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GUE/NGL-Konferenz zur EU-Dienstleistungsrichtlinie

  • Freitag, 13. Januar 2006 @ 13:58
Europa Eine europäische Konferenz mit VertreterInnen von Gewerkschaften, Sozialbewegungen und der Zivilgesellschaft unter dem Titel „Bringen wir die Bolkestein-Direktive zu Fall“ veranstaltete die Linksfraktion GUE/NGL im EU-Parlament am 12. Jänner 2006 in Brüssel. Aus Österreich war dabei die KPÖ durch Leo Furtlehner vertreten.

Fraktionsvorsitzender Francis Wurtz (F) wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass im Binnenmarkt-Ausschuss im November 2005 eine Dominanz von rechten und liberalen MandatarInnen einen Entwurf im Sinne der EU-Kommission beschlossen hatte. Bei der Sitzung des Parlaments vom 14. bis 16. Februar müsse daher für andere Mehrheiten mobilisiert werden, zumal Präsident Barroso bereits einen neuen Entwurf angekündigt habe. Die GUE/NGL habe im Ausschuss Änderungsvorschläge unterstützt und selber welche eingebracht, aber sie könne sich nicht auf faule Kompromisse einlassen. Eine Zurückweisung der umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie entspreche dem Willen der Demonstration vom 19. März 2005 in Brüssel.

Die EU-Abgeordnete Kartika Liotard (NL) wies darauf hin, dass dies bereits das vierte Hearing der Linksfraktion zur Bolkestein-Richtlinie sei. Sie berichtete über das Ergebnis der am Vormittag stattgefundenen Konferenz von ParlamentarierInnen, zu welcher auch GegnerInnen der Direktive aus der sozialdemokratischen und der grünen Fraktion eingeladen waren. Sie betonte, es dürfe keine Bolkestein-Light-Version geben. Notwendig sei die Verbindung von parlamentarischer und außerparlamentarischer Bewegung, Sozialforen und Zivilgesellschaft.

Aus Norwegen, wo die linke SF jetzt in der Regierung vertreten ist, gäbe es eine klare Absage an die Richtlinie. Die Kritik an der Richtlinie sei vor allem aus sozialer Sicht sehr stark. Hauptkritikpunkt sei das Herkunftslandsprinzip, das auch in der Light-Version enthalten ist, auch wenn der Name geändert wurde. Der Wettbewerb dürfe nicht auf Kosten der sozialen Sicherheit, Gesundheit, Umwelt etc. gehen. Vielen Liberalen gehe freilich auch der veränderte Entwurf nicht weit genug. Teilweise gäbe es auch eine defensive Position der Linken, manche seien im Zweifel, ob sie Kompromissen zustimmen sollten.

Jozef Niemec (PL) sprach als Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsbundes ETUC, in dem fast alle Gewerkschaften der EU bzw. des EWR vertreten sind. Eine zunehmende Befassung mit dem Entwurf habe die Probleme gezeigt und den Widerstand entwickelt, wobei dies auch ein Verdienst des Parlaments sei.

Eine Schlüsselfrage werde letztlich sein, ob die SPE einen Kompromiss akzeptiert. Aus Sicht der Gewerkschaften müsse das Arbeitsrecht eindeutig ausgeschlossen werden und sei ein Schutz der Grundrechte notwendig. Er kritisierte schwammige Formulieren, die beseitigt werden müssten. Auch die Daseinsvorsorge müsse ausgenommen werden. Der derzeitige Text sei nicht akzeptabel. Die geplante Protestaktion in Straßburg würde hauptsächlich von TeilnehmerInnen aus Frankreich und Deutschland getragen, man hoffe aber auch auf Beteiligung aus Italien, Belgien und Luxemburg.

ATTAC-Vertreter Marco Bersani (I) bezeichnete die Dienstleistungsrichtlinie als Versuch aus dem Scheitern der Lissabon-Strategie herauszukommen, nachdem der Ansatz für Vollbeschäftigung und soziale Sicherheit gescheitert sei. Die Richtlinie ziele auf Harmonisierung nach Unternehmerbedürfnissen, nicht auf eine Ausweitung der Rechte und sei daher ein Dumping-Konzept. Dadurch würde der Druck auf die Arbeitswelt steigen, weil es nur mehr Verkäufer und Kunden geben soll.

Die Richtlinie kenne nur mehr Verbraucher und ziele daher auf die Gewerkschaften. Maßgeblich seien die Vorgaben der EZB, bei Verstößen werde auf den EuGH verwiesen. Die Gewerkschaften müssten mehr Mut für die Arbeitenden zeigen. Der Entwurf müsse zurückgezogen werden, es dürfe keine Light-Version geben. Ausgehend von der Demo am 19. März 2005 in Brüssel müsse der Protest ausgeweitet werden. Die europäische Dimension müsse für eine Offensive genützt werden.

Werner Buehlen (NL) als Vertreter der Europäischen Bau und Holzarbeitergewerkschaft stellte die Frage, welches Europa von morgen wir wollten. Ein solches müsse ein harmonisiertes Europa mit Respekt für Autonomie und einem hohen Wohlstandsniveau sein. Die Dienstleistungsrichtlinie sei von Anfang an ein Fehler und ziele auf verstärkte Konkurrenz unter den Mitgliedsländern. Die Grundsätze der Dienstleistungsrichtlinie seien praktisch nicht machbar, sie ziele auf die Zerstörung der sozialen Kompetenz und sei mit der Entsenderichtlinie unvereinbar.

Es gäbe von Anfang an eine lange Liste kritischer Anmerkungen, der einzige Schluss sei, dass die Dienstleistungsrichtlinie vom Tisch komme. Die Möglichkeit Briefkastenfirmen zu gründen müsse unterbunden werden, die Entsenderichtlinie müsse ausgenommen werden, das Herkunftslandsprinzip müsse fallen. Es gelte eine adäquate Kontrolle einzurichten, dem Zielland müsse die volle Kontrolle unterliegen. Die Zeitarbeit müsse durch den massiven Missbrauch generell ausgenommen werden, ebenso der öffentliche Dienst. Es gelte deutlich zu machen, dass der Widerstand im allgemeinen Interesse liege.

Der Vertreter der Gewerkschaft OPZZ, Ostrowski (PL), berichtete über die Auswirkungen in Polen. Die Dienstleistungsrichtlinie sollte die Lissabon-Strategie mit dem Ziel die EU zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu machen ergänzen, aber dies dürfe nicht auf Kosten der Arbeitnehmer geschehen. Es sollte ein wirklicher Binnenmarkt geschaffen und Barrieren beseitigt werden. Durch die hohe Arbeitslosigkeit in Polen würde von manchen die Dienstleistungsrichtlinie kurzfristig als Chance gesehen. Langfristig sei sie aber schädlich, etwa durch die Aushöhlung der Tarifhoheit. Kernpunkt bleibe das Herkunftslandsprinzip. Die Richtlinie ziele auf die Beseitigung sozialer Rechte und des europäischen Sozialmodells.

In der anschließenden Diskussion berichteten VertreterInnen von Gewerkschaften, Parteien, Frauengruppen, Sozialforen usw. aus Rumänien, Deutschland, Irland, Portugal, Finnland, Zypern, Frankreich, Tschechien, den Niederlanden, Italien, Großbritannien, Österreich, Griechenland und Spanien über die Betroffenheit und den Widerstand in den jeweiligen Ländern und machten die breite Palette der gesamteuropäischen Bewegung gegen die Dienstleistungsrichtlinie sichtbar.

Leo Furtlehner


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