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Aktive Neutralitätspolitik versus Gefühlsduselei

  • Mittwoch, 2. November 2005 @ 21:53
Frieden Für ihre Strategie „Österreich zuerst" hat die Strache-FPÖ nun auch die Neutralität vereinnahmt und spielt sich als deren Gralshüter auf.

Ein bekanntes Instrument der Politik sind die so genannten Sonntagsreden, wenn also PolitikerInnen großspurig Beteuerungen und Versprechungen abgeben, die sie im politischen Alltag nie und nimmer einlösen können und meist auch nicht wollen. Noch aufschlussreicher sind freilich die Feiertagsreden – etwa zum Nationalfeiertag 2005.

Da gab es eine demonstrative Pressekonferenz von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Grünen-Chef Alexander van der Bellen gemeinsam mit dem Historiker Jagschitz, deren Resümee ein Bekenntnis zum „Kern der Neutralität" war. Definiert wird dieser „Kern" als „Bündnisfreiheit, keine Stationierung fremder Truppen, keine Beteiligung an Kriegen". Der Durchmarsch oder Überflug fremder Truppen wird damit ebenso als neutralitätskompatibel erklärt wie die Aufrüstungsverpflichtung in der EU-Verfassung, die spätestens 2006 wieder auf die Tagesordnung kommen wird.

Die „Sozialdemokratische Korrespondenz", der Pressedienst der SPÖ, garnierte diese Präsentation mit einem „Sündenregister" von Aussagen der ÖVP-PolitikerInnen Schüssel, Khol und Ferrero-Waldner, wo diese die Neutralität dezidiert in Frage stellen. Wohlweislich unterschlagen wurden in diesem „Service" für die Medien analoge Aussagen führender SPÖ-Politiker wie Josef Cap oder Hannes Swoboda, die sich wiederholt offen für einen NATO-Beitritt ausgesprochen hatten.

Gar nicht zu reden vom demonstrativen Bekenntnis zur „gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" der EU, die so ganz und gar nicht mit der Neutralität vereinbar ist. Denn hier gilt immer noch das Motto „Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen". Und da ist sich die parlamentarische „Opposition" von SPÖ und Grünen mit den Regierungsparteien ÖVP und BZÖ einig, wie der parteiübergreifende Konsens bei der Beschlussfassung der EU-Verfassung mit gleichzeitiger strikter Ablehnung einer Volksabstimmung im Nationalrat am 6. Mai und im Bundesrat am 26. Mai 2005 gezeigt hat. Und Bundespräsident Heinz Fischer gab dazu demonstrativ seinen „Segen".

Soweit die in einem auffallenden Widerspruch zur Alltagspolitik stehenden Feiertagsreden zur Neutralität. Da wäre freilich noch die FPÖ, die gestärkt durch ihr 15-Prozent-Ergebnis bei der Wiener Wahl, nun drauf und dran ist ihr sattsam bekanntes Motto „Österreich zuerst" zur Leitlinie der heimischen Innenpolitik und Vorgabe für die anderen Parteien zu machen. Bereits in der Causa EU-Beitritt der Türkei gelang es Strache & Co. mit der „Krone" als Sprachrohr mit SPÖ und ÖVP und teilweise sogar den Grünen eine solche „Volksfront" zu schließen.

Nun hat sich die FPÖ mit einer solchen Penetranz „ohne Wenn und Aber" des Themas Neutralität bemächtigt, dass man tatsächlich glauben könnte, ihr Vorläufer WdU hätte nicht am 26. Oktober 1955 gegen das Neutralitätsgesetz gestimmt und die FPÖ hätte nicht jahrzehntelang einem EU- und NATO-Beitritt den Vorzug vor der Neutralität gegeben. Ausgerechnet Strache erklärt uns jetzt, die Neutralität habe Österreich „ein halbes Jahrhundert lang gute Dienste geleistet".

Neben so sinnigen Losungen wie „Österreich zuerst statt TürkEU" und ihrem altbekannten Motto „Ausländer raus" will die FPÖ nun auch die Neutralität in ihr Volksbegehren „Österreich bleibt frei" subsumieren. Der Zweck liegt auf der Hand: Auch Strache weiß, dass 80 Prozent der ÖsterreicherInnen nach wie vor in der Neutralität einen positiven Wert und diese als identitätsstiftend für die Zweite Republik sehen. Also bedient man sich dieses Themas, auch um zu tarnen, was eine Militaristenpartei wie die FPÖ wirklich will. Die Ohnmacht angesichts der kapitalistischen Globalisierung deren Bestandteil auch die EU ist, wird mit einer chauvinistischen Linie kanalisiert.

Für jene, denen die Neutralität aus friedenspolitischer Sicht ein echtes Anliegen ist und schon gar für Linke reicht es daher künftig nicht mehr, sich mit pseudopatriotischem Pathos und Sprüchen wie „Österreich ist ein schönes Land" zur Neutralität zu bekennen. Ohne eine Definition der Neutralität als ein durch eine aktive Neutralitätspolitik weiterzuentwickelndes Konzept, das auch eine Alternative zur Entwicklung einer hochgerüsteten Supermacht EU ist, gelangt man recht schnell in die „Österreich zuerst"-Sackgasse der FPÖ, die bekanntlich auch die Forderung nach einem EU-Austritt ganz oben auf ihrer Liste stehen hat.

Statt schwammiger Neutralitätsduselei – die sich etwa darin äußert, zwar gegen eine österreichische Beteiligung an Kriegen zu sein, diese aber nicht grundsätzlich zu kritisieren – braucht es künftig noch stärker pointierter Klarstellungen. Etwa dass zur Neutralität ein offensiver Einsatz für atomare, biologische, chemische und konventionelle Abrüstung gehört. Wenn die FPÖ ihr Plädoyer der FPÖ für die Neutralität mit einem starken Bundesheer verbindet, muss dem aus linker Sicht die Forderung nach Auflösung des Bundesheeres gegenübergestellt werden.

Ebenso wesentlich ist der Zusammenhang von Aufrüstung und Sozialabbau: Gerade die FPÖ hat mit ihrer Politik und Regierungsbeteiligung maßgeblich zur Zerstörung des Sozialstaates beigetragen und sich gleichzeitig für die Aufrüstung stark gemacht. Wenn Strache & Co. in gewohnter Manier auch mit dem Thema Sicherheit auf dem Gefühlsklavier der ÖsterreicherInnen spielen, gilt es klarzustellen, dass sie damit nicht soziale Sicherheit meinen, sondern Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit und Aufrüstung. Worum es also geht ist eine aktive Neutralitätspolitik statt bloßer Gefühlsduselei.

© Leo Furtlehner


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