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Stellungnahme ÖBB-Dienstrecht

  • Montag, 7. November 2005 @ 13:03
Arbeit Als Ergebnis des ÖBB-Streiks vom November 2003 verzichtete die Regierung auf eine gesetzliche Änderung des Dienstrechts der EisenbahnerInnen und es wurden stattdessen zwischen ÖBB-Vorstand und Personalvertretung Veränderungen im Dienstrecht verhandelt, welche 2004 im Zusammenhang mit dem vereinbarten Generalkollektivvertrag in Kraft getreten sind. Für die ÖBB-Bediensteten bedeutete dies Verschlechterungen bei der Entgeltfortzahlung, Dienststrafverfahren, Urlaub, Arbeitszeit und Biennalsprüngen mit einem Einsparungsvolumen von 100 Millionen Euro.

Unter Bruch dieser Vereinbarung will nun Infrastrukturminister Gorbach (BZÖ) eine weitere Verschlechterung des Dienstrechts per Gesetz durchsetzen, mit welcher der Kündigungsschutz aufgehoben und Frühpensionierungen künftig nicht mehr möglich sein sollen. Der Hintergrund dafür ist der von der Regierung verlangte mittelfristige Abbau von weiteren 10.000 ÖBB-Arbeitsplätzen.

Um ihre Pläne durchzubringen diffamiert die Regierung einmal mehr die EisenbahnerInnen als „Privilegienritter", die in „Filzkulturen" und „Privilegienbiotopen" leben würden und versucht sie gegen andere Berufsgruppen auszuspielen. Die Pläne der Regierung im Zusammenhang mit dem ÖBB-Dienstrecht verfolgen mehrere Ziele:

Zunächst geht es dabei darum, die Kraft der vergleichsweise hochorganisierten Gewerkschaft der EisenbahnerInnen (GdE) nachhaltig zu brechen, ähnlich wie das seinerzeit in Großbritannien mit dem Bergarbeiterstreik oder in Ostdeutschland mit der 35-Stundenwoche geschah. Dazu wird versucht die Gewerkschaft in einen Streikkonflikt zu treiben bei dem sie gegen eine breite Öffentlichkeit steht. Gleichzeitig verfolgen die Regierungsparteien ÖVP und BZÖ damit offenbar das Ziel, die SPÖ wahlpolitisch in Hinblick auf die 2006 anstehende Nationalratswahl zu schwächen.

Ein weiterer Aspekt dieses Vorstoßes ist es offenbar, vom faktischen Scheitern der ÖBB-„Reform" der Regierung abzulenken und die Belegschaft bzw. Betriebsrat und Gewerkschaft zum Sündenbock zu machen. Fakt ist nämlich, dass mit der Zergliederung der ÖBB in neun Teilunternehmen unter dem Dach einer Holding bislang keines der vorgegebenen Ziele erreicht wurde. Hingegen zeichnet sich für die verschiedenen Teilgesellschaften ein finanzielles Desaster ab, mit der geplanten Schließung zahlreicher Regionalbahnen droht eine weitere Ausdünnung der Infrastruktur. Bezeichnend ist etwa, dass der ÖBB-Vorstand die Trennung von Infrastruktur und Betrieb wieder aufheben will, was die Regierung jedoch ablehnt.

Die „Reform" hat zu einer massiven Demotivierung der Belegschaft geführt. Einzig die Schaffung zahlreicher Posten in Vorständen und Aufsichtsräten die mit Günstlingen der Regierungsparteien besetzt wurden hat diese „Reform" gebracht. Statt Bemühungen des hochbezahlten Managements zur Erschließung neuer Geschäftsfelder zur Sicherung der Arbeitsplätze besteht dessen einziges Rezept offenbar nur darin, möglichst viele Arbeitsplätze zu vernichten. Deutlich wurden in Summe die Befürchtungen, dass die „Reform" der ÖBB durch ihre Filetierung darauf zielt, letztlich deren lukrativste Bereiche dem in- oder ausländischen Privatkapital auszuliefern.

Mit ihrer Vorgangsweise stellt die Regierung auch den Rechtsstaat und die übliche Verhandlungskultur in Frage und macht deutlich, dass sie über die berechtigten Anliegen und Interessen der 47.000 EisenbahnerInnen einfach „drüberfahren" will. Zudem stellt die Regierung die ÖBB als „ihr" Eigentum dar und nicht als jenes aller ÖsterreicherInnen. Das Grundrecht von Betriebsrat und Gewerkschaft, die Anliegen der Beschäftigten zu vertreten und zu verteidigen wird mit dieser Vorgangsweise grundsätzlich in Frage gestellt.

Tatsache ist, dass die EisenbahnerInnen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen keineswegs privilegiert sind. Bessere Regelungen in Teilbereichen (Kündigungsschutz…) werden durch eine Schlechterstellung in anderen Bereichen (Verdienst, Versicherungsbeiträge…) ausgeglichen.

Wohin die EU-konforme „Liberalisierung" der Bahn führt, wurde etwa in Großbritannien deutlich, wo mit einer von der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher eingeleiteten und vom Labour-Premier Tony Blair fortgesetzten Politik die Bahn zu Tode reformiert wurde.

Der neuerliche Vorstoß der Regierung für die Änderung des Dienstrechts macht deutlich, dass es 2003 falsch war, den Streik unter massivem Druck von ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch und WK-Präsident Christoph Leitl vorzeitig abzubrechen und sich auf fragwürdige Kompromisse einzulassen. Die Regierung macht mit ihrer Vorgangsweise klar, dass sie nur taktisch zurückgewichen ist - aber ihre Ziele hartnäckig weiter verfolgt.

Nun kommt es darauf an, dass Betriebsrat und Gewerkschaft nicht nur die Belegschaft der ÖBB umfassend mobilisieren und in die Auseinandersetzung einbeziehen, sondern auch mit Unterstützung des ÖGB und anderer Branchengewerkschaften deutlich machen, dass es mit der Erhaltung einer funktionsfähigen Bahn sowohl um elementare öffentliche Interessen – etwa der Sicherung einer umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsinfrastruktur – als auch um gewerkschaftliche Anliegen – nämlich die Verteidigung sozialer Errungenschaften – geht. Wenn erforderlich muss dabei auch das in Österreich – im Gegensatz zu anderen EU-Ländern – immer noch verpönte legitime Kampfmittel des Streiks gezielt – etwa durch die Bestreikung des Güterverkehrs – zur Verteidigung der legitimen Interessen der EisenbahnerInnen eingesetzt werden.

KPÖ-Bezirksvorstand Linz 7. November 2005

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