht hinterfragt wird.

Der Welser Bürgermeister Peter Koits würdigte die - nicht immer friktionsfreie - Zusammenarbeit der Stadt mit der Antifa-Initiative und machte mit dem Hinweis auf 97 Nationalitäten die in Wels Leben den multikulturellen Charakter der Stadt deutlich. Grünen-Klubchef Gunter Trübswasser betonte die Bedeutung des heuer beschlossenen Anti-Diskriminierungsgesetzes, Maßnahmen gegen den Bund Freier Jugend und das Forschungsprojekt des Landes über den Nationalsozialismus, das einen Anschluss mit einem Forschungsauftrag über die Jahre 1934 bis 1938 finden soll.

Im Berichtsteil wies Netzwerk-Sprecher Robert Eiter ausgehend vom 4. Jahrestreffen 2004 auf zwei „kleine“ Netzwerk-Treffen im Jänner und Mai, 28 Netzwerk-Infos, die Demonstration am 9. Oktober 2004 in Linz mit 600 TeilnehmerInnen, das Gutachten über den BFJ und die Mahnwache am 18. März in Marchtrenk sowie Aktivitäten gegen Jahn-Denkmäler in Salzburg, Wels und Linz, gegen ein rechtsextremes Sommerlager in Gosau und Aktivitäten der Burschenschaften beim „Anschlussturm“ in Linz hin.

Albert Langanke (Mauthausen-Komitee Österreich) zeigte die Steigerung der Befreiungskundgebungen von sechs (1985) auf 37 (2005) auf und informierte, dass die Kundgebungen 2006 dem Widerstand der Frauen gewidmet sein werden. Die grüne Linzer Gemeinderätin Gülcan Gigl kritisierte, dass die SPÖ Anträge zur Umbenennung der Jahnstraße und Jahnschule und zur Entfernung des Jahn-Denkmals im Volksgarten durch Stimmenthaltung torpedierte. Auf Landesebene haben die Grünen den ÖTB mit fünf Fragen konfrontiert, dieser gab aber noch keine Antwort darauf. Angeregt wird von den Grünen eine Gedenktafel für die im Linzer Stadtfriedhof begrabenen Opfer des Faschismus.

Werner Herbst berichtete über den Widerstand im Welser Turnverein gegen den Jahn-Kult im Zusammenhang mit der Verlegung des Jahn-Gedenksteins vom Messegelände zur Turnhalle und die Anbringung einer Zusatztafel mit einem allerdings sehr umstrittenen Text. Der Gmundner SPÖ-Bezirkssekretär Richard Dickinger informierte über den breiten Protest gegen das Sommerlager der Burschenschaft Olympia in Gosau.

Im Infoblock des Treffens stellte Markus Feichtinger (Katholische Jugend) seine Diplomarbeit zum Thema „Jugendliche und Rechtsextremismus“ vor, die sich mit der Diversion von straffällig gewordenen rechtsextrem beeinflussten Jugendlichen beschäftigt. Sein Resümee dabei ist, dass ein Ursachenbündel maßgeblich für die Anfälligkeit Jugendlicher für Rechtsextremismus gibt. Der Großteil sind Mitläufer, die nach einiger Zeit wieder aus dieser Szene aussteigen.

Rainer Bartel (Hosi Linz) berichtete über das Projekt zur Aufarbeitung der NS-Geschichte in Oberösterreich in wies auf den großen Nachholbedarf bezüglich Lesben und Schwule hin. Er betonte auch, dass nach dem „Anschluss“ 1938 eine deutliche Verschärfung der Verfolgung von Homosexuellen im Vergleich zum Austrofaschismus erfolgte.

Christian Felber (ATTAC) referierte zum Thema „Neoliberalismus und Rechtsextremismus“. Er arbeitete dabei heraus, dass der Natur-Bezug des Neoliberalismus auf Sachzwänge, Markt und Wettbewerb dem Auslesedenken des Rechtsextremismus entgegenkommt. Hingegen interpretieren Rechtsextreme den Wir-Bezug anders als der Neoliberalismus nicht nach dem Motto „Eigennutz dient dem Gemeinwohl“ sondern beziehen ihn auf eine „Volksgemeinschaft“.

Schwerpunktthema des Treffens war mit einem Referat des Journalisten Hans-Henning Scharsach das Thema „Friedrich Ludwig Jahn - biederer Turnvater oder brauner Ahnvater“: Scharsach stellte dabei klar, dass Jahn nie der „Turnvater“ war, als der er vom Turnerbund heute ausgegeben wird und auch seine Verdienste um den Breitensport ein Mythos sind. Jahn sah das Turnen als Körperertüchtigung zur Kriegsvorbereitung durch Aufstellung von Freikorps, daher waren Frauen auch vom Turnen ausgeschlossen.

Charakteristisch für Jahn sind daher Kriegsverherrlichung, Glorifizierung des Heldentodes und er war ein hasserfüllter Volksverhetzer gegen alles „Undeutsche“ wie Franzosen, Juden, Slawen usw. Er war ein Propagandist der Rassenhygiene und des Völkermordes, wandte sich strikt gegen „rassische Vermischung“. Als solcher wurde er von den Nazis als Vorläufer gesehen, wie überhaupt deren Programmatik nichts Originäres war, sondern nur ein Kompendium verschiedener reaktionärer Ansätze.

So wie das das Hakenkreuz auf die „vier F“ (frisch, fromm, fröhlich, frei) der Turnbewegung gingen auch die Formeln „Volk und Vaterland“, „gesundes Volksempfinden“ und „Volksgemeinschaft“ auf Jahn zurück. Dieser hatte beim Wartburgfest 1817 die erste Liste für eine Bücherverbrennung „undeutscher Literatur“ zusammengestellt, die Ermordung des Schriftstellers August Kotzebue durch einen fanatischen Burschenschafter im Jahre 1819 war durch Jahns Wirken inspiriert.

Der Turnerbund schloss schon lange vor dem Entstehen der Nazi-Bewegung Juden auf Grund eines Arierparagraphen aus. Nach 1945 war der neue gegründete ÖTB Zuflucht der „Ehemaligen“ und der Deutschnationalen. 1980 hatte das Landesgericht Wien die Schreibweise der „Bundesturnzeitung“ als neofaschistisch beurteilt. Trotzdem weigerte sich der ÖTB von der Parole „Rassenreinheit“ zu trennen, Fahnen mit dieser Aufschrift wurden noch 1990 beim Turnfest in Vöcklabruck mitgetragen.

Die Treue zum Nationalsozialismus wurde nach 1945 hinter Jahn versteckt um dem NS-Verbotsgesetz zu entgehen. Zahlreiche Querverbindungen des ÖTB zu Nazi-Organisationen wie der 1988 verbotenen Burger-NDP machten dessen Charakter deutlich. Positiv ist, dass jetzt auch in den Turnvereinen Widerstand gegen den Jahn-Kult vorhanden ist: „Eine Verharmlosung von Jahn ist eine Verharmlosung des Faschismus“ meinte Scharsach zusammenfassend. Jahns Rassismus war nicht „gelegentlich“, sondern grundsätzlich. Daher müssten Jahn-Denkmäler entfernt und nicht durch Zusatztafeln „entschärft“ werden.

In Anträgen der Konferenz wurde die Rücknahme des Fremdenrechtspakets und der Verschärfungen des Staatsbürgerschaftsrechts, die konsequente Anwendung von Staatsvertrag und NS-Verbotsgesetz gegen Neonazi-Gruppen, die Forderung nach mittelfristiger Finanzierung von Kulturvereinen der Sinti und Roma und die Umbenennung von nach Friedrich Ludwig Jahn benannten Straßen, Schulen usw. verlangt.

Carmen Breitwieser informierte anschließend über die in der Umsetzung des Antidiskriminierungsgesetzes eingerichtete unabhängige und weisungsfreie Antidiskriminierungsstelle der Landesregierung mit Kompetenz für Land und gemeinden. Diese wird Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen abgeben, die Berichte von Opfern von Diskriminierung dokumentieren und diese unterstützen und den sozialen Dialog mit Vereinen und Institutionen pflegen.

Zum Schluss der Konferenz wurde in Berichten von Gewerkschaftsjugend, Mauthausen-Komitee Steyr, Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer, Land der Menschen, 4YOUgend und KPÖ über zahlreiche Aktivitäten informiert.

© Leo Furtlehner



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