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Welser Erklärung "Für die Entfernung aller NS-Symbole!"

  • Samstag, 9. September 2006 @ 10:05
Antifa "Österreich wird auch die Bemühungen fortsetzen, aus dem österreichischen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben alle Spuren des Nazismus zu entfernen..." Artikel 9 des Staatsvertrages 1955

Symbole können nur in Zusammenhang mit jenem, wofür sie stehen, begriffen werden. Sie sind einfache Bilder, die auf meist keineswegs einfache Inhalte verweisen. So lösen sie Gedanken und Gefühle aus, bestimmen sie Bewusstsein und Unterbewusstsein mit. Das macht sie, die an sich Unwesentlichen, wesentlich. Gerade in Österreich, einem Land, in dem die Realität "konsequent symbolisch reflektiert" wird (Robert Menasse).

NS-Symbole verweisen mehr oder minder offen auf nationalsozialistische Inhalte, Wenn nach dem Dichter des "Hakenkreuzliedes" Straßen benannt werden, heißt das unzweifelhaft, dass das Verfassen von NS-Propaganda als mit offiziellen Ehrungen durchaus vereinbar gilt. Österreich hat zahlreiche "braune Flecken". Ungeachtet der Tatsache, dass der Nationalsozialismus eine Antithese zum Bestand dieser Republik darstellt, trägt ein großer Teil von ihnen staatlichen Charakter. Dadurch wird eine "Normalität" befestigt, in der rechtsextreme Inhalte geduldet, ja anerkannt wirken.

Die wohl schwerwiegendste Ursache hierfür ist in der Verdrängung der österreichischen Mitverantwortung an den NS-Verbrechen zu suchen, einer Geschichtsauffassung, die unser Land und seine Bewohner ausschließlich als Opfer Hitler-Deutschlands sehen wollte, Diese verzerrte Perspektive erleichterte es dem heimischen Rechtsextremismus nach der historischen Niederlage von 1945, wiederzuerstarken und sich in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zu verankern - eine Entwicklung, die die NS-Symbole widerspiegeln.

Seit gut einem Jahrzehnt stellen Antifaschistinnen in immer mehr österreichischen Gemeinden die jeweiligen "braunen Flecken" in Frage und damit zur Debatte. Die Proteste aus dem rechtsextremen Lager waren und sind leicht abschätzbar. Bezeichnend aber ist die Mehrzahl der Reaktionen örtlicher Bürgermeister und anderer Mandatare: wehleidige bis aggressive Abwehrhaltungen, Appelle an den Lokalchauvinismus, Vorwürfe der "Nestbeschmutzung", Behauptungen, das Problem sei nicht wirklich vorhanden (etwa weil ohnehin niemand mehr wisse, wer Kernstock gewesen sei), argumentative Trennungen der Symbole von ihren Inhalten, verharmlosende Fehlinterpretationen bis hin zu Geschichtsfälschungen sowie Aussagen, dergleichen gäbe es doch schon lange und woanders auch...

Alles in allem: Versuche, das unredliche Verhältnis zum Nationalsozialismus mit unredlichen Mitteln fortzuschreiben, Gescheiterte Versuche freilich, denn kaum irgendwo gelang es den auf "ihren" Symbolen beharrenden Gemeindepolitikern, ein dauerhaftes Ende der Debatte zu erreichen. Im Gegenteil: Die unbequeme Kritik wird mit den Jahren breiter.

Der Wahrheit halber muss betont werden, dass es in manchen Fallen auch durchaus positive Reaktionsmuster von Entscheidungsträgern gab und gibt: Teils ließen sie sich nach anfänglicher Ablehnung überzeugen ("Langothstraße" in Linz, "Kernstockplatz" in Wien), teils nahmen sie die Konflikte anderwärts zum Anlass, die eigenen NS-Symbole zu beseitigen ("Kernstockgasse" in Ansfelden, "Kernstockweg" in Traun). Vereinzelt wurde die Debatte sogar von einem antifaschistisch gesinnten Bürgermeister oder Stadtrat begonnen (Spruch "Am deutschen Wesen..." in Braunau, "Kernstockstraße" in Hohenems).

Insgesamt ist die Trägheit des gewohnten Falschen groß: Opportunistische Rücksichtnahme auf den rechten Rand gehörte jahrzehntelang zu den unhinterfragten Konstanten der österreichischen Innenpolitik. Aber: Zunehmend wird Bewegung sichtbar, Die Zeit arbeitet gegen Mandatare, die unbelehrbar Ewiggestriges verteidigen.

Wir Teilnehmerinnen an der Konferenz "Braune Flecken sind kein Schicksal" rufen alle demokratischen Kräfte des Landes auf, den Rechtsextremismus in jeder seiner Formen konsequent zu bekämpfen, insbesondere auch in der Form der NS-Symbole. Ein Schritt dahin ist die Erfassung und Veröffentlichung der vorhandenen "braunen Flecken".

Die Resolution des SPÖ-Bundesparteivorstandes vom 22. Feber 1995, die unter anderem zum Thema der NS-Symbole Stellung bezieht, war ein ermutigendes Zeichen - doch müssen den richtigen Worten auch richtige Tagen folgen. Ähnliche Beschlüsse erwarten wir von allen anderen demokratischen Parteien und Institutionen Österreichs.

Entscheidend ist die öffentlich geführte Auseinandersetzung, die es erlaubt, anhand lokaler Gegebenheiten breitenwirksam antifaschistisches Bewusstsein zu schaffen, Das "formelle" Ziel der Debatte muss stets ein politischer Willensakt sein, der die Bedeutung des jeweiligen NS-Symbols umkehrt: In den einen Fällen die ersatzlose Beseitigung, in anderen zum Beispiel die Anbringung einer Informationstafel, die über die Hintergründe aufklärt. Welcher Weg der sinnvollste ist, hängt von vielen Umständen ob und kann nur konkret erschlossen werden.

So erwecken die meisten "Kriegerdenkmäler" den Eindruck, in den Weltkriegen seien nur bewaffnete Männer gestorben, und zwar "den Opfertod für die Heimat", Diese Denkmäler sollten derart verändert werden, dass künftig jede Heroisierung des Krieges - und schon gar des völkermordenden Raubkrieges Hitler-Deutschlands! - unterbleibt und aller Opfer - einschließlich der getöteten Frauen, Kinder und Alten, der Deserteure, der rassisch und politisch Verfolgten - in Würde gedacht wird.

Gemeinsam und mit Nachdruck werden wir in ganz Österreich für die Entfernung aller NS-Symbole arbeiten! Es gibt viel zu tun.

Diese Erklärung wurde bei der von der Initiative WelserInnen gegen Faschismus am 9. September 1995 beschlossen.

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