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Politische Plattform der KPÖ

  • Sonntag, 5. Dezember 2004 @ 08:33
Partei Beschlossen vom 33. Parteitag der KPÖ (Dez. 2004)

„Der Kommunismus ist für uns nicht ein einmalig gegebener Zustand, nicht ein Modell, an das sich die Wirklichkeit anzupassen habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, die die gegenwärtigen Zustände aufhebt“. (Deutsche Ideologie, MEW)

In dieser Äußerung, die sich im ersten von Karl Marx und Friedrich Engels zum Selbstverständnis verfassten Gemeinschaftswerk findet, ist vor allem der Auftrag an alle ihre NachfolgerInnen enthalten, den Kommunismus nicht als Dogma, sondern als Gegenstand ständiger Überprüfung und Erneuerung zu verstehen bzw. zu handhaben. Wer heute an den „wirklichen Bewegungen gegen die gegenwärtigen Zustände“ teilnimmt, wird feststellen, dass in ihnen eine Vielfalt von Standpunkten und Meinungen besteht, die die objektiven Unterschiede in den Erfahrungen widerspiegelt. Diese Meinungsvielfalt findet sich auch in unserer Partei. Trotz der Meinungsunterschiede geht es aber auf allen Ebenen der Politik um die Herstellung einer praktischen Einheit des politischen Handelns.

In diesem Sinne - Gemeinsames herauszuarbeiten und unterschiedliche Auffassungen zu respektieren - hat der Bundesvorstand vor den letzten beiden Parteitagen versucht, programmatische Grundlagen zur Diskussion zu stellen. Alle diese Versuche wurden seitens einer Minderheit in der Partei, die sich fraktionell organisierte, boykottiert. Ganz offensichtlich verstehen diese Kräfte in der KPÖ die Programmdebatte vor allem als ein Mittel, um der Partei ihre dogmatischen Auffassungen aufzuzwingen. Für sie ist die programmatische Debatte Teil des fraktionellen Machtkampfes. Eine immer größere Zahl der Mitglieder ist nicht mehr bereit, eine solche Methode zu akzeptieren.

Der vorliegende Text, der die KPÖ als eine gleichermaßen antikapitalistische, feministische und internationalistische Partei vorstellt, fasst die Diskussionsergebnisse der letzten Jahre zusammen. Dieser Text soll nicht der Ausgrenzung dienen, sondern ist ein weiterer Versuch zu gemeinsamen Schlussfolgerungen zu gelangen. Dieser Versuch ist auch offen für die Einbeziehung gegensätzlicher und kritischer Standpunkte.

Das Parteiverständnis der vorliegenden Plattform entspricht also jenem des geltenden Statuts und definiert die KPÖ als „eine marxistische Partei der Vielfalt“. Die einzige Bedingung dieser Vielfalt ist die Bereitschaft, bei aller notwendigen Pluralität zumindest in einigen zentralen Fragen die Einheit der Aktion herzustellen und Auffassungsunterschiede mit einem Mindestmaß an Respekt weiter zu diskutieren.

I. Die kapitalistische Normalität

In der Gesellschaft treffen die Erfahrungen unterschiedlicher Generationen aufeinander. Noch die heute 40- bis 50-Jährigen kennen einen Kapitalismus, der durch eine große verstaatlichte Industrie, niedrige Arbeitslosenraten und - wenn auch bescheidene - Reallohn- bzw. Pensionssteigerungen etc. gekennzeichnet war. Auf diesem Hintergrund verbreitete die Sozialdemokratie die These, dass der Klassenkampf durch die „Sozialpartnerschaft“ abgelöst worden sei.

Aber auch in diesem „goldenen Zeitalter“ des Kapitalismus der 60er und 70er Jahre waren Wirtschaft und Politik dem Profitprinzip untergeordnet. Wahr ist lediglich, dass das Kapital in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg Zugeständnisse an die arbeitende Mehrheit der Bevölkerung machen musste. Der Kapitalismus entwickelte sich in dieser Zeit auf industrieller Grundlage und schuf mit dem Sozialstaat, der keynesianischen Wirtschaftspolitik und der „Sozialpartnerschaft“ ein ihm entsprechendes patriarchales Herrschaftssystem. Denn wahr ist auch, dass dieser Sozialstaat durch die Trennung von Produktion und Reproduktion die materielle Diskriminierung der Frauen in der bezahlten wie in der unbezahlten Arbeit fortgeschrieben hat.

Heute leben wir in einem Zeitalter der sozialen Gegenreformen, die fälschlich als „Reformen“ ausgegeben werden. Wir erleben, wie ein soziales Zugeständnis nach dem anderen zurückgenommen wird, was jene mit geringeren Einkommen, Frauen und MigrantInnen qualitativ anders trifft.

Für die Mehrheit der heute jungen Menschen – insbesondere der jungen Frauen - ist eine qualifizierte Berufsausbildung, freier Hochschulzugang und ein sozial abgesichertes Normalarbeitsverhältnis nach der Ausbildung bereits eine Utopie.

Menschen werden in eine gesellschaftliche Wirklichkeit gestoßen, in der soziale Unsicherheit - beschönigend als „Flexibilität“ und „Eigenvorsorge“ bezeichnet - und andauernder scharfer Konkurrenzdruck herrschen. Für den heutigen neoliberalen Kapitalismus sind prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse kennzeichnend.

Der konservative Ruf nach Familie verschleiert, das der Neoliberalismus in seinen Auswirkungen selbst die Grundlagen von familiären Bindungen zerstört. Die Abwälzung gesellschaftlicher Verantwortung ins Private erfordert die Zurückdrängung des gestiegenen Selbstbewusstseins der Frauen, das ist der Kern der den Sozialabbau begleitenden neoliberalen Bevölkerungspolitik.

II. Besonderheiten des neoliberalen Kapitalismus

Was die älteren Generationen als die Zerstörung „wohlerworbener Rechte“ und sozialer Besitzstände, als Verschlechterung ihrer sozialen Lage wahrnehmen, erleben jüngere Menschen als die kapitalistische „Normalität“. Mit dieser kapitalistischen Normalität muss sich die Linke, müssen sich alle emanzipatorischen Bewegungen auseinandersetzen. Aus ihren Widersprüchen sind die Möglichkeiten für eine revolutionäre Veränderung der Welt zu gewinnen.

Das heißt auch: Es gibt kein Zurück zum „sozialpartnerschaftlich“ regulierten patriarchalen Kapitalismus der 70er Jahre. Worauf wir Antworten finden müssen, ist die Krise, in die der entfesselte neoliberale Kapitalismus die Gesellschaften stürzt. Tatsächlich geht es dem Kapital und den herrschenden großteils Männer-Eliten nicht nur um einzelne soziale Verschlechterungen, sondern um eine Offensive in allen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bereichen.

Diese Offensive ist umfassend und international abgestimmt. Konservative wie sozialdemokratische Regierungen, Unternehmerverbände, internationale Institutionen, die kapitalistischen Denkfabriken, die Kulturindustrien und großen Medien drängen darauf, einen neuen Typ des Kapitalismus nachhaltig durchzusetzen. Bislang haben ArbeiterInnen-, Frauenbewegungen und politische Linke keine ausreichende Antwort auf diese Offensive finden können.

Es sind vor allem drei Merkmale, die den neuen aggressiven Typ des Kapitalismus auszeichnen:

1.) Der fundamentale Umbau der Arbeitswelt, verbunden mit einer Ausdehnung der Arbeitszeiten. Ohne Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse werden sie an Auftragslagen und Maschinenlaufzeiten angepasst. Das Risiko von Auftragslücken bzw. Überkapazitäten wird durch flexible Arbeitszeiten auf die Beschäftigten abgewälzt. Das den fordistischen Kapitalismus prägende männliche Normalarbeitsverhältnis wird über weibliche Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigungsverhältnisse für alle Arbeitenden ausgehöhlt. Durch Lohndruck und Intensivierung der Arbeit wird die Rate der Ausbeutung gesteigert. Hohe - und weiterhin steigende - Arbeitslosenraten, Verschlechterungen des Arbeits- und Arbeitslosenrechts sowie die Drohung mit Produktionsverlagerungen erhöhen den Druck auf die Arbeitenden. Einziges Kriterium der neuen Arbeitsregime ist die maximale Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft.

2.) Die zweite Stoßrichtung des kapitalistischen Umbaus besteht in der Senkung der sozialen und kulturellen Aufwände, die dem Kapital keine Profite bringen. Der Staat zieht sich aus immer mehr Bereichen der sozialen Verantwortung zurück. Für Bildung, Gesundheit und Altersvorsorge sollen die Lohnabhängigen zunehmend individuell und ohne Unternehmerbeiträge vorsorgen. Soziale Sicherheit wird so zur Anlagemöglichkeit für das Versicherungs- und Finanzkapital.

In dieser Perspektive steht auch die forcierte Privatisierungspolitik der letzten Jahre, die öffentliche Dienstleistungen, Infrastruktur und Gemeinwirtschaftliche Betriebe der kapitalistischen Profitlogik ausliefert.

Alle „Steuerreformen“ der letzten Jahre zielten zudem auf eine fast vollständige Abschaffung der Kapitalbesteuerung und die Umstellung der öffentlichen Finanzen auf eine Deckung durch die von den Lohnabhängigen zu bestreitenden Massensteuern. Auch hier – auf gesamtgesellschaftlicher Ebene - geht es um die maximale Erhöhung der Ausbeutungsrate.

3.) Nach dem Zusammenbruch des europäischen „Realsozialismus“ ist das Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem des Kapitalismus neuerlich weltumspannend geworden. So wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts eignen sich die kapitalistischen Zentren billige Rohstoffe der Entwicklungsländer an und überschwemmen deren Märkte mit industriellen Fertigprodukten. In den so genannten "Sweatshops" oder "Maquiladoras" sind derzeit laut Angaben der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) in diesen Ländern 27 Millionen Menschen in etwa 850 Exportproduktionszonen beschäftigt, 80-90 % sind Frauen. Überausbeutung, geringste Löhne und keinerlei Arbeitsschutzmassnahmen kennzeichnen die Arbeitsbedingungen.

In der „neuen Weltordnung“, die von der globalen Führungsmacht des Kapitalismus - der USA - mit Feuer und Schwert durchgesetzt wird, erweitern sich diese „klassischen“ Formen der kolonialen Ausbeutung: Neue Akteure der kapitalistischen Weltordnung sind neben die Staaten getreten. Das sind einerseits transnationale Konzerne, unter ihnen solche, deren Umsätze die Wirtschaftskraft vieler kapitalistischer Staaten übertreffen; diese haben gemeinsam mit den ihnen verbundenen Staaten ein ihre Macht absicherndes Regelwerk internationaler Verträge durchgesetzt. Internationaler Währungsfonds, Weltbank, WTO und regionale kapitalistische Integrationsgebilde wie die EU entwickelten sich derart zu neuen Schaltzentralen der weltweiten kapitalistischen Ausbeutung. Die nationalen bürgerlichen und sozialdemokratischen Regierungen werden damit zu Erfüllungsgehilfen des in- und ausländischen Kapitals.

Das Schicksal von Milliarden Menschen ist heute abhängig von den unberechenbaren Schwankungen der kapitalistischen Finanzmärkte, deren Schuldenregime sowie den Versuchen, diese im Interesse der transnationalen Konzerne zu regulieren.

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen. Sie leisten zwei Drittel der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, erhalten aber nur zehn Prozent des weltweiten Einkommens und besitzen 0,98 Prozent des Eigentums. Diese nüchternen Angaben der UNO verdeutlichen ökonomische und patriarchale Machtverhältnisse als globales Problem.

III. Gegen den Krieg!

Diese neuen Erscheinungen des Kapitalismus, die mit der neoliberalen Globalisierung verbunden sind, rufen neue dramatische Krisen hervor. Sie integrieren die Welt einerseits in ein umfassendes Netzwerk der Ausbeutung und Unterdrückung. Die kapitalistische Globalisierung erzeugt aber andererseits in weiten Weltregionen chaotische Zustände und zerrüttet die internationalen Beziehungen. Die Antwort, die auf diese Krisenerscheinungen aus den Zentren des Kapitalismus gegeben wird, ist ein neuer Imperialismus. Das Kriegsrisiko hat nach dem Sieg des „Westens“ im „Kalten Krieg“ nicht ab-, sondern zugenommen. Nach dem 11. September 2001 haben die USA und ihre Verbündeten mit dem „Krieg gegen den Terror“ einen neuen Zyklus imperialistischer Kriege eröffnet, wobei das Ausmaß des Tötens, der Vergewaltigungen, der Vertreibung und Zerstörung der Existenzgrundlagen aus der medialen Berichterstattung weitgehend ausgeklammert bleibt.

Die USA als imperialistische Hauptmacht bestimmt weitgehend die Regeln der „neuen Weltordnung“. Doch diese Weltherrschaft stößt am Beginn des 21. Jahrhunderts an ihre Grenzen. Weltweit - namentlich im Nahen Osten und im traditionellen „Hinterhof“ der USA, in Lateinamerika - verstärken sich die Widerstände.

Darüber hinaus verschärft sich erneut die innerimperialistische Rivalität. Vor allem das in der EU zusammengefasste kapitalistische Europa drängt immer mehr darauf, seinen eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen Geltung zu verschaffen. In der letzten Konsequenz läuft das Projekt der EU – als Herrenhaus, als Festung, als Europa der Konzerne - darauf hinaus eine Supermacht zu werden, die der USA als „gleichberechtigter Partner“ an die Seite, aber auch als globaler Rivale entgegen treten kann.

Die These vom 21. Jahrhundert als dem „amerikanischen“ entpuppt sich entsprechend schon in seinen ersten Jahren als Illusion. Der Beginn des Jahrhunderts ist durch weltweite imperialistische Gegensätze und steigende Kriegsgefahren charakterisiert. Diese Kriegsgefahr ist ursächlich mit dem neuen Imperialismus und dem Neoliberalismus verbunden.

IV. Der Widerspruch unserer Epoche

Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist es zu einer Sammlung der Kräfte des Widerstands gegen Neoliberalismus und Krieg gekommen. Wollen wir eine Alternative zum Kapitalismus des 21. Jahrhunderts erkämpfen, so ist es erforderlich, die neuen Realitäten zu begreifen. Der Neoliberalismus zielt auf eine Umwälzung der sozialen Verhältnisse auf kapitalistischer, patriarchaler Grundlage.

Der politische und soziale Ordnungsrahmen der Nachkriegsjahrzehnte wird aufgelöst oder gesprengt. Alle politischen, rechtlichen und kulturellen Hindernisse, die einer schrankenlosen Ausbeutung der neuen Produktivkräfte im Wege stehen, sollen abgeschafft werden. Schauplatz dieser innerkapitalistischen Revolution, die den dem Kapital unterworfenen Menschen als eine „passive Revolution“ (Gramsci) von oben aufgezwungen wird, ist die ganze Welt. Durch den Zusammenbruch und Zerfall der Sowjetunion und ihres Bündnissystems wurde dem entgrenzten Kapitalismus politisch und militärisch freie Bahn geschaffen. Hat die Existenz der sozialistischen Staaten dem Expansionsdrang des Kapitals doch nicht nur geopolitisch Grenzen gesetzt, sondern letztlich auch die Verhandlungsposition der ArbeiterInnenklasse in den kapitalistischen Staaten gestärkt.

Doch der Motor dieser innerkapitalistischen „Revolution“ findet sich nicht in geänderten internationalen Beziehungen des Kapitals, sondern in der Entwicklung der Produktivkräfte. Eines ihrer hervorstechenden Merkmale ist eine grenzenlose globale Vernetzung der wirtschaftlichen, sozialen und geistig kulturellen Prozesse. Die Wissenschaft ist eine unmittelbare Produktivkraft geworden, was einen qualitativen Umbruch in den Wirtschafts- und Arbeitsverhältnissen einleitet. Was die reichen Zentren des Kapitalismus durchmachen, wird vielfach als Übergang von einer kapitalistischen Industriegesellschaft zu einer kapitalistischen „Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft“ beschrieben.

Massenhaft wird dabei industrielle, bezahlte menschliche Arbeit durch informationsverarbeitende Maschinen ersetzt. Der Einsatz der neuen Technologien steht aber erst an seinem Anfang. Biotechnologie und Gentechnik leiten eine weitere Etappe der Revolutionierung der Produktivkräfte ein. Dabei werden etwa Fortpflanzungstechnologien entwickelt, bei denen der Körper der Frau als Rohstofflieferant dienen soll.

Das Kapital ist dementsprechend bemüht, Wissen und Informationen zunehmend zu kontrollieren. Software- und Bio-Patenten sowie Verschärfungen im Urheberrecht sollen Wissen zur Ware machen. Mit technischen Mitteln wie Kopierschutzmethoden etc. versuchen Konzerne zudem, die Kontrolle über die neuen Informationstechnologien zurück zu erlangen - was die Auseinandersetzung um die Befreiung von Wissen und Information zu einem strategisch bedeutenden Aspekt im Kampf gegen die kapitalistisch-patriarchale Verwertungslogik werden lässt.

Die beschriebenen Umbrüche erschüttern die gesamte moderne Zivilisation. Der Einsatz moderner Technologien, der seinen Möglichkeiten nach zur Überwindung von Hunger und Elend in der Welt, zur Ökologisierung des Wirtschaftens und zur Erleichterung und Bereicherung des Lebens beitragen könnte, nimmt unter der Herrschaft des neoliberal geprägten Kapitalismus und seiner Konzerne einen katastrophal zerstörerischen Charakter an.

Der grundlegende Klassenwiderspruch im Kapitalismus zwischen Kapital und Arbeit führt auch dazu, dass die neuen Produktivkräfte in der heutigen Zeit einerseits ein ungeheures Vernichtungs- und Gefahrenpotential, andererseits aber auch Möglichkeiten für die Gestaltung einer neuen, höheren Stufe der menschlichen Zivilisation in sich bergen. Diese revolutionäre Dialektik der Epoche ist es, die in der Losung der globalisierungskritischen Bewegung - „Eine andere Welt ist möglich!“ - ausgedrückt wird.

V. Das Scheitern des Reformismus - eine revolutionäre Politik ist notwendig

Die diversen „Dritten Wege“, die von sozialdemokratischen Parteien eingeschlagen wurden, haben sich samt und sonders als Anpassungen an den Neoliberalismus herausgestellt. Dementsprechend ist unumgänglich deutlich zu widersprechen, wenn manche – auch auf Seiten der politischen Linken - den Kapitalismus der 70er Jahre als „goldenes Zeitalter“ verklären. Aus der heutigen Sicht erweist sich diese Periode als diejenige, in der das Kapital die Kräfte für seine heutige Offensive sammelte, während die ArbeiterInnenbewegung und vor allem die Gewerkschaften durch die sozialpartnerschaftliche Einbindung in ein angeblich „krisenfreies“ kapitalistisches Regime moralisch und politisch entwaffnet wurden.

Es ist dies einer der Gründe, weshalb – von einigen heroischen Ausnahmen, wie dem Streik der britischen Bergarbeiter oder den französischen EisenbahnerInnen abgesehen - die ArbeiterInnenklasse die Privatisierungen und den gesamten neoliberalen Umbau der letzten 20 Jahre ohne massive Gegenwehr über sich ergehen hat lassen. Auch die Ignoranz gegenüber den Lebensbedingungen von Frauen bzw. den Forderungen der Frauenbewegungen hat zur Schwächung der ArbeiterInnenbewegung beigetragen.

Was in Jahrzehnten an sozialen Absicherungen und demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten auf betrieblicher, lokaler oder staatlicher Ebene als Zugeständnisse errungen werden konnte, fällt dem heute entgrenzten Kapitalismus zum Opfer. Angesichts des übermächtigen transnationalen Kapitals stoßen nicht nur Gewerkschaften, sondern auch Kommunen, Parlamente und Regierungen an die Grenzen ihrer politischen Möglichkeiten.

Jede - dem Anspruch nach fortschrittliche - Politik jedoch, die die Rahmenbedingungen des globalisierten neoliberalen Kapitalismus akzeptiert und nicht in Frage stellt, ist zum Scheitern verurteilt. Die Verteidigung und die Durchsetzung neuer sozialer Errungenschaften erfordert heute einen entschiedenen politischen und ökonomischen Kampf gegen das Kapital und seine Ideologie.

In den meisten europäischen Staaten besteht dagegen ein Zwei-Parteien-System. Sozialdemokratisch-grüne Parteiallianzen und konservativ-rechte bzw. rechts-nationalistische Bündnisse, die beide auf der Grundlage des neoliberalen kapitalistischen Systems stehen, wechseln einander an der Regierung ab. An den Grundtendenzen der Entwicklung ändert sich dadurch nichts. In dem Maße, in dem die Menschen die Perspektivlosigkeit dieses Schaukelsystems erkennen, wird der Boden für antidemokratische autoritäre politische Tendenzen und rechtsextreme Parteien bereitet. Das Kapital erweitert dadurch seine politischen und ideologischen Strategien. Antifeminismus, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus dienen der Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsteile. Sie sind Teil einer Kultur der Herrschaft und Ausgrenzung, an der weite Teile der „Mehrheitsbevölkerungen“ teilhaben. Darüber hinaus verkleistern sie aber auch gesellschaftliche Bruchlinien und bereiten den Boden für einen Polizei- und Überwachungsstaat.

Somit ist auch die Demokratie angesichts des neoliberalen Kapitalismus gefährdet. Die Krise der Sozialdemokratie, die immer weniger in der Lage ist, ihre grundsätzliche Bejahung des kapitalistischen Systems – selbst unter neoliberalen Voraussetzungen - mit sozialreformistischer Rhetorik zu kaschieren, findet darin ihre tiefere Ursache. Aus dieser Krise des Reformismus entsteht aber auch eine neue Chance für eine revolutionäre Linke.

VI. Die Gewerkschaften müssen sich entscheiden

Die Gewerkschaften stehen vor der Entscheidung zwischen „sozialpartnerschaftlicher“ Nostalgie und kämpferischer Neuorientierung. In den Jahrzehnten der „Sozialpartnerschaft“ haben sie sich von Schutz- und Kampforganisationen zu „Ordnungsfaktoren“ des kapitalistischen Systems gewandelt. Führungspersönlichkeiten der Gewerkschaftsbewegung wurden zu Teilen der Systemeliten und die Politik der Gewerkschaften richtete sich zunehmend auf ein „gesellschaftliches Gesamtinteresse“ im Rahmen des Kapitalismus, als würden in unserer Gesellschaft keine Klassengegensätze bestehen. Darüber hinaus haben sie die Geschlechterverhältnisse ignoriert.

Jetzt, da der Neoliberalismus das politische Umfeld zu Ungunsten der Gewerkschaften gravierend verändert hat, treten diese Widersprüche verstärkt zu Tage. Gesetzmäßige Folge der sozialpartnerschaftlichen“ Einbindung der Gewerkschaften war ihre Entdemokratisierung. Die wichtigste Voraussetzung dafür, den Lähmungszustand der Gewerkschaften zu überwinden und (wieder) aktionsfähig zu werden, bildet somit eine radikale Demokratisierung unter den Bedingungen der Quotierung nach den Geschlechtern und der Einbeziehung von MigrantInnen auf allen Ebenen.

Die Mitglieder müssen in alle wesentlichen Entscheidungen eingebunden werden - und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die heutige ArbeiterInnenklasse multiethnisch und multikulturell zusammengesetzt ist. Zudem besteht die ArbeiterInnenklasse zur Hälfte aus Frauen und umfasst auch Beschäftigungslose und Menschen in ungeschützten bzw. atypischen Beschäftigungsverhältnissen, auch in privaten Haushalten.

Heute stehen die Gewerkschaften aber auch vor der Alternative: Entweder Komplizenschaft in der imperialistischen Konkurrenz um Absatzmärkte und nationale Wettbewerbsvorteile oder Widerstand gegen die neoliberale Standortlogik. Wo sich Gewerkschaftsführungen auf eine nationalistische Logik einlassen, sichern sie weder Arbeitsplätze noch Löhne oder gar den Sozialstaat, sondern schwächen stattdessen den Widerstand gegen den weltweiten Sozialabbau und den Kampf gegen die Verschärfung der Ausbeutung.

Die Arbeitenden und Arbeitslosen brauchen entsprechend demokratisch organisierte Gewerkschaften und Parteien, die sich nicht als Partner in nationalen Wettbewerbsbündnissen begreifen, sondern jenseits staatlicher Institutionen feste solidarische Formen internationaler Kommunikation und Kooperation aktiv gestalten und fördern.

Dabei geht es auch um die Öffnung der Gewerkschaften gegenüber anderen sozialen und demokratischen Bewegungen, insbesondere gegenüber der so genannten „globalisierungskritischen Bewegung. Nur wenn es zu einer Vernetzung und zu einem Zusammenwirken der Gewerkschaften mit diesen sehr unterschiedlichen und spezifischen Bewegungen kommt, können Klassenanliegen und Geschlechterdifferenz in ihrer Vielfalt wirksam wahrgenommen werden.

Die Aufgabe von KommunistInnen und anderen linken, auf Systemüberwindung orientierten Kräften ist es aktiv dazu beizutragen, dass Solidarität und Zusammenhalt entstehen - Einheit in der Differenz, wie es feministische Theoretikerinnen schon vor Jahren benannt haben.

Auch in den österreichischen Gewerkschaften „schlummert“ ein beträchtliches Potenzial für die „Veränderung der Welt“. Gelingt es, dieses zum Leben zu erwecken, eröffnen sich neue Perspektiven auf diesem Weg. Perspektiven, die sich in der Zusammenarbeit mit linken GewerkschafterInnen im Prozess der Sozialforen schon ansatzweise erkennen ließen. Für die KPÖ stellen die Sozialforen dementsprechend auch in gewerkschaftspolitischer Hinsicht ein wesentliches Aktionsfeld dar. Darüber hinaus stellt sich für die KPÖ aber auch die Frage nach einer ständigen Überprüfung der eigenen gewerkschaftspolitischen Erfahrungen und Aktivitäten und ihrer Weiterentwicklung.

VII. Die „Bewegung der Bewegungen“

Erst am Beginn des 21. Jahrhunderts begannen sich die Kräfte des Widerstandes gegen Neoliberalismus und Krieg auf eine neue Weise zu formieren. In vielen europäischen Staaten richteten sich Massenstreiks gegen die vom Kapital betriebenen Verschlechterungen der Pensionssysteme sowie gegen reaktionäre Gesundheits- und Bildungsreformen.

Gegen Neoliberalismus und Krieg hat sich in den letzten Jahren die so genannte globalisierungskritische „Bewegung der Bewegungen“ gebildet. Deren Widerstand eröffnete für die Linke neue Möglichkeiten in globale politische Entwicklungen einzugreifen. Seattle, Genua und die Antikriegskundgebungen des 15. Februar 2003 sind zu Symbolen dieses Widerstandes geworden. Die Verhinderung des multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI), die Verzögerung der WTO- und GATS-Vereinbarungen, die größte Friedensbewegung der modernen Geschichte - alles das sind Meilensteine zur Bildung einer neuen weltweiten antikapitalistischen wie auch einer neuen internationalen ArbeiterInnenbewegung.

Für diese neue Aktionseinheit ist vor allem folgende Einsicht kennzeichnend: Ob GewerkschafterInnen, LandarbeiterInnen oder landlose Bauern, ob radikale Ökologiebewegung oder Feministinnen, Friedensgruppen, MenschenrechtsaktivistInnen, ob kommunalpolitische Initiativen, ob fortschrittliche konfessionelle Bewegungen und Gruppen, ob die ArbeiterInnenbewegung in Industriezentren und deren progressive politische Parteien - sie alle werden unter die Räder des entfesselten neoliberalen kapitalistischen Systems kommen, wenn sie den Kampf gegen diesen übermächtigen Gegner weiterhin isoliert führen.

Für diese neue Aktionseinheit ist aber auch das Begehren insbesondere von jungen Menschen, Feministinnen und MigrantInnen nach einer neuen Kultur in der gemeinsamen Bewegung charakteristisch, das insbesondere von der traditionell organisierten ArbeiterInnenbewegung ernst genommen werden muss, weil es letztlich Ausdruck der geänderten Arbeits- und Lebensverhältnisse ist. Vielfach werden neue kulturelle Ausdrucksformen in ihrer politischen Relevanz von der Linken noch nicht wahrgenommen.

VIII. Lokal handeln

Ein wichtiges Feld emanzipatorisch-politischen Handelns stellt die Politik auf Gemeindeebene dar. Mit mehr als der Hälfte der öffentlichen Investitionen stellen die Gemeinden einen bedeutenden Faktor der Sozial- und Beschäftigungspolitik dar. Trotzdem werden sie bei der Zuteilung öffentlicher Mittel benachteiligt. Ihre anwachsenden Schulden und der Stabilitätspakt der EU ziehen die Gemeinden immer tiefer in die Krise.

Zudem geraten nunmehr die kommunalen Dienstleistungsunternehmen ins Visier der Privatisierung. Die Überantwortung der so genannten „Daseins-Vorsorge“ an den „freien Markt“ oder auf „die Rücken“ von Frauen und MigrantInnen zerstört tausende Arbeitsplätze, bringt Sozialabbau und schreibt rassistische und patriarchale Strukturen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung weiter fest. Die Enteignung der Kommunen zu Gunsten des Privatkapitals schränkt zudem die Möglichkeiten einer eigenständigen Kommunalpolitik - und damit die Demokratie im unmittelbaren Lebensbereich der Menschen ein.

Mit der Krise der Kommunen gerät aber auch die bisherige Kommunalpolitik in die Krise: Auch in den Kommunen geht es für die Linke um die Durchsetzung eines neuen Politikverständnisses, das heißt ein Abgehen von der „Stellvertreterpolitik“ hin zu einer Politik der „Selbstermächtigung der Menschen“. Ausgehend von Erfahrungen der Linken in Lateinamerika (Porto Alegre u.a.) haben linke Mehrheiten in europäischen Städten wie Sevilla, St. Denis u.a. begonnen, Modelle der „Partizipativen Demokratie“ einzuführen. Ziel partizipativ-demokratischer Kommunalpolitik ist die direkte und praktische Einbeziehung der Menschen in die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse. Ein neues fortschrittliches Potenzial wird somit im Kampf gegen den Neoliberalismus freigesetzt.

Fortschrittliche KommunalpolitikerInnen verstehen sich dabei als Teil der sozialen Bewegungen; im Rahmen der Sozialforen haben sie ein internationales Netzwerk zum Austausch von Erfahrungen und zur Koordinierung ihrer Politik geschaffen.

Die Kommunalpolitik, die an der Schnittstelle von staatlicher Verwaltung und Zivilgesellschaft angesiedelt ist, ist ein unumgehbares Aktionsfeld von Linken und KommunistInnen. Gerade auf dieser Ebene geht es um Bewusstseinsveränderung: Besonders die Kommunen und die in ihr wirkenden KommunistInnen tragen große Verantwortung für das Zurückdrängen rassistischer Haltungen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Forderung nach gleichem Zugang aller in Österreich lebenden Menschen zu kommunalen Dienstleistungen und Gemeindewohnungen.

IX. Der Bezug auf die heutige ArbeiterInnenklasse

Der neoliberale Umbau des Kapitalismus kombiniert mit neuen Herrschaftsstrategien vertieft die Spaltung der Gesellschaft. Neoliberalismus ist „Klassenkampf von oben“: Die Klassenspaltung und die geschlechtshierarchische und rassistische Gliederung der Gesellschaft treten deutlicher hervor. Doch auch für die heutige Zeit gilt, dass die Stärke des Kapitals (auch) in der Schwäche der Gegenkräfte besteht.

Tatsache ist, dass in den entwickelten kapitalistischen Gesellschaften die überwiegende Mehrheit der Frauen und Männer vom Verkauf ihrer Arbeitskraft abhängig ist. Für diese Gruppe der Gesellschaft hat K. Marx den Begriff „Arbeiterklasse“ geprägt. Er hat damit nicht Arbeitende bestimmter Branchen oder einzelne Berufsgruppen gemeint. Der „Arbeiterklasse“ gehören alle Menschen an, die in einem Lohnarbeitsverhältnis stehen. Das bedeutet aber auch, dass sich die

ArbeiterInnenklasse – vor allem in einem Zeitalter rasanten technologischen Wandels - ständig verändert. Dementsprechend ist ihr Begriff heute breit und vielgestaltig zu fassen: Die „Arbeiterklasse“ umfasst die Gruppe der Industriearbeiterschaft ebenso wie die Mehrheit der manuell oder geistig arbeitenden Angestellten, einen Großteil der öffentlich Bediensteten und der Beschäftigten des Dienstleistungssektors oder der vielen, insbesondere Migrantinnen, die in privaten Haushalten arbeiten.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft führt letztendlich auch dazu, dass sich viele Klein- und vor allem Nebenerwerbsbauern der Arbeiterklasse annähern. Die heutige ArbeiterInnenklasse entspricht immer weniger dem traditionellen Bild der manuell arbeitenden, im Rahmen eines Normalarbeitsverhältnisses beschäftigten männlichen inländischen Arbeiter, das sowohl die Politik der traditionellen ArbeiterInnenbewegung prägte wie auch die Arbeits- und Sozialgesetzgebung des Wohlfahrtsstaates vergangener Jahrzehnte. Heute gilt nicht nur, dass die Mehrheit der Frauen Teil der ArbeiterInnenklasse ist, sondern auch, dass die Mehrheit der „Arbeiterklasse“ weiblich ist. Zur ArbeiterInnenklasse zählen auch die Arbeitslosen und die atypisch Beschäftigten, die PensionistInnen und Jugendlichen sowie die „Neuen Selbständigen“ und „Ich-AGs“. Die ArbeiterInnenklasse ist in den meisten entwickelten Ländern heute zudem multinational. Teilzeitarbeit und „atypische“ Beschäftigung werden typisch.

Damit umfasst die ArbeiterInnenklasse die große Mehrheit der Bevölkerungen in den Gesellschaften des entwickelten Kapitalismus. Heute kann auf konkrete Weise wirklich werden, dass die sozialistische Bewegung „die Bewegung der ungeheuren Mehrheit im Interesse der ungeheuren Mehrheit wird“ (K. Marx). Ein neues Verständnis von Arbeit und ArbeiterInnenklasse muss uns daher auch zu einem neuen Verständnis des Klassenkampfes, seinen konkreten Inhalten, seinen Formen und seiner Organisierung führen.

X. Sozialismus und Emanzipation

Auf der Suche nach Wegen zur Veränderung der bestehenden Verhältnisse gehen KommunistInnen von der gesellschaftlichen Realität und den Grundtendenzen des heutigen Kapitalismus aus. Gegenwart und geschichtliche Erfahrung belegen, dass die Bedürfnisse der Menschen nach Frieden und sozialer Sicherheit nicht zu befriedigen sind, wenn das kapitalistische System und die patriarchalen Strukturen nicht zur Gänze in Frage gestellt und überwunden werden.

Die politische Funktion von KommunistInnen ist es daher, in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld die Notwendigkeit von (gesellschaftspolitischen) Veränderungen bewusst zu machen:

- Bedürfnisorientiertes Wirtschaften auf der Basis des gesellschaftlichen Besitzes der Produktionsmittel anstelle der mörderischen Jagd nach Profiten

- Tatsächliche Gleichberechtigung anstelle der patriarchalen und rassistischen Segmentierung der Gesellschaft

- Sozialismus anstelle der Herrschaft des Kapitals

- Hinterfragen der persönlichen Lebensgewohnheiten

- Besinnen auf die „Qualität“ des Lebens.

In einer Zeit, in der auf mühevolle Weise die Einsicht in die Notwendigkeit der Überwindung des kapitalistischen Systems entsteht, in der der Weg für eine über den Kapitalismus hinausweisende Perspektive geöffnet werden muss, macht es aber keinen Sinn, konkrete „Sozialismus-Bilder“ in einem Programm festzuschreiben. Sozialismus muss aus der realen antikapitalistischen Bewegung entstehen. Vorstellungen über den Sozialismus können der Bewegung nicht als fix und fertige Entwürfe vorgesetzt werden, sie müssen sich allmählich aus der theoretischen Verarbeitung ihrer Erfahrungen entwickeln.

Aus der geschichtlichen Erfahrung lassen sich allerdings Kriterien sozialistischer Politik entwickeln:

1.) Sozialistisch ist jene Gesellschaft, in der die Bewegung zur Überwindung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln eine hegemoniale Rolle spielt. Sozialistisches Eigentum entsteht allerdings nicht einfach aus Verstaatlichung. Es ist gesellschaftliches Eigentum, das unterschiedliche rechtliche Formen annehmen kann (staatliches, kommunales, genossenschaftliches, ja selbst privates Eigentum, wenn es gesellschaftlichen Zielsetzungen dient). Kriterium gesellschaftlichen Eigentums ist nicht sein rechtlicher Staus allein, sondern die reale Möglichkeit zur Mitbestimmung („Partizipation“) der betroffenen Menschen. Kriterium sozialistischen Eigentums ist daher die reale Vergesellschaftung als Voraussetzung für eine demokratische Selbstverwaltung.

2.) Sozialismus bedeutet Durchsetzen der gesellschaftlichen Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gegenüber dem Profitprinzip. Das verstehen wir unter Emanzipation. Emanzipation erfordert entsprechend die Lösung der „Machtfrage“ im Interesse der Mehrheit der Gesellschaft. Es würde aber das Ziel der emanzipatorischen Umgestaltung in ihr Gegenteil - nämlich in eine neue Abhängigkeit und Unterdrückung - verkehren, wenn dies ausschließlich eine „Eroberung des Staates“ bedeutete. Darin besteht einer der grundlegenden theoretischen Fehler des Stalinismus innerhalb der kommunistischen Bewegung. Ziel ist vielmehr eine neue Qualität von Macht, die sich durch Demokratie und Partizipation auszeichnet. Demokratie und Sozialismus bilden daher in einer zeitgemäßen revolutionären Vision ebenso eine Einheit wie Kritik und aktive Veränderung von KommunistInnen als revolutionärer Prozess verstanden wird. Demokratie ist somit keine „Restgröße“ zur Durchsetzung sozialistischer Ziele, wie das in der Vergangenheit in Theorie und Praxis der kommunistischen Bewegung vielfach gehandhabt wurde.

3.) Die ausbeuterische Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern ist Ausdruck kapitalistischer und patriarchaler Produktionsverhältnisse. Dabei erfasst die Lohnarbeit nur einen Teil der Lebenswirklichkeit.

Kapitalistische und patriarchale Ausbeutung findet sowohl innerhalb eines Lohnarbeitsverhältnisses – etwa in der systematisch ungleichen Bewertung von Frauen- und Männerarbeit - als auch außerhalb statt. Der unbezahlte gesellschaftlich unsichtbare „Rest“ der Arbeit bestimmt nach wie vor das Geschlechterverhältnis und die Lebenslage von mehr als der Hälfte der Menschheit. Das verlangt einen über die Lohnarbeit hinausgehenden Arbeitsbegriff, der alle notwendigen gesellschaftlichen Tätigkeiten umfasst und damit eine neue Grundlage bei der Entwicklung des Verständnisses von Gesellschaft bildet.

Aus dieser Sicht entwickelt sich eine fundamentale Kritik an jener Kultur, die das Primat der Männlichkeit zu einem weltumspannenden Prinzip erhoben hat. Feminismus wird so zu einem untrennbaren Bestandteil des Sozialismus. Sozialismus ist mehr als ein neuer Weg zur Verteilung der gesellschaftlichen Reichtümer. Er erfordert eine neue Art des Produzierens und Konsumierens sowie eine neue, nicht patriarchal geprägte Kultur des Zusammenlebens.

Sozialismus bedeutet aber auch, die menschlichen Bedürfnisse mit den natürlichen Voraussetzungen der Gesellschaft in Beziehung zu setzen. Sozialismus erfordert daher auch die Ökologisierung der Wirtschaft. Mit anderen Worten: Neue Eigentums- und Machtverhältnisse zu erkämpfen, stellt keinen Selbstzweck dar. Diese müssen dazu dienen, menschliche Freiheit durchzusetzen. Erst so werden sie zu Instrumenten der menschlichen Emanzipation.

XI. Der Charakter unserer Partei

Für Kommunistinnen und Kommunisten auf der ganzen Welt waren und sind der Kampf gegen jegliche Unterdrückung, gegen Krieg und Faschismus und zur Verteidigung demokratischer Rechte vordringliche Ziele. Auch in der KPÖ haben Frauen und Männer tausendfach unter Einsatz ihres Lebens oder ihrer Existenz bewiesen, dass sie sich auch unter den schwierigsten Bedingungen für die Interessen der arbeitenden und benachteiligten Bevölkerung uneigennützig einsetzen. Gerade dies bestimmt den Charakter unserer Partei.

Wir gehen davon aus, dass der Kampf um Emanzipation eine politische Organisierung erfordert. Die sozialstrukturellen Veränderungen im zeitgenössischen Kapitalismus, die Veränderungen in der Lebensweise der Menschen, die Differenziertheit der Gesellschaft sowie neue Herrschaftsstrategien des Kapitals erfordern eine neue Sichtweise hinsichtlich der Funktion und Form politischer Organisierung.

Wichtigste Aufgabe der KPÖ ist es, zu einer breiten und vielfältigen antikapitalistischen und antipatriarchalen Bewegung beizutragen. Dazu bedarf es einer inneren und äußeren Öffnung. So vielfältig und differenziert sich die heutige Gesellschaft und die ArbeiterInnenklasse darstellen, so vielfältig wird sich der Widerstand gegen das Kapital gestalten. Die Anerkennung dieser Pluralität - das heißt auch der Unterschiedlichkeit weltanschaulicher Zugänge zum Widerstand - ist eine Voraussetzung für unsere Handlungsfähigkeit.

Die Enteignung der KPÖ durch die deutsche Justiz hat völlig neue Rahmenbedingungen für die Entwicklung unserer Organisation und Politik geschaffen.

Noch ist manchem zu wenig bewusst, was es bedeutet, die gesamte Arbeit der Partei auf Ehrenamtlichkeit umzustellen, eine „Partei der AktivistInnen“ zu werden. Noch bewusster müssen wir die politischen Ziele mit den vorhandenen Mitteln in Übereinstimmung bringen. Unterschiedliche Lebensrealitäten müssen bei der Organisierung berücksichtigt werden. Wir müssen die koordinierenden Arbeiten und die Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur auf das Unumgängliche reduzieren und unsere Kraft auf die politische Außenwirkung konzentrieren.

Bei der Entwicklung dieser „Partei der AktivistInnen“ werden wir noch viele Erfahrungen sammeln müssen. Eines aber ist bereits jetzt klar. Den Luxus eines den Großteil unserer Kräfte bindenden Fraktionskampfes – dem der Bundesvorstand und die ganze Partei zu lange nicht entschieden entgegengetreten ist – wollen wir beenden. Auffassungsunterschiede, die bestehen, dürfen einer gemeinsamen Politik nicht im Wege stehen, wenn sie als solche respektiert werden.

Was eine „Partei der AktivistInnen“ als eine „freiwillige Kampfgemeinschaft“ vor allem braucht, ist ein Klima der Solidarität. Nur in einem derartigen Umfeld kann sich Motivation für politische Aktivität entfalten. Erforderlich ist daher, einen Bruch mit allen Haltungen zu vollziehen, die die innere Pluralität nicht anerkennen wollen und den notwendigen parteiinternen Meinungsaustausch vergiften, indem sie ihn zum unausgesetzten politischen Machtkampf deformieren.

Denn: Revolutionäre Identität schöpft nicht aus einer, sondern aus vielen kulturellen und politischen Traditionen und Quellen. Wer den Kommunismus ausschließlich auf einer einzigen Tradition, Erfahrung oder Kultur begründen will, landet unweigerlich in autoritärer Rechthaberei und Sektierertum. Auch das lehren uns die Fehler der Vergangenheit.

Für jede emanzipatorische Bewegung gilt zudem, dass der Gradmesser für die allgemeine Emanzipation die Emanzipation der Frauen ist. Veränderungen in Lebensweise und Mentalität sowie ein neues Verhältnis zwischen Männern und Frauen müssen im politischen Kampf bewältigt werden und sich in einer neuen politischen Kultur artikulieren. Das erfordert auch von Männern sich mit ihren aus patriarchalen Zwängen entstandenen Konditionierungen bzw. mit feministischer Analyse auseinanderzusetzen.

XII. Vielfalt nach außen und nach innen

Das Verstehen der Vielfalt revolutionärer Ansätze bestimmt nicht nur unser Verhältnis zu anderen Kräften, sondern auch die innerorganisatorischen Beziehungen. Dabei erfordert das organisatorische Selbstverständnis auch ein reflektiertes Verhältnis zur eigenen Geschichte. Wir haben aus der Überwindung des Stalinismus in unserer Bewegung die Konsequenz gezogen, uns von allen dogmatisch-autoritären Einstellungen und einseitigen Interpretationen der sozialistischen Theorie zu lösen.

Die KPÖ kann sich nur als eine marxistische Partei der Vielfalt, in der die Politik frei und demokratisch diskutiert und beschlossen wird, entwickeln. Der Zusammenhalt der KPÖ basiert auf der Übereinstimmung der Mitglieder in grundlegenden Fragen revolutionärer Politik. Darüber hinaus aber ist die KPÖ eine Partei der inhaltlichen Vielfalt.

Die Praxis einer pluralen Partei setzt die Anerkennung der Pluralität durch alle Strömungen der Partei voraus. Eine offene Diskussion in der Partei hat vor allem das Ziel der Verständigung auf die gemeinsame Aktion. Denn, wo die gemeinsame politische Praxis nicht mehr organisierbar ist, führt sich der Sinn einer gemeinsamen Organisation ad absurdum.

Die Erneuerung der KPÖ stellt einen offenen Prozess dar. Bereits in den 1994 mit großer Mehrheit vom 29. Parteitag beschlossenen „Grundzügen der Neuorientierung“ haben wir festgehalten: „Eine Vereinigung mit anderen linken Kräften, die auf eine Überwindung des kapitalistischen Systems orientieren, halten wir als längerfristige Möglichkeit der Entwicklung unserer Partei bewusst offen.“

In diesem Zusammenhang betrachten wir das Projekt der Wahlplattform „LINKE“ nicht als Gründung einer neuen Partei, sondern als eine Allianz, einen Versuch zu einer neuen politischen Zusammenarbeit linker Kräfte zu kommen, die eine politische Plattform links von Sozialdemokratie und Grünen schaffen wollen. Die KPÖ gibt sich durch eine solche Zusammenarbeit als eigenständige Kraft keineswegs auf, wie Dogmatiker dies unterstellen. Die Denunziation heute möglicher Bündnisse dient letztlich nur der Torpedierung der Erneuerung unserer Partei.

XIII. Marxistisches Denken und Erneuerung

Die Kommunistische Partei Österreichs ist als ein Instrument zur emanzipatorischen Umgestaltung der Welt und nicht als Glaubensgemeinschaft zu begreifen. Die in der KPÖ sich organisierenden Menschen verbindet kein Dogma, sondern unbeschadet religiöser und sonstiger philosophischer Überzeugungen die revolutionäre politische Perspektive. Niemand, der die Welt kritisch interpretieren will, um sie zu verändern, kommt am Werk von Karl Marx vorbei, das - nicht als Dogma verstanden - eine Methode für die radikale Sicht auf die menschliche Gesellschaft und ihre Fortschrittspotenziale darstellt.

Programmatische Erneuerung erfordert aber eine kritische Auswertung des Erbes - sowohl der in der kommunistischen Bewegung anerkannten Klassiker wie auch derjenigen TheoretikerInnen, die am Rande der Bewegung standen oder aufgrund von ideologischer "Abweichung“ ausgegrenzt wurden. Kritische Wissenschaft ist unverzichtbar für die Entwicklung linker Politik. Sie steht aber nicht unter der Leitung politischer Instanzen.

Marxismus kann sich nicht als eine „Orthodoxie“ entwickeln, sondern nur als eine in ständiger Kritik und Revision befindliche Wissenschaft. Dazu will die KPÖ einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Beitrag leisten. Wesentliches zum Verständnis der heutigen Welt wurde außerhalb des orthodoxen Marxismus erarbeitet. Ohne diese Erkenntnisse, etwa diejenigen des Feminismus oder der politischen Ökologie, ist eine auf die Zukunft gerichtete Politik undenkbar.

Notwendig ist die Überschreitung jeder auf bestimmte Traditionslinien, Sprachkreise oder Regionen bezogenen Einengung des marxistischen Diskurses, insbesondere des Eurozentrismus vieler Debatten. Ebenfalls in den „Grundzügen einer Neuorientierung“ haben wir 1994 festgehalten: „Die KPÖ versteht sich also nicht nur in politisch-praktischer, sondern auch in theoretischer Hinsicht als eine internationalistische Partei und will einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Beitrag zur Entwicklung des theoretischen Dialogs der Linkskräfte leisten.“ Mit der auch von der KPÖ forcierten Gründung der Europäischen Linkspartei - als gemeinsamen politischen Raum für die Debatte wie auch die politische Praxis - ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung geglückt.

XIV. Internationalismus - ein Kern kommunistischer Politik

Sozialistisches Bewusstsein ist globales Bewusstsein. Zwar bilden die Nationalstaaten weiterhin einen wesentlichen Bezugsrahmen sozialer und politischer Kämpfe, um diese aber wirksam führen zu können, beginnen die Klassenkräfte und sozialen Bewegungen, die Gewerkschaften und die alternative - also auf Überwindung des kapitalistischen Systems orientierte - Linke sich international zu vernetzen. In gemeinsamen transnationalen Kämpfen entwickeln sich die Umrisse neuer solidarischer und demokratischer Alternativen der Weltentwicklung.

Der Internationalismus beginnt im eigenen Land! Die Forderung „Gleiche Rechte für alle in Österreich lebenden Menschen“ hat zentrale Bedeutung für den Kampf um soziale Gerechtigkeit. Wir stellen der rassistischen Ausgrenzung und Konkurrenz die Solidarität und den Internationalismus gegenüber. Wir führen diesen Kampf gemeinsam mit anderen Bewegungen unter dem Begriff der „Residenzbürgerschaft“ („Wohnbürgerschaft“), d.h. wir verlangen, dass politische, soziale und kulturelle Rechte nicht mehr an die Staatsbürgerschaft, sondern an den jeweiligen Aufenthalt geknüpft werden. Die KPÖ lehnt dementsprechend alle Formen der Zwangsintegration wie auch das rassistische Grenzregime der „Festung EU-Europa“ ab.

In der Perspektive des Internationalismus sehen wir auch die Europapolitik der KPÖ. Im Zentrum einer europapolitischen Alternative steht der Kampf um eine demokratische und soziale Integration Europas, anstelle der imperialistischen Machtentfaltung der EU. Daher lehnen wir den Regierungsentwurf für eine EU-Verfassung mit einem „Linken Nein“ ab. „Linkes Nein“ heißt, dass wir demokratische und soziale Alternativen zur kapitalistischen neoliberalen Integration entwickeln und uns von nationalistischer und rassistischer Demagogie scharf abgrenzen.

Die KPÖ setzt auf eine Alternative zum kapitalistischen System und somit auch auf eine Alternative zur EU des Kapitals und der Konzerne als wesentlichem Teil dieses Systems:

- Diese Alternative kann nicht allein aus der nationalstaatlichen Perspektive entwickelt werden. Bei der Entwicklung von strategischen Überlegungen ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Kapitalverflechtungen und die Standortpolitik der Konzerne dazu geführt haben, dass sich die Funktion des kapitalistischen Nationalstaats grundlegend geändert hat.

- Natürlich besteht die KPÖ im Sinne der Selbstbestimmungsrechte der Bevölkerungen auch weiterhin auf das Recht zum Austritt aus der EU und sieht darin auch eine politische Option. Die Kritik der KPÖ an der EU ist aber antikapitalistischen, antiimperialistischen und antipatriarchalen Inhalts und unterscheidet sich daher grundsätzlich von nationalistischen und rechten Kräften.

- Die KPÖ tritt vorbehaltlos und aktiv für die Beibehaltung der österreichischen Neutralität ein. Wir betrachten die Neutralität als zukunftsfähiges internationalistisches Konzept, von dem ausgehend wir Widerstand gegen die Militarisierung Europas leisten.

- Das Ringen um die demokratische und soziale Integration Europas und der Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit kann und darf sich nicht auf das unmittelbare Umfeld und auf den nationalen Rahmen beschränken. Die Gründung des Europäischen Sozialforums ist dabei ein Element von wesentlicher Bedeutung.

- In diesem Sinne hat die KPÖ an der Vorbereitung der Europäischen Sozialforen teilgenommen, zudem aber auch den Aufbau der Europäischen Linkspartei (EL) aktiv betrieben. Eine Parteikonferenz hat im März 2004 den Beitritt der KPÖ zur EL beschlossen. Die Gründungsversammlung der Europäischen Linkspartei fand im Mai 2004 in Rom statt. Die KPÖ ist im Vorstand der EL vertreten.

Für die KPÖ geht es nun darum, die Europäische Linkspartei als Partei der AktivistInnen zu entwickeln, denn erst im eingreifenden Handeln kann eine revolutionäre Linke den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen. Dementsprechend kann die Europäische Linkspartei kein Projekt der Parteiapparate sein, sondern muss über Netzwerke von AktivistInnen „von unten“ aufgebaut werden. Ein für diesen Prozess wesentliches Netzwerk, ist das feministische Frauenforum der EL, dass sich bereits bei der Gründungsversammlung der Partei in Rom unter maßgeblicher Beteiligung österreichischer Genossinnen konstituiert hat.

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